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Russland-Forscher über die Ukrainekrise„Wir schlittern in einen Krieg“

Nicht Putin habe die Ukrainekrise ausgelöst, sondern der Wunsch der USA, die Ukraine in die Nato zu holen, meint der Russlandforscher Stephen Cohen.

Ukrainischer Soldat in der Nähe von Slawjansk. Cohen sieht in der Ukrainekrise „ein kolossales Scheitern der US-Außenpolitik“. Bild: ap
Dorothea Hahn
Interview von Dorothea Hahn

taz: Herr Cohen, US-Präsident Barack Obama spricht jeden Tag über die Ukraine und Russland. Und in Kiew geben sich CIA-Chef John Brennan, US-Außenminister John Kerry und Vizepräsident Joe Biden die Klinke in die Hand. Wie wichtig ist die Ukraine für die USA?

Stephen Cohen: Die Ukraine ist so wichtig für die politische Führung der USA, dass sie einen Krieg mit Russland riskiert. Warum das so ist, lässt sich nur sehr schwer erkennen. Denn hier findet keine öffentliche Debatte über diese Krise statt. Dabei befinden wir uns an einem historischen Wendepunkt. Letzten Sonntag hat die New York Times berichtet, dass Obama im Wesentlichen einen neuen Kalten Krieg gegen Russland deklariert und sich die alte Politik der Eindämmung zu eigen gemacht hat.

Was ist die offizielle Erklärung?

Sie lautet, dass die arme Ukraine nur Demokratie und ökonomischen Wohlstand wollte – durch das europäische Partnerschaftsangebot an den damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch vom November. Und dass Russland das verhindert habe. Manche meinen, dahinter stecke, dass Wladimir Putin die alte Sowjetunion zurückhaben will. Andere, dass er zu Hause Macht verliere und einen Krieg und Nationalismus brauche, um sich ein Schicksal wie Ägpytens Präsident Husni Mubarak oder Janukowitsch zu ersparen. Aber alle meinen, dass Amerika Putin stoppen muss. Weil er anderenfalls auch in die baltischen Staaten und nach Polen gehen würde.

Was ist daran so anders als in Deutschland?

In Deutschland gibt es eine Debatte und zumindest drei ehemalige Bundeskanzler, die die EU-Politik gegenüber Russland und der Ukraine kritisieren. Da sind Schröder und Schmidt. Und der Interessanteste ist Kohl. Er kennt die Geschichte der deutschen Vereinigung. Er weiß, welche Zusagen es damals an Russland gab. Unter anderem, dass die Nato nicht expandiert. Auch er hat die EU kritisiert. Und damit Merkel. In Amerika äußert kein Expräsident Kritik. Wo ist Bill Clinton? Er hat in den 90er Jahren die Freundschaft mit Russland versprochen. Er schweigt. Wo ist Jimmy Carter?

Wie erklären Sie das Schweigen der US-amerikanischen Elite?

Beide Parteien – Demokraten und Republikaner – sind tief verwickelt. Seit den 90er Jahren haben Clinton, Bush und Obama eine Politik gemacht, die Russland umzingelt.

Nicola Cohen
Im Interview: Stephen F. Cohen

Der 76-Jährige ist einer der bekanntesten Russlandforscher der USA. Er hat sich auf Russland seit der Oktoberrevolution und auf die russisch-US-amerikanischen Beziehungen spezialisiert. Zahlreiche Bücher über den Stalinismus und Russland nach dem Ende der Sowjetunion hat er veröffentlicht und ist Kommentator in linken US-Medien. Er ist Professor emeritus der Unis New York und Princeton. Kürzlich beklagte er in der Wochenzeitung The Nation die „Dämonisierung von Putin“ in den US-Medien. Cohen lebt in New York.

Sie betrachten die Russlandpolitik der USA der letzten 20 Jahre als gescheitert?

Die Ukrainekrise ist ein kolossales Scheitern der US-Außenpolitik. Sie hat uns an den Rand eines Krieges gebracht. Und alle US-Präsidenten seit Clinton sind Komplizen.

Sehen Sie einen Zusammenhang mit der US-amerikanischen Umorientierung nach Asien?

Obamas Japan-Politik scheint gescheitert. Die westlichen Reaktionen auf die Krim und die Ukraine haben China näher an Russland gebracht. Ich würde sagen, wenn sich irgendwer zu Asien hinwendet, dann ist es Putin, nicht Obama.

Spielt Edward Snowden eine Rolle?

