piwik no script img

Debatte um Zustand der BundeswehrLindner gegen neue Wehrpflicht

Verteidigungsminister Pistorius schlägt vor, den Wehrdienst wieder einzuführen. Eine „Gespensterdiskussion“, sagt FDP-Finanzminister Christian Lindner.

Hält nichts von einer neuen Debatte um die Wehrpflicht: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Berlin dpa | FDP-Chef Christian Lindner hat jeder Diskussion um eine Rückkehr zur Wehrpflicht eine Absage erteilt. „Die Wehrpflicht steht für die FDP überhaupt nicht zur Debatte. Das ist eine Gespensterdiskussion. Alle Kraft muss darauf konzentriert werden, die Bundeswehr als hochprofessionelle Armee zu stärken“, sagte Lindner am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

Die junge Generation habe durch die Pandemie zudem „so viel verloren, dass jetzt nicht noch über eine neue Dienstpflicht spekuliert werden sollte“. Lindner verwies auch auf den Fachkräftemangel in allen Bereichen. Er sagte: „Einen ganzen Jahrgang von Ausbildung und Beruf abzuhalten, würde großen Schaden verursachen.“

Zuvor hatte schon die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann für den Fall einer Rückkehr zum Wehrdienst auf weitreichende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft hingewiesen. Die öffentliche Diskussion um diese Frage verlaufe „teilweise nicht seriös“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses am Dienstag. Die Verschärfung des Fachkräftemangels sei dabei nur ein Punkt.

„Grundsätzlich gilt das Ende der Dienstpflicht ausschließlich in Friedenszeiten. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden“, hatte sie der Süddeutschen Zeitung gesagt. Noch vor einem Jahr sei sie strikt dagegen gewesen. Mittlerweile findet Strack-Zimmermann: „Ein einfaches Ja oder Nein ist zu kurz gesprungen.“ Sie verwies auf den erheblichen Aufwand, der bei einer Rückkehr zur Wehrpflicht nötig sei.

Die Linke ist erbost

In der vergangenen Woche hatte der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Aussetzung der Wehrpflicht durch die schwarz-gelbe Bundesregierung im Jahr 2011 als Fehler bezeichnet.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Johannes Vogel schrieb auf Twitter, die Wehrpflicht ließe sich mit Blick auf die Lage nicht rechtfertigen. „Und sie stünde absehbar der Modernisierung unserer Streitkräfte & ihrer Verteidigungsfähigkeit sogar im Weg“, fügte Vogel hinzu.

Die Linke kritisierte die Diskussionen um die Wehrpflicht. „Es vergeht kein Tag, an dem sich nicht irgendein Vertreter von SPD, FDP, Grünen oder Union findet, der mit einem neuen Eskalationsvorschlag um die Ecke kommt: Panzerlieferungen, Kampfjets, jetzt die Wiedereinführung der Wehrpflicht“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linke-Fraktion, Jan Korte. Die Wehrpflicht auszusetzen, sei kein Fehler gewesen, sondern ein zivilisatorischer Fortschritt.

Unterdessen sprach sich der Reservistenverband für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus. „Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht zu verteidigen, wenn es denn müsste, wenn wir keine Wehrpflicht haben“, sagte der Verbandspräsident Patrick Sensburg dem TV-Sender Welt. Rund 200.000 Soldaten und 100.000 Reservisten reichten für den Ernstfall nicht aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Anstatt Wehrpflicht sollte man deutlich mehr Reservisten anwerben. Es braucht eine Frewilligen Amree auf Reservistenbasis die im.Kriegsfall die Armee verstärkt.

  • Muss man, wenn man gegen Lindner ist, jetzt automatisch für die Wehrpflicht sein? Oder kann man auch gegen die Wehrpflicht sein, ohne damit automatisch als FDP Anhänger zu gelten?

  • Ich fände ein verpflichtendes Sozialjahr für alle in dem man eben auch Wehrdienst machen könnte nach wie vor erstrebenswert.

