Demo gegen Münchner Sicherheitskonferenz: Diesmal auch für das Klima

Mehrere tausend Menschen demonstrierten in Bayerns Landeshauptstadt gegen die „Kriegstreiberkonferenz“ – und gegen Umweltzerstörung.

Friedensdemonstranten mit Plakaten

Junge Leute waren auf der Demo doch eher die Ausnahme Foto: Felix Hörhager/dpa

MÜNCHEN taz | Die einen tagen drinnen, die anderen demonstrieren draußen – und wollen mit ihrem Protest die Veranstaltung „umzingeln“, wie es im Aufruf der Organisatoren heißt. Das ist seit vielen Jahren die Aufstellung bei der Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo). Und so ist es auch an diesem Samstag. Mehrere tausend Teilnehmer verschiedenster linker und Friedensgruppen sind gekommen, um ihre Ablehnung über das traditionell als „Kriegstreiberkonferenz“ bezeichnete Treffen im Bayerischen Hof kund zu tun.

Bei der Demo-Sammlung am Mittag am Stachus haut der Aktivist Wolfgang Blaschka schon ordentlich rein und bezeichnet die Konferenz als „Versammlung von Mördern, die ins Gefängnis gehören“. Die Band „Ruam“ – oberpfälzisch für Rüben – spielt den Friedensbewegungs-Klassiker „Was wollen wir trinken?“ von den Bots und ein neueres Lied zum Mitzählen: „Eins, zwei, drei – raus aus Afghanistan“

Das Motto der samstäglichen Demo klingt neu: „Alles muss sich ändern – Nein zu Krieg und Umweltzerstörung“. Im Zeichen der weltweiten Klimaproteste haben die Organisatoren vom Aktionsbündnis gegen die Nato-„Sicherheits“konferenz die Veranstaltung um den Aspekt des Umweltschutzes erweitert. So sagt Matthias Gast vom Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus: „Über Umweltzerstörung und Klimawandel muss man sprechen, aber man darf Krieg und Militarismus nicht vergessen.“

Schon am Vorabend, am Freitag, hatten geschätzte 500 bis 800 Menschen von Klima- und Flüchtlingsgruppen wie „Ende Gelände“ und „Seebrücke München“ demonstriert. Nachdem dort Pyrotechnik abgebrannt wurde, kürzten die Versammlungsleiter die Route des Zuges ab. Nicht wenige der vorabendlichen Demonstranten sind auch am Samstag wieder dabei.

Verhinderte Selbstverbrennung

Den klassischen Themen des Protestes gegen die Sicherheitskonferenz widmet sich auf der Auftaktkundgebung am Samstagmittag die Rednerin Andrea: „Die Nato rüstet weiter auf.“ Sie klagt an: „Deutschland steht wieder an der Grenze zu Russland.“ Und weiter: „Die Volksrepublik China und Russland werden von der Nato provokativ eingekreist.“ Dieser Plan werde – Andrea deutet in Richtung des Bayerischen Hofes – „dort drüben weitergestrickt“. Ihr Nachname bleibt unbekannt, auf Nachfrage sagt sie: „Ich arbeite im öffentlichen Dienst, und das in Bayern.“

Von dem dramatischen Zwischenfall, der sich am Rande der Auftaktkundgebung ereignet, bekommt sie wie so viele andere Demonstranten nichts mit: Ein in München lebender Iraker überschüttet sich am Rande der Versammlung mit Benzin. Glücklicherweise entdecken Polizisten den Mann mit dem Feuerzeug in der Hand gerade noch rechtzeitig.

Der 50-jährige Mann muss allerdings aufgrund der inhalierten Benzoldämpfe medizinisch versorgt werden. Anschließend wird er in polizeiliches Gewahrsam genommen und in einer psychatrischen Einrichtung untergebracht. Am Abend wird das Münchner Polizeipräsidium mitteilen, dass Motiv könnte gewesen sein, „dass er mit dem Selbstverbrennungsversuch auf seine persönliche Situation in Bezug auf sein Heimatland hinweisen wollte“. Die Ermittlungen würden aber noch laufen.

Diesmal ohne Friedenskonferenz

Neben dem Umweltthema ist für das Aktionsbündnis in diesem Jahr auch neu, dass die geplante „Münchner Friedenskonferenz“ geplatzt ist. Diese Veranstaltung im Alten Rathaus und im DGB-Haus bot bisher oftmals hochkarätigen Referenten die Möglichkeit, parallel zur SiKo außenpolitische Alternativen aufzuzeigen. Doch es kam zum Streit zwischen der Stadt, die das Alte Rathaus zur Verfügung stellt, und den Veranstaltern.

Der Grund: Die Stadt wollte den langjährigen CSU- und seit kurzem SPD-Stadtrat Marian Offman für das Grußwort entsenden, der passte dem Organisator Thomas Rödl jedoch nicht. Offman, der einzige Stadtrat jüdischen Glauben, witterte Antisemitismus. Die Organisatoren sagten dann alles ab.

Claus Schreer, 81 Jahre alt, ist ein Urgestein des Münchner Anti-Siko-Protests. Auf die Konferenz-Turbulenzen angesprochen, gibt er sich wortkarg: „Damit haben wir nichts zu tun.“ Das Aktionsbündnis allerdings hat eine Erklärung verfasst, worin die Friedenskonferenz unterstützt wird. Darin heißt es, Offman vertrete bei den Themen „Militär, Rüstung und Atomwaffen Positionen, die völlig konträr zum Konferenzprogramm stehen“.

In die Jahre gekommen

Zu den größeren Unterstützern der Demonstration gehören der Landes- und der Stadtverband der bayerischen Linkspartei, die Gewerkschaften Verdi und GEW, die Deutsche Friedensgesellschaft DFG-VK oder Pax Christi aus dem katholischen Bereich. Kommunisten von DKP und SDAJ sind – wie immer – auch mit dabei. Exotische Gruppierungen wie etwa die MLPD sind auch gekommen.

Bei so vielfältigen Teilnehmern kann es durchaus zu inhaltlichen Gegensätzen kommen. „Hände weg vom Iran“ verlangen etwa die einen, Exil-Iraner hingegen fordern den Sturz des Mullah-Regimes und Gerichtsprozesse gegen die jetzige Machtelite.

Die Abschlusskundgebung findet am Nachmittag auf dem Marienplatz statt. Auf dem weitläufigen Gelände wird deutlich, dass bei der Teilnehmerzahl Luft nach oben ist. Die Organisatoren sprechen von 5.600 Demonstranten, die Polizei von 3.000. Das entspricht den Zahlen der letzten Jahre.

Ohne den Protestlern zu nahe zu treten: graue Haare und graue Bärte dominieren. Viele, die hier demonstrieren, waren bei den Kundgebungen der Friedensbewegung Anfang der 1980er-Jahre junge Menschen. Claus Schreer kommt ans Mikrofon, geißelt den „Aufrüstungswahnsinn“, will die Bundeswehr sofort abschaffen sowie obendrein alle US- und Nato-Stützpunkte schließen. Von der Bühne blickt er auf die Menge und ruft: „Wir sind ganz viele.“

Die Münchner Polizei resümiert am Abend, der Verlauf der Veranstaltung könne „als friedlich und störungsfrei bezeichnet werden“.

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