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Debatte Zukunft des IranKleiner großer Satan

Kommentar von Charlotte Wiedemann

Iran hat zum Ende des amerikanischen Zeitalters beigetragen. Durch die Fehler der US-Politik ist das Land zur Regionalmacht gewachsen.

Die Skyline von Teheran – aus Sicht des iranischen Energieministeriums Foto: ap

H ilflos zappeln ganze Völker an den Fäden eines Marionettenspielers. So sah die US-Politik auf iranischen Propagandabildern immer schon aus. Allerdings wirkte der „große Satan“ grimmiger als der senfblonde Tunichtgut dieser Tage. Auch scheint sich die iranische Parole Marg bar Amrika!, Nieder mit Amerika!, nun im Selbstlauf zu erfüllen.

Politikwissenschaftler konstatieren das Ende des amerikanischen Zeitalters, mit dessen Niedergang Iran seit fast vier Jahrzehnten auf Engste verkettet ist. Mehr noch, Iran hat durchaus zum Niedergang beitragen. Zunächst symbolisch: Die spektakuläre Geiselnahme der US-Diplomaten im November 1979 demütigte 444 Tage lang eine bis dato allmächtig wirkende Großmacht. Die Überreste eines dilettantischen Befreiungsversuchs (mit Irrflug und Hubschrauber-Crash) können Iran-Touristen heute in der Wüste besichtigen; Trümmer einer verfallenen Zeitgeschichte.

Die USA haben diese Niederlage nie verwunden, anders jene in Vietnam, mit so vielen Gefallenen. Mit Kriegsrhetorik gegen Iran ließen sich ­immer Wählerstimmen gewinnen. Die emotio­nale Fixierung auf den politischen Lieblingsfeind wird in der iranischen Bevölkerung weitaus ­weniger geteilt; viele Iraner lieben Amrika heimlich.

In den vergangenen anderthalb Jahrzehnten konnte Iran seinen Einfluss im Nahen Osten in jenem Maße ausweiten, wie die US-Politik dort Katastrophen anrichtete, vor allem durch die Invasion des Irak. Die Nostalgie, mit der hiesige Kommentatoren nun das einstige „Ordnungssystem“ des amerikanischen Zeitalters und seine „Politik der Verlässlichkeit“ zu Grabe tragen, wirkt seltsam eurozentrisch.

Lehren aus Nordkorea

Die apostrophierte Ordnung hat im Nahen Osten mit Millionen Toten die große Unordnung bewirkt, der „War on Terror“ die Welt in Brand gesetzt. Für Iran waren das Bausteine für die Stufen seines Aufstiegs zur Mittelmacht, bis zum Verhandlungstisch in Wien.

Die Islamische Republik hat lange Phasen der Isolation relativ gut überstanden, bei allem Leid der Bevölkerung. Wenn Iran seinen regionalen Kontrahenten heute als gefährlich stark erscheint, spiegelt sich darin der Niedergang der USA ebenso wie die iranische Fähigkeit, sich westlicher Einflussnahme seit 1979 entzogen zu haben.Das kann, fern von religiösen Attributen, für andere Schwellenländer ein Modell sein.

Iran hat bereits einen regime change erlebt, den Sturz des Premiers Mossadegh 1953

Die Parallelität von Trumps Gipfeltreffen mit Kim einerseits und dem Bruch des Nuklear­abkommens mit Iran andererseits hält Lehren bereit, die nicht nur in Teheran gezogen werden, sondern auch von aufmerksamen Beobachtern im globalen Süden.

Erstens: Iran wird dafür bestraft, sein Nuklearprogramm nicht so weit getrieben zu haben wie Nordkorea. Das Organ der Revolutionsgarden formulierte es so: Gaddafi wurde gestürzt, nachdem er sein Atomprogramm aufgab; Nordkorea habe daraus gelernt, seine Bomben gebaut und erst dann Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Wirtschaftliche Turbulenzen

Zweitens: Die Doppelzüngigkeit des Westens beim Thema Menschenrechte ist so offensichtlich, dass sie gar nicht mehr erwähnt wird.

Drittens: Westliche Unternehmen führen die Politik am Nasenring. Erst ließen sie sich von Europas Politikern den roten Teppich nach Iran ausrollen, nun stimmen sie mit den Füßen ab, während Europas Diplomatie noch die Hände ringt. In den USA wird einfach mehr verdient. Wandel durch Handel? Eine Idee von vorgestern.

Der Westen ist nackt, er hat die Softpower verloren, deren unterwandernden Einfluss Teheran stets am meisten fürchtete. In die Sparte des ideellen Niedergangs gehört auch, wie die Interna­tio­nale Atomenergiebehörde abgewertet wurde. Sie hatte in zehn Berichten bestätigt, dass Iran seine Verpflichtungen aus dem Nuklearabkommen erfüllt – nichts nebensächlicher als das. Irans Rat an Nordkorea, Verträgen nicht zu trauen, ist nur folgerichtig.

