Debatte um CO2-Steuer: Wider das tägliche Vollbad
Wärmedämmung ist gut und schön. Einsparungen sind aber gering, wenn manche Bewohner ihr Heizverhalten nicht ändern.
W iedervorlage nach der Bundestagswahl: Sollen Vermieter zumindest für einen Teil der CO2-Steuer aufkommen, die seit Jahresbeginn auf Heizöl und Erdgas erhoben wird? Schließlich haben sie es in der Hand, die Wohnungen zu sanieren. Oder sollen – wie aktuell Stand der Dinge – die Mieter den Aufpreis weiterhin alleine bezahlen?
Die Parteien positionieren sich gemäß allen Erwartungen. Das linke Lager will die Vermieter in die Pflicht nehmen, das bürgerliche Lager hingegen die Kosten bei den Mietern belassen. So bedient jeder die Interessen seiner potenziellen Wählerschaft – typische Klientelpolitik eben.
Nähert man sich dem Thema jedoch analytisch, stößt man zwangsläufig auf eine Zahl, die für die Diskussion enorm wichtig ist, die gleichwohl bisher kaum thematisier wird. Sie stammt von den Ablesefirmen der Wohnungswirtschaft und ist dort hinlänglich bekannt: In baulich identischen Wohnungen schwankt der Heizenergiebedarf je nach Verhalten der Mieter um bis zum Faktor vier. Ja, genau: Faktor vier. Das ist üppig und für die politische Bewertung der CO2-Steuer höchst brisant.
Kaltmiete getrennt von Nebenkosten
Denn der Vermieter müsste – würde ihm die Steuer ganz oder teilweise angelastet – plötzlich für die Heizgewohnheiten seiner Mieter finanziell geradestehen und nach einem Mieterwechsel im Extremfall das Vierfache an CO2-Steuer bezahlen, ohne es zuvor absehen, geschweige denn beeinflussen zu können. Schließlich kann er nicht vor Abschluss des Mietvertrags das Heizverhalten seiner Bewerber durchleuchten.
Das heißt: Lastet man die CO2-Steuer dem Vermieter auf, wirft man die eingespielte Systematik der Trennung zwischen feststehender Kaltmiete und variablen Nebenkosten über den Haufen. Denn die CO2-Steuer ist nun einmal verbrauchsabhängig und damit von der Logik her dem Mieter anzulasten. Er beeinflusst den Anfall der Steuer durch sein Verhalten.
Gemäß dieser Systemlogik darf und muss sich dann die energetische Qualität des Gebäudes wiederum in der Kaltmiete niederschlagen. Und zwar ausschließlich dort. Das heißt: In den Mietspiegeln muss schlechte Wärmedämmung stärker als bisher den kalkulatorischen Mietwert mindern. Ein massiver Abschlag bei der ortsüblichen Vergleichsmiete wäre dann ein Anreiz für die Sanierung.
Längst steht das Gezerre um die CO2-Steuer exemplarisch für eine etwas entrückte Effizienzdebatte im Gebäudesektor, in der das Nutzerverhalten kaum noch eine Rolle spielt. Alle Welt spricht nur noch von der Sanierung und ignoriert dabei, dass die Fortschritte durch Dämmung gering sein können, wenn diejenigen nicht mitspielen, die über die Macht zur Bedienung des Heizkörperventils verfügen. Das offenbart auch die Heizenergiestatistik in Deutschland. Der Verbrauch stagniert nämlich inzwischen – aller zusätzlichen Wärmedämmung zum Trotz.
Energieverbrauch sinkt nicht mehr
Unmittelbar nach der Jahrtausendwende war das noch anders, da ging es von Jahr zu Jahr merklich nach unten: Von rund 240 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche sank der durchschnittliche Endenergieverbrauch binnen zehn Jahren auf rund 190 Kilowattstunden, wie Daten des Bundeswirtschaftsministeriums zeigen. Danach passierte ausweislich der Statistik nichts mehr; der Verbrauch schwankt seither zwischen 180 und 190 Kilowattstunden.
Das ist auch deswegen bitter, weil alleine die Wohnungsunternehmen nach eigenen Angaben seit 2010 für weitere 340 Milliarden Euro energetisch modernisiert haben. Fragt man Energieexperten und die Wohnungswirtschaft nach möglichen Gründen für ausbleibende Fortschritte, ist von „offenen Fragen“ die Rede. Sofort fällt der Begriff „Rebound-Effekt“. Gemeint sind damit Änderungen im Nutzerverhalten, die gebäudetechnische Verbesserungen konterkarieren. Es werden dann Fragen gestellt wie: Leisten sich Hausbewohner, sobald das Objekt besser gedämmt ist, im Gegenzug höhere Raumtemperaturen? Heizen sie mehr als zuvor zusätzliche Räume, etwa das Schlafzimmer?
Wer mit Ablesefirmen spricht, die regelmäßig vermeintlichen Fehlmessungen nachspüren, bekommt nebenbei anekdotische Einblicke ins reale Leben. Da erfährt man dann von Fällen, in denen ein Fenster den ganzen Winterurlaub lang auf Kipp steht. Man hört von jungen Menschen, die – ein Klassiker – in ihrer ersten eigenen Wohnung exorbitante Nebenkosten produzieren. Oder man erfährt von Gewohnheiten wie dem täglichen Vollbad, die sich in massiven Energiekosten widerspiegeln. Mangel an Energiebewusstsein ist erkennbar kein Nischenphänomen.
Der entscheidende Grund für die heute eher mäßig vorhandene Sensibilität fürs Energiesparen dürfte die moderate Entwicklung der Energiepreise sein. Der merkliche Rückgang des Verbrauchs in den Jahren 2000 bis 2010 fiel in eine Zeit, in der Heizenergie aufgrund von Weltmarktpreisen deutlich teurer wurde. Im folgenden Jahrzehnt war der Preisanstieg hingegen gering, zeitweise sanken die Energiepreise sogar. Damit rückte das Thema wieder in den Hintergrund, und weitere Einsparungen blieben aus.
Will man aus Gründen des Klimaschutzes nun den Heizenergieverbrauch senken, darf man daher nicht nur Häuser sanieren, sondern muss explizit auch die Bewohner stärker sensibilisieren. Das schafft einerseits der Energiepreis, andererseits eine enger getaktete Heizkostenabrechnung. Schon vor einigen Jahren zeigte eine Studie der Deutschen Energie-Agentur und weiterer Akteure, dass Haushalte alleine dadurch im Schnitt schon 10 Prozent Heizenergie sparen, dass sie regelmäßig über ihren Verbrauch informiert werden.
Das alles festzustellen soll nicht von der Dringlichkeit der Gebäudesanierung ablenken. Aber die Rolle der Bewohner und ihrer Heizgewohnheiten verdient es, in der politischen Debatte stärker thematisiert zu werden – gerade auch im Kontext der CO2-Steuer und der Frage, wer sie bezahlt. Der Faktor vier spricht eine deutliche Sprache.
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