    Gerade mit immer mehr Akademikern die von Schule ins Studium ins Berufsleben finde ich es wichtig auch mal 1 Jahr mit ganz anderen Menschen und Problemen zusammenzukommen. Ich kenne niemanden der nichts über diese Zeit zu berichten weis und jeder hat seinen Teil an Erfahrung daraus gewonnen.

    • @lord lord:

      Ich persönlich habe 13 Monate beim Rettungsdienst verloren. 8 Menschen konnte ich nicht retten. Keinen habe ich gerettet. Und ich weiß aus dieser Zeit, dass Hellersdorf unten durch ist.

      Den erworbenen Blaulichtführerschein habe ich dann für nix mehr gebraucht und ich habe allenfalls die Erkenntnis gewonnen, dass der Rettungsdienst in vielen Fällen lediglich ein kostengünstiges Taxi zum Krankenhaus darstellt.

      Als meine Mutter letzens einen Schlaganfall hatte, hat sich der Fahrer des RTW darüber gefreut, dass ich "Rettungsdienst" und nicht "Krankenwagen" gesagt habe .

      Na juhu, da hab ich was fürs Leben gelernt.

      Auch wenn wir uns jetzt nicht persönlich kennen, so können Sie mich gerne als den ersten Bekannten zählen, der diese Monate ohne Einschränkungen als verlorene Lebenszeit betrachtet.

    • @lord lord:

      "Ich kenne niemanden der nichts über diese Zeit zu berichten weis"



      Na ja, daran ob demütigende Initiationsrituale und Bier exen aus der Gasmaske wirklich so bereichernde Erfahrungen sind, dass man sie wirklich allen zwangsweise verordnen muss hätte ich ebenso so meine Zweifel wie daran ob das Argument "mit ganz anderen Menschen und Problemen zusammenzukommen" überhaupt geeignet ist so etwas wie den Wehrdienst, der ja potentiell auch bedeutet, dass die derart Zwangsverpflichteten im Verteidigungsfall an die Front müssen, rechtfertigen zu können.

  • Was nutzen mehr Soldaten, wenn es noch nicht einmal für die jetzigen genug Kleidung, Waffen und Munition hat. Nein zur Wehrpflicht, ausnahmsweise mal Danke FDP.

    • @Rudi Hamm:

      Die Waffen kann man kaufen und die Munition auch.

      Der aktuelle Zeustand ist auch nicht besonders sicher, sondern eher grob fahrlässig.



      Wir brauchen keine eigene Armee, wenn wir die Munition dafür im Ausland herstellen lassen.

  • Es würde einer kollektiven Debatte über die Fragen Krieg und Frieden nützen. Ich selber bin KDV und habe mich durch zwei ätzende Verhöre die damals veranstaltet wurden gestritten. Das hat auf jeden Fall mein Bewusstsein geschärft, um nun auch zu der unsinnigen Militarisierung (angefangen mit der Sprache!) Stellung zu beziehen.

    • @Michael Meert:

      "um nun auch zu der unsinnigen Militarisierung (angefangen mit der Sprache!) Stellung zu beziehen."



      :-D

  • So wie die Wehrpflicht war braucht sie niemand mehr. Wenn man die Bürger wirklich für den Angriffsfall ausbilden will, dann braucht es Ausbildungen in einem breiten Spektrum ohne Strammstehen und Marschieren. Man sieht ja wie komplex und integriert der Krieg in der Ukraine ist: Intelligentes, vernetztes aber auch eingenständiges Handeln auf allen Ebenen kann auch mit wenigen Mitteln gegen die stupiden Wellen an russischem Kanonenfutter bestehen.

    Bedenken muss man auch: So wie sich die Altersverteilung der Bevölkerung entwickelt, wird man es sich nicht erlauben können einen Teil der jungen Menschen aus dem Arbeitsmarkt lange zu ziehen.

    • @Thomas R. Koll:

      Ohne den einfachen Soldaten an der Front nützt die ganze High-Tech-Artillerie nichts - die wird dann durch die "stupiden Wellen" einfach überrannt.