Bisher hat die Islamische Republik besonnen auf die neue Lage reagiert, jedenfalls nach außen. Im Inneren löste die Furcht vor Sanktionen wirtschaftliche Turbulenzen aus; der Rial verfällt. Und so gibt es neben dem Bild vom außenpolitisch starken Iran auch ein anderes: ein wirtschaftlich und politisch zerrüttetes Land, dessen Sandstürme ökologische wie metaphorische Bedeutung haben.

Die US-Politik bedient sich beider Bilder gleichermaßen. Sie setzt auf die Dämonisierung, für die Israels Netanjahu mit Hitler-Vergleichen den Ton angibt: Iran bedrohe die ganze Welt. Zugleich erweckt Außenminister Mike Pompeo den Eindruck, Iran ließe sich wirtschaftlich in die Knie zwingen, strangulieren bis zum Systemwechsel.

Wer von Systemwechsel spricht, will Krieg

Jeder, der ein wenig vom Nationalbewusstsein der Iraner weiß, mag erahnen, wie realitätsfern diese Vorstellung ist – und zwar ungeachtet aller Sozialproteste, die mittlerweile zum iranischen Alltag gehören. Iran hat bereits einen regime change erlebt, den angloamerikanisch inszenierten Sturz des Premierministers Mossadegh 1953; ein Ereignis, das allen politischen Lagern und Generationen Irans so präsent ist, als sei es gestern passiert.

Wer von Systemwechsel spricht, will Krieg. Und hofft, Teheran werde, in die Enge getrieben, durch einen falschen Zug dafür selbst den Anlass liefern. Wozu aber Krieg? Ihn nur fürs Geschäft voranzutreiben würde zum profanen Ende des amerikanischen Zeitalters passen. Trump will Saudi-Arabien Waffen für über 700 Milliarden Dollar verkaufen; dafür muss die Iran-Hysterie geschürt und jegliche Geste der Entspannung vermieden werden.

Ist es so banal? Jedenfalls nützt Druck von außen eher dem iranischen System. Dafür kam dieser Tage eine Bestätigung von überraschender Seite. Ardeschir Sahedi, betagter Außenminister der Schah-Zeit, hielt Mike Pompeo in der New York Times entgegen: Was immer die Iraner über ihre gegenwärtige Regierung denken würden – „unter einer Bedrohung von außen steht Irans edles Volk zusammen und verteidigt seine Heimat“.

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9 Kommentare

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  • Vor 3 Monaten konnte ich zum Glück meinen Bruder davon überzeugen, eine geschäftliche Aktivität im Iran nicht zu beginnen.

  • Was für eine Titelwahl. Hätte in der Compact einen besseren Platz gehabt.

    • @Hampelstielz:

      Großer Satan ist die Bezeichnung, die Chomeini den USA 1979 gab und immer noch im Iran genutzt wird.

       

      //http://www.eslam.de/begriffe/g/grosser_satan.htm

  • Sehr schöner und gut informierter Artikel!

    Die politische Weltbummlerin Charlotte Wiedemann ist immer wieder mit Gewinn zu lesen: mehr davon!

     

    Wie sie es auf den Punkt bringt:

    "Der Westen ist nackt, er hat die Softpower verloren".

     

    Nur ein Bild ist schief (die Überschriften stammen vmtl. nicht von der Autorin): Der Iran ist NICHT erst zur "Regionalmacht" geworden, seitdem sich das religiöse Regime der Ayatollahs (1979) in Opposition gegen die USA begab.

     

    - Der Iran war schon immer eine regional bedeutsame Macht: Zusammen mit China ist er der wahrscheinlich älteste Staat der Welt.

     

    - Durch einen CIA-Putsch "Ajax" 1953 wurde der bürgerliche, demokratisch gewählte Präsident Mohammad Mossadegh von den USA gestürzt (und durch den willfährigen Schah ersetzt). Mossadegh hatte es gewagt, Irans Ölindustrie aus dem Besitz der britischen Kolonialmacht zu übernehmen und zu verstaatlichen. "Etwa 90 Prozent des damals in Europa genutzten Öls stammten aus der am Persischen Golf gelegenen Mammutraffinerie von Abadan."

    • @Rosmarin:

      Das Bild das Sie hier von Mossadegh zeichnen, ist schon ziemlich schräg.

       

      Mossadegh ist nicht bürgerlich, er gehörte den Quajar an, der turkmenischstämmigen Dynastie die vor den Pahlavi den Pfauenthron innehatte. Seine Mutter war Schahzadeh Nadschmeh-al-Saltaneh einer Prinzessin, auch seiner FrauenSchams-al-Saltaneh ist eine Tochter von Naser al-Din Schah, des Schahs von Persien von 1848 bis 1896.

       

      Mossadegh gehörte der absoluten Oberschicht an.

       

      In den zu Beginn der Konstitutionellen Revolution Irans veröffentlichten Notizen von Saif-Allah Vahidniya wird eine Liste von 93 Großgrundbesitzern des Iran aufgeführt, auf der neben Mohammad Mossadegh-al-Salteneh auch seine Mutter, sein Stiefvater, sein Bruder, seine zwei Schwager, seine Tante und sein Onkel Abdol Hossein Mirza Farmanfarma aufgeführt sind.

