Debatte Konflikt mit Russland: Der Krieg in unseren Köpfen
Der Konflikt in der Ukraine löst emotionale Diskussionen aus. Wir führen diese Debatte in der taz – mit unseren AutorInnen und den LeserInnen.
J ournalisten sind keine Politikberater, auch wenn es mithin so scheinen mag. Zeitungen und ihre digitalen Schwestern sind Plattformen, die Argumente in die Öffentlichkeit bringen. Allemal die taz will in diesem Sinne politisch aktiv sein, also die politischen Diskurse prägen.
Nun gibt es verschiedene journalistische Formate, die mehr oder weniger entschieden meinungsbildend sind. Von der sachlichen Nachricht bis zum namentlich gekennzeichneten Kommentar reicht das Spektrum, in dem JournalistInnen sich äußern.
Die taz hat sich per Statut eine innere Meinungsfreiheit verordnet. Es gibt keine von Verlegern ausgegebenen Richtlinien, sondern eine ausgeprägte interne Diskussionskultur. Diese Kontroversen bilden wir oft über Debattenserien ab. Oder wir veröffentlichen am selben Tag zwei konträre Meinungen in Form eines Pro und Contras. Es bleibt den LeserInnen überlassen, die vorgestellten Argumente gegeneinander abzuwägen.
Zur Frage, ob Europa und die USA jetzt im Konflikt um die Ukraine militärische Stärke zeigen müssen, um Putin in seine völkerrechtlichen Schranken zu weisen, hatten wir uns in der Ausgabe vom Dienstag für diese Form entschieden. Und damit nicht nur bei unseren LeserInnen heftige Diskussionen ausgelöst, sondern auch innerhalb der Redaktion. Darf in der taz gefordert werden, die „Verteidigungshaushalte der EU-Staaten um mindestens ein Drittel anzuheben“ und ganz grundsätzlich die Streitkräfte massiv aufzurüsten?
Ist es angemessen, ausgerechnet auf der Seite 1 der linken taz die Abschreckungspolitik eines Ronald Reagan zu preisen und zu konstatieren, dass allein „Totrüsten“ der richtige Weg ist, um Tote zu vermeiden?
Die Frage ist ja, ob wir damit nicht unsere kriegs- und rüstungskritische Tradition verraten, auf unzulässige Weise vereinfachen und unsere Leserschaft für dumm verkaufen. Die Redaktion blieb darüber uneins.
Ein Pro und Contra muss zuspitzen, damit es funktioniert. Wer zu viel abwägt, schwächt seine Überzeugungskraft, denn in diesem Format ist das Gegenargument ja explizit ausgelagert. Bleibt die Frage, ob die Form bei sehr komplexen Problemen nicht an ihre Grenzen stößt. Auch darüber streiten wir.
Worüber sich nicht streiten lässt, ist, dass die taz streitbar sein muss. Die taz verbietet keine Positionen, weil sie eine Kontroverse in unserer Leserschaft auslösen könnten. Wir fühlen uns verpflichtet, auch dort hinzusehen, wo es wehtut. Das kann bedeuten, Gewissheiten in Frage zu stellen und Selbstverständlichkeiten anzugreifen.
Wir führen die Diskussion in der taz und auf taz.de mit verschiedenen Beiträgen fort. Sie sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen. Wir freuen uns über Ihre Leserbriefe oder Kommentare auf taz.de. Ines Pohl
Waffen für den Weltfrieden? Vier Debattenbeiträge:
Bernd Pickert fordert uns auf, Russland zu verstehen, schließlich könne einen Krieg, aber auch den Frieden nur gewinnen, wer seinen Feind versteht. Russland verstehen!
Daniel Bax zeigt auf, dass nicht Kriegslogik sondern Entspannungspolitik Frieden schafft, die Ablehnung militärischer Muskelspiele mithin keine Naivität, sondern Vernunft ist. Der Kriegslogik entgehen!
Dem hält Dominic Johnson entgegen, dass nur wer Stärke zeige, eine gewaltbereiten Aggressor in die Schranken weisen kann. Stärke zeigen!
Klaus Hillenbrand schließlich mahnt ein Ende der rhetorischen Gewaltspirale an, da, wer den Gegener dämonisiere, dabei das rationale Denken ausschalte und den Krieg herbeirede. Keine Dämonisierung!
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