Debatte um Peter-Weiss-Preis an Otoo: „Mein Entsetzen ist eindeutig“

Die Autorin Sharon Dodua Otoo distanziert sich von Artists for Palestine. Nach den Vorwürfen gegen sie baut sie dem Peter-Weiss-Preis eine Brücke.

Sharon Otoo

Autorin Sharon Dodua Otoo Foto: Sören Stache/picture alliance

Großen Respekt für Sharon Dodua Otoo. In die Debatte hinein, ob ihr der Peter-Weiss-Preis zuerkannt werden kann, hat sich die deutsch-britische Autorin selbst überzeugend zu Wort gemeldet.

Publik geworden war, dass Otoo die britische Gruppierung Artists for Palestine UK unterstützt hat, die noch nach dem 7. Oktober üble Propaganda betrieb, indem sie den Terror der Hamas als unterstützungswürdigen „palästinensischen Widerstand“ wertete. Das hatte zu – nachvollziehbaren – Forderungen geführt, die Preisverleihung an Otoo zu überprüfen.

In einem Statement, das auch der taz vorliegt, schreibt Otoo nun: „Als ich ca. 2015 die Petition von „Artists for Palestine UK“ unterschrieben habe, habe ich mich als Individuum solidarisch mit dem gewaltlosen Widerstand Kulturschaffender in Palästina positionieren wollen. […] Ich würde einen solchen Aufruf heute nicht mehr unterzeichnen. Daher distanziere ich mich heute von der Petition und bemühe mich mit anwaltlicher Unterstützung meinen Namen von der Liste zu entfernen.“

Vom Ton her ist das Statement den Opfern der Hamas vom 7. Oktober und ihren Angehörigen erkennbar zugewandt. Otoo: „Mein Entsetzen und meine Abscheu über die fürchterliche Gewalt der Hamas war und ist eindeutig. Nichts kann diese Gewalt rechtfertigen. Ich bedaure zutiefst, dass es uns, die nicht persönlich betroffen sind, nicht gelungen ist, unser Beileid und unsere Solidarität sichtbarer und hörbarer zu machen, dass viele jüdische Menschen auch hier in Deutschland sich alleingelassen fühlen müssen.“

„Correct me if I am (politically) wrong“, heißt ein Aufsatz von Otoo aus dem Jahr 2013: Korrigiert mich, wenn ich mich politisch irre. Genau das macht sie jetzt selbst. Sie distanziert sich von Artists for Palestine. Auch eine Absage an jeglichen kulturellen Boykott, wie sie etwa die BDS-Bewegung gegenüber Israel fordert, kann man herauslesen.

Im Statement heißt es: „Um die Wahrheit zu finden, muss man diskutieren. Kunst und Kultur haben dabei eine besondere Rolle. Wir müssen dabei Platz für Dissens haben, um gemeinsam um Verständigung zu ringen. Deshalb bin ich dankbar, wenn ich auf meine Fehler hingewiesen werde.“

Besondere Rolle der Kultur

Diskutieren – besondere Rolle der Kultur – Raum für Dissens: Das sind durch die bisherige schriftstellerische Arbeit dieser Autorin beglaubigte Ansätze. 2020 hielt sie die Eröffnungsrede beim Bachmannpreis, den sie 2016 gewonnen hatte, und trat dabei auch als Vermittlerin zwischen der Schwarzen Community in Deutschland und der deutschsprachigen Mehrheitsgesellschaft auf.

Ihr vielbeachteter Debütroman „Adas Raum“ drehte sich um die Fragen: Wer erzählt? Von wem wird erzählt? Wessen Erfahrungen werden weitergegeben? Und es ist auch ein Roman, der eine Sehnsucht danach hat, dass alle menschlichen Erfahrungen gleich viel wert sind.

Auch wenn sie sich dankbar für die Anerkennung ihrer Arbeit zeigt, möchte Otoo den Peter-Weiss-Preis nun ihrerseits nicht mehr annehmen. Statt dessen schlägt sie vor, das Preisgeld in Höhe von 15.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu stiften, zum Beispiel an die Initiative „Gesellschaft im Wandel“. Über die hatte, darf man anfügen, die taz zuletzt positiv berichtet. In ihrem Rahmen führen eine deutsch-palästinensische Bildungsaktivistin und ein deutsch-jüdischer Sozialunternehmer bundesweit Gespräche an Schulen über den Nahostkonflikt.

Der Vorschlag könnte tatsächlich eine goldene Brücke für den Peter-Weiss-Preis sein.

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