Debatte um deutsche Flüchtlingspolitik: Alle gegen Merkel
CSU-Chef Horst Seehofer droht der Bundeskanzlerin nun mit Verfassungsklage, die AfD gar mit einer Strafanzeige. Selbst die SPD setzt sich ab.
Es blieb seinem Innenminister Joachim Herrmann vorbehalten, die Details darzulegen. So forderte der CSU-Politiker, zum Dublin-System zurückzukehren, wonach jene EU-Länder für die Asylsuchenden zuständig sind, die diese zuerst betreten haben, und Flüchtlinge an den Grenzen notfalls direkt zurückzuweisen.
Dazu sollten an den deutschen Grenzen „Transitzonen“ geschaffen werden, wie es sie in Flughäfen bereits gibt. Außerdem solle der Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge begrenzt werden. Beides geht aber nicht ohne Erlaubnis aus Berlin. Sollte der Bund jedoch nicht handeln, werde der Freistaat „anlassbezogen auch eigene Maßnahmen ergreifen“, drohte Herrmann. Und sollte nichts davon passieren, dann behalte es sich sein Bundesland vor, vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe zu klagen.
Damit setzte sich die CSU einmal mehr in Opposition zu Angela Merkel, die am Abend zuvor vor CDU-Mitgliedern in Wuppertal kämpferisch und mit klaren Worten für ihren Kurs geworben hatte: „Zu uns kommen nicht anonyme Menschenmassen, sondern zu uns kommen einzelne Menschen“, sagte sie dort. Jeder davon habe ein Anrecht, „anständig behandelt zu werden“, sagte sie. Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) reagierte zugeknöpft: Ein Alleingang Bayerns sei keine Lösung des Flüchtlingsproblems, die angedrohte Klage sah er gelassen.
AfD übertrumpft CSU
Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen lehnt Merkel ausdrücklich ab, und von einer Asyl-Obergrenze wollte sie auch nichts wissen. Die hat nun ausdrücklich die SPD ins Spiel gebracht. Vizekanzler Sigmar Gabriel und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnen vor einer unbegrenzten Aufnahme von Asylsuchenden. „Wir können nicht dauerhaft in jedem Jahr mehr als eine Million Flüchtlinge aufnehmen und integrieren“, sagten sie dem Spiegel, der an diesem Samstag erscheint. Darum müsse man „das Mögliche dafür tun, damit die Zuwanderungszahlen nach Deutschland wieder sinken“.
Eine Schippe legte die Alternative für Deutschland (AfD) drauf, um die CSU noch zu übertrumpfen. Sie fordert, die Grenzen sollten temporär für Menschen ohne Visa ganz geschlossen und der Familiennachzug für Flüchtlinge ganz abgeschafft werden, kurz: einen sofortigen „Aufnahmestopp“, wie Parteivorsitzende Frauke Petry am Freitag in Berlin sagte.
Außerdem kündigten die Rechtspopulisten an, die Bundeskanzlerin anzuzeigen. „Angela Merkel hat sich als Schleuser betätigt“, behauptete AfD-Vizechef Alexander Gauland. Ihre Entscheidung von Anfang September, Tausende Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland einreisen zu lassen, sei strafbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Analyse zu AfD-Wahlprogramm
Auf dem Rücken der Ärmsten