       

      Die Verstaatlichung des Erdöls war bereits lange vorher geplant, nämlich unter Premierminister Abdolhossein Hazhir 1948.

       

      Sein öffentlicher Mordaufruf im Parlament am Ministerpräsidenten Haj Ali Razmara, der Begnadigung des Attentäters Khalil Tahmassebi durch Mossadegh, alles wird hier unter den Tisch fallen gelassen.

       

      Das rechtfertigt weder die Operation Ajax noch die Seeblockade. Aber dieses Bild von Mossadegh was Sie zeichnen, stimmt eben so nicht.

       

      Kann man übrigens hier nachlesen, Mehdi Shamshiri: Zendeghi Nameh Mohammad Mossadegh.

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Schön, dass die Tatsache, dass Mossadegh Angehöriger der Oberschicht war, seinen gewaltsamen Sturz durch eine verbrecherische CIA-Operation auf Veranlassung der kolonialistisch- ausbeuterischen Briten nicht rechtfertigte. Da bin ich ja mal beruhigt ...

  • Zitat: "Die Islamische Republik hat lange Phasen der Isolation relativ gut überstanden, bei allem Leid der Bevölkerung."

     

    Grob falsch. Der Iran ist wie DDR 1989. Ein militarisierter Scheinriese. Die Mullahs haben ganz sicher 500-600 Staudämme gebaut, die Landschaft wurde definitiv zerstört. Zahlen zur Wasserversorgung existieren nicht mehr. Vielleicht wie Jemen? Keiner weiss es. In den 90ern habe ich Nebenf. Agrarwiss, studiert und da war schon alles mau im Iran.

     

    Dann die Drogen aus AFG. Die komplette iran. Bevölkerung ist sediert mit Opium das nur ein paar Cent kostet. Sowas kann doch nicht ohne Einfluss bleiben auf die gesellschaftl. Produktivität bzw Industrie, die eh schon immer schlecht war.

     

    Ich erinnere noch wie die Leute gelacht haben über Reagan und seinen Plan die UdSSR zu Tode zu rüsten. Aber es hat geklappt. Trump wird das mit Iran-Sanktionen auch schaffen. Zum Bruchteil der Kosten. Sooo blöd wie die Autorin es gerne hätte, sind die Yankees nicht. Dass die Welt dadurch nicht schöner wird, ist ja ein anderes Thema.

    • @el presidente:

      „Die komplette iran. Bevölkerung ist sediert mit Opium das nur ein paar Cent kostet.“

      Bruder Grimm?

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @el presidente:

      Die Bevölkerung Irans hat sich seit dem Sturz des Schah verdoppelt und beträgt nun mehr als 80 Millionen Menschen. Und diese sehr junge und durchaus umtriebige und rege Bevölkerung wird ausreichend ernährt - ohne dass es Slums gibt (wie zB. in Ägypten).

      Im Gegensatz zur DDR verfügt Iran über strategische Ressourcen (neben Öl vor allem Gas: zusammen mit Katar beutet der Iran das größte bekannte Erdgasfeld der Welt aus), es herrscht Reisefreiheit, man kann Valuta tauschen (wenn auch dank Trump momentan begrenzt).

      Iran ist berühmt für seinen Handel und seinen wirtschaftlichen Austausch. Die Läden und Basare sind voll mit Waren aus aller Welt, es gibt im Iran praktisch alles zu kaufen (wobei westliche Waren zT. deutlich teurer sind als in Deutschland).

      Also mit den Verhältnissen in der DDR 1989 hat die Situation im Iran genau gar nichts zu tun.

      Dass weite Teile der Bevölkerung "sediert" seien, habe ich nicht beobachtet.

       

      (Das dürfte eher bei der weissen Mittelschicht in den USA der Fall sein: https://www.welt.de/gesundheit/article149304726/Warum-die-Mittelschicht-der-USA-ein-Heroin-Problem-hat.html).

       

      Wohl gibt es Probleme mit Drogen und die iranische Regierung hat mittlerweile eingesehen, dass Drogenabhängige nicht bestraft sondern medizinisch betreut gehören.

      Was auch passiert.

       

      Iran hat jahrzehntelang der aggressiven und unterdrückenden Politik seitens USA (und Israels) widerstanden, ähnlich Kuba. Dabei sind die Iraner allerdings sehr freundliche, neugierige und aufgeschlossene Menschen, sehr viele haben familiäre KJontake vor allem nnach Kanada, USA, Deutschland, viele haben im Westen studiert; dümmlicher Antiamerikanismus oder Antisemitismus (außerhalb staatlich verordneter Demos) sind eher selten (zB. vereinzeltes "Hitlär guut").

      In der Bevölkerung wird allerdingfs registriert, dass die Sanktionen gegen ihr Land eigentlich NIE aufgehoben wurden und dass das Abkommen nun aufgekündigt wurde, obwohl Iran absolut vertreagstreu war.