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Debatte über Biden-Kandidatur„Ich gehe nicht“

Bleibt Joe Biden der demokratische Kandidat fürs Weiße Haus? Nach dem desaströsem Auftritt des Präsidenten im TV-Duell rumort es in der Partei.

War bloß ein Jetlag schuld? Die Zweifel wachsen, ob Joe Biden wirklich im Rennen ums Präsidentenamt bleiben soll Foto: Elizabeth Frantz/reuters

Berlin taz | Ein Präsident, der sich nur recht langsam bewegen kann – und ein Krisenmanagement, das von einem Event der Schadensbegrenzung zum nächsten hetzt. Und über allem die Frage, ob der eingeschlagene Weg überhaupt weitergehen kann – und sollte. Das ist der Stand des demokratischen Wahlkampfs um die US-Präsidentschaft eine Woche nach der katastrophalen TV-Debatte zwischen Joe Biden und seinem Herausforderer Donald Trump.

Beispiel Mittwoch dieser Woche. Die New York Times berichtet unter Berufung auf Aussagen namentlich nicht genannter Biden-Verbündeter, dem Präsidenten sei klar, dass seine Kandidatur auf der Kippe stehe, er erwäge einen Rückzug und die kommenden Tage seien entscheidend. Das Dementi des Weißen Hauses und des Biden-Wahlkampfteams kommt sofort: Totale Fake News!

Das reicht aber nicht aus, um die Gerüchte in den Griff zu bekommen, und so beruft Karine Jean-Pierre, Bidens Pressesprecherin, für den frühen Nachmittag noch ein Pressebriefing ein – das zweite innerhalb von 24 Stunden, nachdem zuvor über drei Wochen ohne Fragemöglichkeit der White-House-Korrespondent*innen vergangen waren. Es sei „absolut falsch“, was die New York Times – und zu dem Zeitpunkt dann auch CNN – berichtet hatten, so Jean-Pierre. Biden sei sich bewusst, dass seine Performance nicht gut war, aber er denke überhaupt nicht daran, seine Kandidatur aufzugeben.

Am Vorabend hatte Biden selbst vor Jour­na­lis­t*in­nen in Viginia am Rande eines Wahlkampfauftritts eine weitere Erklärung für seine Blackouts bei der Debatte veröffentlicht: Jetlag. Schließlich sei er zuvor gleich zweimal um die Welt geflogen und einfach müde gewesen.

Biden schaltet sich überraschend zu

Dass die Reisen – erst zum Gedenken an den D-Day in der Normandie und anschließend zum G7-Gipfel in Bari – zum Zeitpunkt der Debatte bereits 12 Tage zurücklagen und ­Biden sich fast ohne weitere Termine eine ganze Woche lang auf dem Landsitz Camp David nur auf die Debatte vorbereitet hatte, dass insofern wirklich niemand das Jetlag-Argument abkauft, dass es Biden sogar schaden würde, wenn Leute tatsächlich glaubten, ein Präsident, der einmal eine Reise unternimmt, sei danach zwei Wochen nicht mehr zurechnungsfähig – all das kommt bei Biden und seinem rund 15-köpfigen internen Beraterkreis offenbar nicht mehr an.

Nächster Schritt am Mittwoch: Videokonferenz von Mitarbeitern des Democratic National Committee, einer Art erweitertem Parteivorstand, und des Biden-Wahlkampfteams. Biden selbst schaltet sich überraschend dazu und hat folgende Message: „Lasst es mich so klar, so einfach und so geradeheraus sagen, wie ich kann: Niemand drängt mich raus. Ich gehe nicht. Ich bin in diesem Wahlkampf bis zum Ende und wir werden gewinnen.“

Erzeugt das nun Kopfschütteln über den Starrsinn eines alten Mannes, der nicht merkt, wann es vorbei ist oder Zuversicht in seine doch vorhandene Stärke? Unterschiedliche ­Medien berichten von unterschiedlichen Reaktionen, stets unter Berufung auf anonyme, gut informierte Quellen. Was davon stimmt, bleibt Kaffeesatzleserei.

Ein paar Stunden später: Biden trifft sich im Weißen Haus mit 20 demokratischen Gouverneur*innen. Zwölf von ihnen sind angereist, der Rest per Video zugeschaltet. Was wirklich gesprochen wurde? Anonyme Quellen, Medienberichte, Gerüchte. Offiziell treten mehrere Gou­ver­neu­r*in­nen im Anschluss vor die Presse und versichern Joe Biden ihre volle Unterstützung.

