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Demo gegen die A100Für die Autobahn ist gegen Berlin

Die Raddemo gegen den Ausbau der Stadtautobahn A100 war gut besucht, nur an Zuschauern mangelte es. Laut Innenverwaltung nehmen die Stauprobleme ab.

Einmal freie Fahrt, jedenfalls für ein paar Minuten Foto: C. Prößer

Von

Claudius Prößer aus Berlin

taz | „Was ich gerne hätte? Autofreie Städte!“ schallt es über die Sonnenallee, wo sich am Samstagnachmittag hunderte DemonstrantInnen – die meisten mit Fahrrädern – auf der Hatun-Sürücü-Brücke über die A100 versammelt haben. Sie warten darauf, von der Polizei auf den neuen Autobahnabschnitt gelassen zu werden und bis zur Anschlussstelle Treptower Park zu rollen.

Ihr Protest unter dem Motto „Wir setzen der A100-Irrfahrt ein ENDE“ richtet sich gegen den geplanten Weiterbau der Betonschneise über die Spree nach Friedrichshain, aber auch gegen den Betrieb des vor zwei Monaten eröffneten Teilstücks. Denn weil die neue Elsenbrücke immer noch nicht fertig ist, kommt es in Treptow täglich zu teils massiven Staus.

Die Stimmung ist gut, obwohl Bundes- und Landespolitik in Sachen Autobahn kein Halten zu kennen scheint. Vielleicht kippt ja die allgemeine Stimmung, wenn der Volksentscheid Berlin autofrei erfolgreich sein sollte? Ein Sprecher der Initiative, die zusammen mit anderen Organisationen im Bündnis „A100 wegbassen“ zur Demo aufgerufen hat, sagt ins Mikrofon, er freue sich, die Autobahn „endlich einmal für etwas Sinnvolles“ zu nutzen, nämlich ein Signal gegen die herrschende „Auspuffpolitik“. Die sei in Berlin unter Verkehrssenatorin Ute Bonde und ihrer Vorgängerin Manja Schreiner (beide CDU) geprägt von „Verzögerungstaktik, Kürzungen und schiefen Prioritäten“.

Ein Redner von der Interventionistischen Linken (IL) hebt das Problem auf die Ebene des Klassenkonflikts: „Diese Autobahn ist keine Entlastung für die Lohnarbeitenden, die morgens und abends im Stau stehen, oder für die überfüllten Busse und S-Bahnen.“ Auch Gesundheits-, Sport- oder Kulturangebote ließen sich so nicht besser erreichen. Profiteure von Projekten wie der A100 seien lediglich die Bau- und die Autoindustrie. Fazit: „Wer für diese Autobahn und ihren Ausbau ist, ist gegen Berlin.“

Als die Zufahrt geöffnet wird, wird langsam losgeradelt, dann noch langsamer, dann wird sehr lange gestanden. Die Reden, die vorne gehalten werden, erreichen den hinteren Teil der Demo nicht, aber immerhin scheint die Sonne, und aus den Lautsprechern dröhnen KIZ und Bob Marley.

Als es dann doch weitergeht, kann irgendwann nur noch geschoben werden. Ein wenig fehlen bei diesem Protest die RezipientInnen: Nur ein paar Fußgänger können von einer Brücke aus die beachtliche Menge sehen. Autos dürfen auch auf der Fahrbahn in Gegenrichtung nicht fahren, und am Ende der Ausfahrt entlassen Polizeiwannen die DemonstrantInnen nur dosiert in den Verkehr. Diese bleiben also eher unter sich mit ihrer Botschaft.

Probleme? Noch nicht erfasst!

Eine parlamentarische Anfrage hat derweil ergeben, dass Innenverwaltung und Polizei der teils chaotischen Verkehrssituation rund um die Anschlussstelle keine allzu große Aufmerksamkeit zu widmen scheinen. Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünenfraktion Antje Kapek hatte wissen wollen, wie viele Ordnungswidrigkeitenverfahren seit Freigabe der neuen Anschlussstelle wegen Blockierens von Kreuzungen und unerlaubten Befahrens der Busspur eingeleitet wurden.

Antwort: unbekannt. Eine Erfassung sei noch nicht erfolgt, heißt es. Für Kapek unverständlich: „Jetzt kapituliert auch noch die Polizei vor dem Chaos rund um die A100-Verlängerung“, sagt sie. „Anstatt für Sicherheit zu sorgen und belastbare Daten zur Situation zu erheben, lässt man die Situation einfach laufen.“

Aus der Antwort auf die Anfrage geht allerdings auch hervor, dass die Innenverwaltung die Situation schon für „deutlich entspannt“ hält. Durch die Erweiterung der Busspur zwischen den Straßen Am Treptower Park und Puschkinallee sowie angepasste Ampelanlagen sei „kein Rückstau im Einmündungsbereich mehr festzustellen“. Nur an den beiden Knotenpunkten mit der Elsenstraße komme es „noch vereinzelt“ zu Beeinträchtigungen, weil AutofahrerInnen die Kreuzung nicht räumten.