Wenn eines Tages die Geschichte geschrieben wird, wie wir ganz nah an einen Krieg mit Russland gekommen sind, müssen wir viel weiter zurückgehen.

Wie weit?

Es beginnt in den 90er Jahren, mit der Entscheidung, die Nato von Deutschland aus bis an die russische Grenze zu bewegen. Die Nato ist jetzt im Baltikum. Im November 2013, als das Angebot der EU an die Ukraine abgelehnt wurde, sehen wir zwei Dinge: die Edward-Snowden-Affäre und die Olympischen Spiele von Sotschi. Beide waren zentrale Teile der amerikanischen Berichterstattung über die Ukrainekrise. Aber die Spiele sind vorbei. Und Snowden ist nur eine Fußnote. Er wäre nicht in Russland, wenn wir ihm nicht den Pass abgenommen und lateinamerikanische Länder unter Druck gesetzt hätten. Und ohne die Ukrainekrise wäre Snowden heute vermutlich in Deutschland.

Was also ist der Plan hinter Obamas Russlandpolitik?

Die Ukraine in die Nato bringen. Darum geht es die ganze Zeit. Und Merkel, die 2008 gegen einen Nato-Beitritt der Ukraine war und die Russland versteht und die zumindest mit Putin reden kann – die arme Merkel ist in eine unmögliche Lage geraten. Wir hätten die ukrainische Situation im November an Merkel übergeben sollen. Sie hätte eine Lösung gefunden. Die Amerikaner sind viel zu ideologisch. Und Obama ist eindeutig nicht gut in Außenpolitik.

Wenige Stunden vor der Flucht von Janukowitsch aus Kiew waren drei europäische Außenminister in Kiew und haben mit ihm gesprochen. Einer davon war der deutsche. Sind nicht auch die drei – Steinmeier inklusive – mit gescheitert?

Die drei hatten ein Abkommen ausgehandelt, das Janukowitsch bis Dezember als Präsident im Amt gelassen hätte und eine Regierung der Aussöhnung beinhaltete. Russland hatte nichtöffentlich zugestimmt, Geld zu geben. Es sah wie der beste Weg aus. Ohne Gewalt. Das Abkommen wurde von den Radikalen auf der Straße zerstört.

Was hätten die drei europäischen Minister tun sollen?

Sie hätten den drei Typen, den ukrainischen Führern Tjagnybok, Klitschko und dem komissarischen Prermierminister Jazenjuk sagen können: Wenn ihr unsere Unterstützung wollt, müsst ihr Janukowitsch schützen und die Straße stoppen. Stattdessen sind sie abgehauen. Nachdem sie gescheitert waren, haben sie eine neue, nicht gewählte, illegitime Regierung umhegt, die nicht auf der Grundlage ihres Abkommens an die Macht gekommen ist. Das ist ein Skandal. Und sie haben die ganze Sache an den polnischen Außenminister übergeben. Das Mindeste, was man über den sagen kann, ist, dass er, in Sachen Russland ein Radikaler ist. Jetzt haben die Polen und die Radikalen auf den Straßen, unter denen auch Neofaschisten sind, das Sagen. Und die Geschichte entwickelt sich auf einen Krieg hin. Ich weiß nicht, warum Merkel nicht interveniert hat. Sie steht unter enormem Druck. Ich vermute, sie hat kapituliert.

Die Bundeskanzlerin trifft am Freitag den US-Präsidenten in Washington. Es wird auch um die Ukraine gehen. Welchen Rat geben Sie ihr?

Ich hoffe, dass Merkel unverblümt zu Obama sagt, wie gefährlich die Situation ist. Und dass die USA und die EU genauso dafür verantwortlich sind wie Russland. Ich habe keinen Zweifel, dass sie es weiß. Sie sollte Obama beruhigen. Und ihm erklären, dass die Dinge, die er und Kerry sagen, nicht stimmen.

Was stimmt nicht?

Erstens hat nicht Putin diese Krise begonnen. Es gab keine russische Aggression. Diese Krise begann, als die Europäische Union Janukowitsch im November ein Entweder-oder-Ultimatum gestellt hat. In den Protokollen des Abkommens ist die Nato zwar nicht explizit erwähnt, aber die Sicherheitsbedingungen hätten die Ukraine zu einer Art Ehrenmitglied der Nato gemacht. Zweitens ist falsch, dass Putin hinter allem steckt, was in der Ostukraine passiert. Die USA haben mehr Kontrolle über die Regierung in Kiew als Putin über die Aufständischen im Osten.

Aber auch Putin hat die Ukraine im vergangenen Herbst unter Druck gesetzt, sich zu entscheiden.