Gleichzeitig gibt auf mehreren Fernsehsendern Adam Frisch in Interviews zu verstehen, Biden müsse unbedingt Platz machen. Frisch ist ein moderater Demokrat, Kandidat fürs Repräsentantenhaus in Colorados 3. Wahlbezirk, der zurzeit von der extrem rechten Lauren Boebert gehalten wird. Die gewann 2022 allerdings nur mit wenigen hundert Stimmen Vorsprung, kandidiert im November in einem anderen Wahlbezirk mit mehr Chancen.

Biden fällt in Umfragen hinter Trump zurück

Und so ist Frisch einer derjenigen, auf denen die Hoffnung der De­mo­kra­t*in­nen beruht, im November die Kontrolle übers Repräsentantenhaus zurückzugewinnen. Und die jetzt fürchten, Bidens scheiternde Kampagne ziehe auch sie in den Abgrund. Davon muss es viele geben, berichten die US-Medien – wieder unter Berufung auf anonyme Quellen.

Am Vortag war der Abgeordnete Lloyd Doggett aus Texas der erste gewählte Amtsträger, der Biden offen zum Abtritt aufforderte. Er blieb allein. Kolumnist Walter Shapiro schreibt dazu in The New Republic: „In Begriffen des Zweiten Weltkriegs ausgedrückt: Führende Demokraten signalisieren, dass sie natürlich gern die Strände der Normandie erstürmen wollen, aber sie sind geneigt, die sechste Welle der Landungsboote abzuwarten, wenn alles ein bisschen ruhiger ist und nicht mehr so viele Kugeln fliegen.“

Auch Shapiros Text, beschämend für die Demokraten, erscheint am Mittwoch. Praktisch sämtliche Meinungsbeiträge in der New York Times, im New Yorker, im Atlantic, bei Slate, Politico oder Salon.com legen Biden energisch den Rücktritt nahe. Das Editorial Board der Washington Post schreibt Biden sogar eine Rede zum US-amerikanischen Nationalfeiertag, dem 4. Juli, in der er in würdevollen, patriotischen Worten seinen Rückzug erklärt.

Am Mittwochabend erscheint eine neue Sienna/New York Times-Umfrage: Demnach liegt Biden jetzt landesweit unter Wahlwilligen („likely voters“) mit 43 zu 49 Prozent hinter Trump, drei Prozentpunkte schlechter als vor der TV-Debatte, die Biden einen Aufschwung hatte geben sollen. Unter registrierten Wäh­le­r*in­nen beträgt die Lücke sogar 41 zu 49. Schaffen es Biden und sein Inner Circle wirklich, all das nicht zur Kenntnis zu nehmen?

Zunächst gilt es, noch einmal zu testen – und den Nato-Jubiläumsgipfel in der kommenden Woche in Washington zu überstehen. In den vergangenen Tagen ging das öffentlich nur mit Teleprompter. Und nun? TV-Interview mit George Stephanopolus von ABC am Freitag. Einige Wahlkampfauftritte übers Wochenende, dann Pressekonferenz beim Nato-Gipfel. Was dann passiert, ist offen. Oder vielleicht längst entschieden. Von anonymen Quellen.

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23 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Den Satz habe ich schon mal gehört!

    "Isch geh nedd... " Onkel Birne, der Mann der Gorbatschow Saumagen angeboten hat.

  • Der Alte will nicht gehen, kennt man ja auch aus Firmen, dummerweise fällt seine Frau als mäßigende Instanz aus, im Gegenteil. In Deutschland erinnert man sich an die Agonie am Ende der Ära Adenauer (abgeschwächt auch bei Kohl und Merkel), der dann aus Rachsucht half, seinen Nachfolger aus dem Amt zu jagen.



    Also müssen die Demokraten es mit immer stärkerem Druck versuchen, die Biologie hat am Ende die stärksten Argumente. Biden kann einfach nicht mehr. Noch wäre Zeit, einen jüngeren Kandidaten zu installieren, der auf jeden Fall frischer wirkt als die orangen-rechtspopulistische Zumutung. Trump ist schlagbar, hat Biden bei der letzten Wahl, als er deutlich besser beieinander war, ja schon bewiesen.