Und auch die BVG teilt der taz auf Anfrage mit, dass die Maßnahmen „in Teilen bereits zu Verbesserungen geführt“ hätten: „Vor allem außerhalb der Hauptverkehrszeiten fließt der Verkehr deutlich besser.“ Die Verspätungen der Buslinien zu den Spitzenzeiten hätten sich „leicht reduziert“, blieben aber „für die Fahrgäste spürbar“. Man stehe „im konstruktiven Austausch mit den Behörden, um weitere Verbesserungen zu realisieren“.

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9 Kommentare

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  • Die ganze Situation mit dem neuen Stau-Schwerpunkt wird wohl kaum dadurch behoben, dass nun erneut zig Millionen in noch mehr Asphaltwüsten versenkt werden. Mal sehen, wie es nach Fertigstellung der Elsenbrücke aussieht.

    Sicher scheint nur, dass man sich in der Union noch immer schwer damit tut zu akzeptieren, dass in Städten keine Autos, sondern Menschen wohnen.

    • @Sam-Sanchez87:

      Das ist eigentlich aus Stuttgart bekannt: Große Straßen in die Stadt gebulldozert, und dann knallt's, feinstaubt's, stinkt's, ... in der Stadt selbst.

  • Wenn wir im 21. Jh. angekommen sind, an Menschen und nicht an Motoren denken, an Lebensqualität und nicht an Hubraumnostalgie, volkswirtschaftlich und nicht autoindustriegesteuert, dann sparen wir uns die extrem hohen Kosten der viel zu vielen Blechkisten deutlich und genießen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr, Radwege, Fußwege. Wie wär's damit?



    Damit solche Geldverplemperei wie Autobahnspuren noch rascher zum belächelten Ding der Vergangenheit wird.

    • @Janix:

      "Wenn wir im 21. Jh. angekommen sind..."



      Dort sind wir schon angekommen, im dritten Jahrzehnt desselben.



      BTW muss man nicht "autoindustriegesteuert" sein, um zu erkennen, dass "öffentlicher Nahverkehr, Radwege, Fußwege" kein adäquater Ersatz für ein Universalwerkzeug sein können. Hat mit Lebensqualität zu tun.

      • @sollndas:

        Was wir verschieden definieren könnten.

        Ist es Lebensqualität, ein Auto haben zu _müssen?

        Wohl ziemlich sichér nicht, sondern ein Zeichen von noch unzureichenden Alternativen, für die wir auch mal etwas tun sollten. Was ökonomisch wie ökologisch wahrscheinlich kaum zu umgehen ist.

        • @Janix:

          Die von Ihnen genannten Alternativen (öffentlicher Nahverkehr, Radwege, Fußwege) werden immer "unzureichend" bleiben. Selbst in der von Ihnen erträumten idealen Welt.

          • @sollndas:

            Für Ihr Weltbild offenbar. Spätere Generationen werden das vielleicht nicht einmal mehr verstehen.

  • Also ich finde es schon etwas befremdlich, dass es jetzt so dargestellt wird, als sei die A100 Mündung in Treptow jetzt der einzige Stauschwerpunkt in Berlin, der regelmäßig zu Verkehrschaos führt. Davon gibt es ja nun wirklich so einige (Autobahnabfahrt Dreieck Funkturm z.B., das wird aber aus Opportunismus hier nicht diskutiert, weil dort der Grund ist, dass die verhasste Autobahn fehlt). Entsprechend weltfremd erscheint auch die Anfrage der Grünen. NIRGENDS in Berlin wird das Zufahren von Kreuzungen kontrolliert oder bestraft. Das war auch unter Frau Jarasch nicht anders.



    Das könnte man generell mal kritisieren oder ändern (Wäre ich als Teilzeitautofahrer voll dafür!). Aber das jetzt als exklusives Problem an der A100 Kreuzung in Treptow festzumachen, ist doch wirklich nur reiner Populismus.

  • "Für Kapek unverständlich: „Jetzt kapituliert auch noch die Polizei vor dem Chaos rund um die A100-Verlängerung“, sagt sie."

    "Aus der Antwort auf die Anfrage geht allerdings auch hervor, dass die Innenverwaltung die Situation schon für „deutlich entspannt“ hält. Durch die Erweiterung der Busspur zwischen den Straßen Am Treptower Park und Puschkinallee sowie angepasste Ampelanlagen sei „kein Rückstau im Einmündungsbereich mehr festzustellen“. Nur an den beiden Knotenpunkten mit der Elsenstraße komme es „noch vereinzelt“ zu Beeinträchtigungen, weil AutofahrerInnen die Kreuzung nicht räumten."'

    Da scheint es zwei Wirklichkeiten zu geben in Berlin.