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Debatte um CannabisDope im Bundestag

Die Grünen werben mit einem Gesetzentwurf für die Freigabe von Cannabis. Die Drogenbeauftragte verschenkt Nüsse für die „geistige Gesundheit“.

Hoffentlich nicht gentechnisch verändert. Bild: dpa

BERLIN taz | Gentechnisch verändertes Dope? Nein, das käme ihnen nicht in die Tüte. Irgendwo endet auch die Toleranz der Grünen. In ihrem Gesetzentwurf für eine weitgehende Freigabe des Cannabis-Konsums stellt die Partei klar: Cannabis aus Gen-Hanf gäbe es auch in einem Grün-regierten Land nicht. Das Kiffen wäre, so die Idee, ein Genuss mit sauberem Stoff, streng von Verbraucherschützern überwacht.

Für Anhänger eines liberalen Umgangs mit Cannabis, Haschisch und Co. war der heutige Freitag ein geradezu historischer Tag. Die Fraktion der Grünen brachte erstmals einen detaillierten Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der den verklemmten Umgang des deutschen Staates mit der weichen Droge komplett neu regeln würde. Der Entwurf sieht unter anderem vor, Erwachsenen den Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis zu erlauben.

Grünen-Fraktionsvize Katja Dörner nannte am Rednerpult erst einmal Zahlen. In Deutschland konsumieren laut Schätzungen 2,3 Millionen volljährige Bürger Cannabisprodukte wie Haschisch oder Marihuana. Und 22 Prozent der 15 und 16-jährigen SchülerInnen haben schonmal probiert. „Cannabis ist eine Alltagsdroge. Das ist die Realität“, sagte Dörner. „Wir brauchen eine neue, vernünftige Grundlage für den Umgang damit.“

Damit spielte sie auf die unlogische Rechtslage in Deutschland an. Zwar drückt der Staat beim Konsum geringer Mengen meist ein Auge zu, allerdings sind der Anbau, der Besitz und die Ein- und Ausfuhr von Cannabisprodukten strafbar. Deshalb blüht in Deutschland ein Schwarzmarkt, den die Grünen entkriminalisieren und regeln möchten. Oder, um mit Dörner zu sprechen: „Kiffen ist kein Verbrechen.“

Die Linkspartei steht hinter dem Vorstoß. Der Innenpolitiker Frank Tempel, ehemals Kriminalbeamter, wies auf die Probleme durch die Kriminalisierung hin. „Schwarzmarkt ist so ziemlich der schlechteste Jugendschutz“, sagte er. Der Staat beschäftige hunderte Polizisten mit Kontrollen, weil auch der Konsum geringer Mengen angezeigt werde. Staatsanwälte stellen solche Bagatellverfahren aber routinemäßig ein.

Apotheken-ähnlicher Verkauf?

Mit ihrem Gesetzentwurf haben sich die Grünen wirklich Mühe gegeben. Auf 69 Seiten skizziert die Fraktion ein Cannabiskontrollgesetz, welches den Konsum von Cannabis erlauben, gleichzeitig aber Jugendliche schützen und Konsumenten aufklären würde.

„Ziel dieses Gesetzes ist es, Volljährigen einen rechtmäßigen Zugang zu Cannabis als Genussmittel zu ermöglichen“, heißt es in dem Papier. Die Realität, finden die Grünen, spreche nur dafür. Denn der Konsum der weichen Droge ist in Deutschland in den vergangenen Jahren gestiegen, obwohl der Staat restriktiv agiert.

Der Vorschlag denkt eine Legalisierung für Erwachsene auf mehreren Ebenen durch. Für den Eigenbedarf will die Ökopartei den Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen erlaubt. Parteichef Cem Özdemir, der bekanntlich eine Hanfpflanze auf seiner Dachterasse eiswässert, dürfte also die Pflanzung noch ausbauen. Erwachsene dürften 30 Gramm besitzen, alle größeren Mengen blieben strafbar. Jugendlichen unter 18 Jahren wären der Erwerb und Besitz komplett verboten.

Für den Verkauf von Cannabis-Produkten und den Wirtschaftsverkehr fordern die Grünen eine völlig neue Architektur. Cannabis würde in Fachgeschäften verkauft, die so ähnlich wie Apotheken funktionieren. Geschulte Verkäufer reichten das Dope in gekennzeichneten Verpackungen über die Theke und klärten über Risiken und Suchtgefahren auf. Die Herstellung und den Handel würde der Staat streng kontrollieren. Selbst einen Besteuerungsvorschlag – vier bis sechs Euro pro Gramm – und einen Grenzwert für den Straßenverkehr liefern die Grünen mit.

„Sanktions-Flatrate“

Die Bundestagsdebatte am Freitag bot einigen Unterhaltungswert. Für die Union stellte die Drogenbeauftragte der Regierung, Marlene Mortler (CSU), klar, dass es mit ihr keine kontrollierte Freigabe geben werde. Das Grünen-Gesetz bedeute faktisch eine Legalisierung und beeinträchtige die Glaubwürdigkeit der Präventionspolitik, sagte Mortler. Schlecht informiert zeigte sie sich, als sie rief: „Ich habe noch keine Stimme in der Polizei gefunden, die Ja zu einer Legalisierung gesagt hätte.“

Da könnte sie zum Beispiel Rainer Wendt anrufen, den Chef der Polizeigewerkschaft. Er wirbt dafür, den Konsum geringer Mengen nicht mehr zu verfolgen, „um sinnlose Bürokratie zu vermeiden.“ Am Ende ihrer Rede überreichte CSU-Frau Mortler der Grünen Dörner eine Tüte mit Nüssen. Mortler: „Für die geistige Gesundheit.“

Die SPD wirkte bei dem Thema unentschlossen. Die Abgeordnete Bettina Müller räumte ein, der Vorschlag adressiere viele Punkte, bei denen auch die SPD Handlungsbedarf sehe. Die derzeitige Rechtslage bei Cannabis führe zu einer „Sanktions-Flatrate“. Allerdings machten die zwei SPD-Redner deutlich, dass sie den Grünen-Entwurf für unausgegoren halten. Diese Große Koalition wird einer Freigabe also nicht zustimmen.