  • Wer sein Ego über das Land stellt, sollte nicht gewählt werden. Das gilt augenblicklich für beide Kandidaten. Egal, ob der eine der nette Opa und der andere der fiese Finsterling ist. Wenn es nur darum geht, das prestigeträchtige Amt zu besetzen, koste es, was es wolle, sollte man beide vom Hof jagen. Am Ende wird Biden als Verlierer der Wahl zum Totengräber der amerikanischen Demokratie. Weil er seinem Land dienen wollte. Haha.

    • @Stechpalme:

      Biden ist, glaube ich, eher der Überzeugung, dass er trotz allem jetzt und hier immer noch die besten Chancen hat Trump zu schlagen - und/oder dass es sich nicht lohnt, in dieser Wahl Jemanden zu verbrennen, der einspringt, aber faktisch kaum Chancen hat, es besser zu machen.

      Dass er nach einem etwaigen Wahlsieg noch lange im Amt bleiben würde, wage ich zu bezweifeln. Es wird zwar nicht eingestanden, aber der Auftritt vergangene Woche war wohl ein geradezu lehrbuchmäßiges Beispiel, wie ein fortgeschritten an Parkinson Erkrankter sich verhält, wenn er vor einer Stresssituation nicht ganz punktgenau medikamentös "eingestellt" wurde. Und er wird wohl hoffentlich abtreten, bevor ihn Jemand für medizinisch amtsunfähig erklären muss, was in dem Stadium eher früher als später unvermeidlich wird.

      • @Normalo:

        Kann sein. Aber leider gibt es da noch den Altersstarrsinn...

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Auch der Starrsinn kann auf Parkinson zurückgeführt werden, würde also als Symptom der Amtsunfähigkeit gewertet werden. Die US-Verfassung überlässt diese Frage nicht dem Präsidenten. Wenn ein Arzt ihn für zu krank erklärt, sein Amt weiter zu führen, bedarf es meines Wissens nur eines Kabinettsbeschlusses, um den Vize ins Amt zu hieven.

  • Der Wähler geht. Biden ist nicht mehr fit genug.

  • Diejenigen die einen Kandidaten aufstellen und nominieren tragen ebenso soviel Verantwortung wie der Kanditat selbst.

  • Irgendwo habe ich gelesen, die Gouverneure stehen hinter Biden. Eine gute Position, um den Dolch einzusetzen 😁

  • Weg müsste doch erst mal Trump - was der sich kognitiv und auch charakterdefizitär schon leistete.



    Man muss nicht über jedes Debattenstöckchen springen.

    Lisa Simpson wäre ansonsten dran. Regierungs-, wenigstens Politikerfahrung wäre gut. Siehe Merz' und Lindners Problem in Deutschland gerade.

  • Entweder Biden macht Platz für eine(n) beliebte(n), jüngere(n) Kandidat*in, oder Trump gewinnt die Wahl. Die Vergleiche zu Reden von Biden heute und vor zehn Jahren sind ein beeindruckender Beweis wie sehr Menschen im Alter abbauen können, und das nicht nur körperlich.

  • "Das ist der Stand des demokratischen Wahlkampfs..."



    Eigentlich sollte das doch kein Problem sein, oder? Demokratische Präsidentschaftskandidaten werden gewählt oder eben nicht. Oder etwa nicht?



    Manchmal hat man den Eindruck, das Stimmvolk der Parteien ist tatsächlich nur das. Und das auch noch willentlich.

    • @Encantado:

      Natürlich werden die gewählt.

      Einfach schauen wer im im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten die Kandidaten finanziert, DAS sind die Wähler. Aber diese Gruppe ist halt nicht die Mehrheit (eher eine sehr kleine Minderheit) der Bewohner der Gegend dort.

  • Wenn Biden bleibt, kommt Trump ganz sicher. Das wissen die Demokraten, aber warum handeln sie nicht?

    • @Rudi Hamm:

      Wahrschenlich weil sie Angst haben, mit einem "Königssturz" einen gefährlichen Präzedenzfall zu schaffen, der ihnen bei der Wahl auch nicht hilft. Will sagen: Tritt Biden NICHT an, gewinnt Trump sehr wahrscheinlich erst recht.

