Debatte um Infektionsschutzgesetz: NRW und Bayern preschen vor
Nach Bayern will auch NRW ein eigenes Infektionsschutzgesetz schaffen. Anderswo hält man das Vorgehen der beiden Länder für verfassungswidrig.
![EBei einem Polizisten wird ein Abstrich genommen. EBei einem Polizisten wird ein Abstrich genommen.](https://taz.de/picture/4068240/14/25061120-1.jpeg)
Die Landesregierung hatte den Gesetzentwurf erst am Wochenende vorgelegt. Er sieht vor, dass bei Personalmangel wegen der Coronakrise künftig Mediziner und Pflegekräfte zwangsverpflichtet werden können. Außerdem soll die Beschlagnahme von medizinischen Materialien wie Atemgeräten und Schutzausrüstung möglich werden. Voraussetzung ist eine Epidemie „von landesweiter Tragweite“, die vom Landtag festgestellt werden müsste.
Das geplante NRW-Landesgesetz folgt dem Beispiel Bayerns, wo vor einer Woche ein Landes-Infektionsschutzgesetz beschlossen wurde. Auch dort wurden Zwangsverpflichtungen und Beschlagnahmen ermöglicht. Bayern geht damit weiter als der Bund. In dessen Infektionsschutzgesetz waren entsprechende Befugnisse für Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nach Protesten der Länder wieder gestrichen worden.
Bayern und NRW stehen mit ihren Vorhaben wohl allein. Aus anderen Bundesländern sind keine derartigen Pläne bekannt. In Niedersachsen hält man solche Landesgesetze sogar für verfassungswidrig. Der Bund habe von seiner Kompetenz in vollem Umfang Gebrauch gemacht, deshalb hätten die Länder „keinen Spielraum mehr“, heißt es im Hannoveraner Sozialministerium.
„Kein Ausdruck von Wertschätzung“
Am Mittwoch wurde der NRW-Gesetzentwurf im dortigen Landtag diskutiert. Vor allem aus der AfD kam der Vorwurf, Ministerpräsident Laschet (CDU) wolle mit dem Epidemiegesetz nur seinem bayerischen Kollegen Söder (CSU) nacheifern, um Tatkraft zu zeigen und seine Chancen auf die Unions-Kanzlerkandidatur zu wahren.
Zunächst musste Laschet aber zurückrudern. Der Versuch, das Epidemiegesetz am gleichen Tag im Landtag einzubringen und zu beschließen, war mit der Opposition nicht zu machen.
Auch in der Sache gab es heftig Contra, vor allem bei der geplanten Möglichkeit zur Zwangsverpflichtung im Gesundheitswesen. „Viele Ärzte und Pflegekräfte arbeiten schon seit Wochen an der Grenze und darüber hinaus, damit die Krise bewältigt wird“, erinnerte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty, „und jetzt sollen diese Menschen zur Arbeit verpflichtet werden? – Das ist kein Ausdruck von Wertschätzung.“
Auch Monika Düker, Fraktionschefin der Grünen, hielt eine Zwangsverpflichtung für „nicht erforderlich und unangemessen, also unverhältnismäßig“. Mit Freiwilligkeit komme man viel weiter als mit einem derartigen „Affront“.
Widerstand auch in FDP-Fraktion
„Jetzt ist Zeit des Handelns, nicht des Zauderns“, sagte dagegen Bodo Löttgen, der Fraktionsvorsitzende der CDU, „wollen wir zusehen, wenn sich die Situation zuspitzt? Wenn es im Altenheim keinen Arzt und keine Pflegekräfte mehr gibt?“
Der CDU-Gesundheitspolitiker Peter Preuß relativierte die Pläne der Landesregierung. Es gehe um „Hunderte“ von Ärzten, die jetzt in der Gesundheitsverwaltung arbeiten. Und um das medizinische Personal von Praxen, die wegen Corona dichtgemacht haben. „Niemand wird gegen den Willen des Arbeitgebers zwangsverpflichtet“, so Preuß.
Vermutlich wird die Möglichkeit zur Zwangsverpflichtung von Medizinern und Pflegekräften aber wohl noch gestrichen. Christof Rasche, Fraktionsschef der FDP, sprach von „sehr lauten Rufen“ aus seiner Fraktion nach Streichung dieses Paragrafen. Die FDP ist in NRW an der Landesregierung beteiligt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!