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6 Kommentare

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  • 2G
    2284 (Profil gelöscht)

    Das gute alte Scheme:

    Die eine Seite kommt mit so belanglosen Quatsch wie Argumenten, recherchierten Fakten und som überflüssigen Gedöns, und die Gegner kontern knallhart und unwiderlegbar mit der eigenen Wahrnehmung, die ja bekanntlich nie fehlbar ist, und stellen sehr sachlich fest, dass es der Gegenseite an "geistiger Gesundheit" fehlt.

    Großartig. So geht politische Hochkultur.

  • Ein verdummtes Volk soll nun auch noch ein narkotisiertes Volk werden. Das nenne ich neoliberale Konsequenz.

     

    Anscheinend hat die herrschende Klasse eine riesige Angst vor dem Volk. dabei ist das deutsche Volk bereits schon so abgestumpft, dass es nur hin und wieder einmal zu spürbaren Protesten reicht, wie gerade in Frankfurt am Main.

     

    Es scheint, als habe jemand zuviel "Brave new world" gelesen und wolle das nun umsetzen. Auf der einen Seite zetern die Grünen über das Komasaufen der Jugendlichen, andererseits verklären sie den Cannabiskonsum.

     

    Daran zeigt sich wieder, dass es sich um keine politische Partei handelt, sondern um eine postpubertäre Zeitgeistfraktion der dekadenten bürgerlichen Klasse.

     

    Ein Volk, dass zunehmend ihre durch Wohlstandsverwahrlosung verhaltensgestörten Lustprodukte der Bauart "Projekt Kind" mit Ritalin vollstopft, damit aus der Celine-Auguste eine neue Elli Te wird, schießt sich nun vollends ab, damit sie von der marktkonformen Demokratie völlig ausgemerkelt werden können.

     

    Unsere Kiffer an der Schule können eben nicht mit Drogen umgehen, genauso wie die Partyfans mit dem Alkohol. Die schulischen Leistungen beweisen es immer wieder. Aber ihre Eltern machen es ihnen ja vor. Statt Konflikte zu lösen, erfolgt Realitätsflucht. Der Bundestag mit seinen Parteien ist nur eine oberflächliche Kasperle-Theater-Veranstaltung, wobei man aber den Herrn Otto W. nicht vergessen sollte. Der nämlich fragte bei einer Aufführung für Senioren (also unsere Mandatsträger): "Seid ihr alle da?" Und auf das frenetische "Jaa!" gab er zur Antwort: "Aber nicht mehr lange!"

     

    Das gibt mir wirklich Hoffnung, doch dafür muss auch Jeder Hand anlegen, anstatt sich abzuschießen.

    • @achterhoeker:

      Welche von all ihren Bedenken wollen Sie durch eine Aufrechterhaltung der Strafverfolgung ausräumen ?

      Die Freigabe gäbe das Stück Freiheit, was sich Konsumenten illegalerweise ohnehin schon nehmen.

      Wie stünden Sie zum Verbot von Alkohol, der Volksverdummungs- und Sedierungsdroge Nr. 1 ?

    • @achterhoeker:

      Die Frage ist halt auch immer wie man selbst sozialisiert wurde werter AchterHoecker.

      Alkohol ist eine verdummende Volksdroge, Cannabis kann bei Missbrauch auch dazu führen, _ wobei es eher die Kreativität fördert, und dem Staat schnell unliebsam werden könnte, wenn die ganze kiffende Elite sich mal ordentlich äussern würde.Ich kenne sehr viel , wirklich viele Menschen, welche einen akademischen Abschluß haben und auch noch im hohen Erwachsenenalter dem Kraut fröhnen. Deswegen ist das Argument volksverdummung wohl etwas dumm,- bzw nicht reflektiert, da kann THC schon helfen bisschen reflektierter zu werden. Ausserdem sind die gesundheitlichen Schäden und die dadurch entstehenden Kosten für den Steuerzahler um ein Vielfaches geringer als bei Alkohol. Wer vehement gegen die liberalisierung oder legalisierung von Cannabis ist, sollte sich auch vehemnet für ein generelles Verbot von Alkohol und Tabak aussprechen.

      • @SilenZ:

        Also genau das, ist mir einer der wichtigsten Punkte der Diskussion: "Wer vehement gegen die Liberalisierung oder Legalisierung von Cannabis ist, sollte sich auch vehement für ein generelles Verbot von Alkohol und Tabak aussprechen."

        Ich aber bin für die Legalisierung von Cannabis und für eine bessere Aufklärungsarbeit gegen Alkoholismus und vollständige und wirkliche Anerkennung von selbigem und jedweder Sucht als Krankheit!

  • 30g?!??!??! Hust hust. Da rauch ich n ganzes Jahr von. Aber prinzipiell endlich mal wieder was vernüftiges von den Grünen. Ich kann die wegen "Geringfügigkeit eingestellten Verfahren" im Bekanntenkreis nämlich schon lange nicht mehr zählen.