      Aber schon der Versuch birgt das Risiko, als Vorlage dafür zu dienen, zukünftige demokratische Amtsinhaber aus den eigenen Reihen zu demontieren. Politiker sind nunmal Politiker, und jemand Anderen als den gerade Amtierenden (gerne sich selbst, is klar) für noch besser geeignet zu halten, den jeweiligen Gegenkandidaten zu schlagen, liegt ihnen im Blut. Diese Aussicht ist den demokratischen Schwergewichten die geringe Chance möglicherweise nicht wert, jetzt noch Jemanden aus dem Hut zu zaubern, der das Blatt tatsächlich wendet.

      Zweiter Grund: Die Parteispitze der Demokraten ist Joe Biden. Man darf sich da nicht von den hiesigen Verhältnissen täuschen lassen: In den USA hat der Parteiapparat wegen des Mehrheitswahlrechts WEIT weniger Macht. Mandat zählt, nicht Parteiamt. Die übrigen Mandatsträger können ihren Präsidenten zwar stürzen, indem sie ihm die Nominierung streitig machen, aber das ist im Zweifel auch ihr eigenes Ende - WENN es denn klappt.

      • @Normalo:

        Danke für deine ausführliche Erklärung. Du hast vermutlich recht, aber mit Biden als Kandidat wird Trump der Sieger sein.

  • Die Schnappatmung der Printmedien in den USA in Bezug auf Biden irritert. Denn die Umfragen beruhen auf 1000 Wählern, sind also nicht statistisch relevant. Anonyme Quellen, ist das der Standard auf den sich eine Qualitätszeitung wie die New York Times setzen sollte? Natürlich nicht, ist aber gut fürs Geschäft.



    Warum sollte dem alten Haudegen Biden nicht ein come back gelingen? Biden kennt sich damit aus und vor allem: er macht gute Politik.

    • @Lindenberg:

      Falsch, wenn die 1000 wirklich zufallsgezogen wären, wäre das aussagekräftig innerhalb gewisser Schwankungsbreite, Sie erinnern sich der Wurzel-aus-n-Formel?

      Die Frage ist eher, ob es zufällig ist und ob so lange gefragt wurde, bis XYZ mal herauskam.

      Biden hat dabei wohl tatsächlich eine solide Amtszeit gegen einen malignen Kongress hingelegt. Erfahrung und gute Kontakte halfen ihm wie vielleicht nur noch LB Johnson.

  • Es ist schon befremdlich genug wenn TV Duelle irgendetwas darüber aussagen sollen wer ein guter Präsident ist. Niemanden scheint mehr das Programm zu interessieren, stattdessen wird auf Oberflächlichkeiten herumgeritten als wäre es das Eigentliche.

    • @Klobrille:

      TV Duelle sagen in der Tat nicht aus, wer ein guter Präsident ist oder sein könnte. Sie lassen aber ein Gespür dafür entwickeln, wer dem Amt gewachsen ist. Biden ist dem Amt ganz offensichtlich schon jetzt nicht mehr gewachsen - seine 2. Amtszeit würde aber erst in viereinhalb enden. Überdies hat seine jetzige und designierte künftige Vizepräsidentin innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre nicht den Eindruck erweckt, im Fall der Fälle das Amt ausfüllen zu können. Und, nein, Trump ist aus anderen Gründen ungeeignet, aber das ist hier nicht das Thema. Objektiv hat er aber im Duell 20 Jahre jünger gewirkt als Biden.

  • Wenn die Demokraten jetzt noch umschwenken wollten, würde das ja das ganze bisherige Vorwahlsystem in Frage stellen. Denn wenn es jetzt so knapp gelingen würde, sich auf eine(n) aussichtsreiche(n) bisher unbekannte(n) Kandidatin/ Kandidaten zu einigen, könnte man sich ja auch in Zukunft den ganzen absurden Aufwand sparen.

    • @vieldenker:

      Das wäre doch ein guter Nebeneffekt. Die Vorwahlen sind ja kein Auswahlverfahren des geeigneten Kandidaten. Sie sind der Geldfilter, der den amerikanischen Traum ab absurdum führt. Klar, vom Tellerwäscher zum Millionär, das geht. Aber vom Tellerwäscher zum Präsidenten? No way! Erst mal Millionär werden.

  • Wenn ein Präsident duch zwei Interkontinentalreisen, im eigenen Flugzeug ausgestattet mit allen Annehmlichkeiten, wie Schlafzimmer, nach 12 Tagen noch zu erschöpft ist, um die Diskussion mit einem intellektuell nicht als Überflieger bekannten Gegner durchzustehen, ist er als Präsident schlicht nicht mehr tragbar.