Das stimmt nicht. Im Vorfeld des November haben sowohl Putin als auch Russlands Außenminister Sergei Lawrow Brüssel verschiedentlich gefragt: Warum stellt ihr die Ukraine vor eine Entweder-oder-Wahl? Und angeboten, mit der EU und der Ukraine einen Drei-Parteien-Mini-Marshallplan auszuhandeln. Putin wusste, dass eine gleichzeitige Zugehörigkeit der Ukraine zu einer EU-Wirtschaftsgemeinschaft und zu seiner eurasischen Gemeinschaft problematisch sein könnte. Aber er schlug vor, die Entscheidung für ein oder zwei Jahre zu verschieben. In der Zwischenzeit sollten EU-Wirtschaft und russische Wirtschaft in der Ukraine kooperieren.

Vielen erschien das unrealistisch.

Sie können sagen, das war ein unmöglicher Weg. Oder es war ein Trick. Aber die Ablehnung durch Brüssel und Washington hat die Krise beschleunigt. Die Ukraine ist ein tief gespaltenes Land. Es mag einen ukrainischen Staat gegeben haben, als die Krise begann. Aber es gab immer – Geschichte, Gott oder Schicksal – zwei oder sogar drei ukrainische Länder: der Westen, der Osten und die Zentralukraine. Die Westukraine hatte immer eine Affinität zu Europa, die Ostukraine zu Russland. Es war ein schwerer Fehler, dieses tief gespaltene Land zu einer schicksalhaften Entscheidung zwischen Westen und Osten zu drängen. Was wir jetzt erleben, ist der Niederschlag dieses Fehlers.

Präsident Obama ist gegen Militärinterventionen – sowohl in der Ukraine als auch anderswo.

Er will der Präsident sein, der die amerikanischen Kriege beendet und die Amerikaner nach Hause bringt. Er will nur mit Drohnen kämpfen. Er will keinen Krieg. Aber er verfolgt eine Politik, die dazu führt, dass ein Krieg möglich wird. Ein Leader, der eine Politik macht, die gegen seine eigenen Ziele verstößt, ist ein schlechter Leader. Dabei hatte Obama einen Partner in Putin, zumindest einen potenziellen Partner. Putin hat Obama in Syrien vor einem Krieg bewahrt, indem er Assad dazu gebracht hat, die Chemiewaffen zu zerstören.

Sie nennen den neuen Kalten Krieg gefährlicher als den alten. Warum?

Sein Zentrum liegt nicht in Deutschland – weit weg von Russland –, sondern weiter östlich, direkt an der russischen Grenze. Alles ist da möglich. Während des ersten Kalten Krieges gab es stabilisierende Verhaltensregeln. Manchmal wurde eine Regel gebrochen. Zum Beispiel, als Chruschtschow 1962 die Raketen nach Kuba gebracht hat. Aber im Allgemeinen wurden die Regeln beachtet. Im jetzigen Kalten Krieg gibt es keine Regeln. Es gibt lauter außer Kontrolle geratene Akteure.

Wen meinen Sie?

Typen mit Masken, die in der Westukraine herumlaufen, wo die Situation genauso brenzlig ist wie in der Ostukraine. Wir haben eine illegitime Regierung in Kiew. Wir haben Leute in Russland, die genervt und nicht unter Putins Kontrolle sind. Und wir haben die Abwesenheit einer Debatte in Washington. Die Situation ist außer Kontrolle. Deswegen nähern wir uns einem Krieg. Es könnte jederzeit passieren. Die Gefahr des Krieges ist nicht, dass jemand einen Krieg plant, sondern dass rücksichtslose politische Entscheidungsträger – vor allem im Westen – eine Situation geschaffen haben, in der ein Krieg möglich ist.

In den USA wissen die meisten Menschen nicht einmal, wo die Ukraine liegt. Wieso sollten sie bereit sein, wegen der Ukraine in einen Krieg zu ziehen?

Hier wusste auch niemand, wo Vietnam liegt. Oder der Irak oder Afghanistan. Kriege werden von Eliten gemacht, nicht vom Volk. Und die Eliten verfolgen oft eine Politik, die so unklug ist, dass sie in einen Krieg schlittern, den sie nicht antizipiert haben.

Werden die Sanktionen gegen Russland etwas bewirken?

Sie werden wehtun. Aber sie werden Putins Politik nicht ändern. Falls die wirtschaftliche Lage in Russland so schmerzhaft wird, dass es dort einen Maidan gibt, sollten Sie beten. Denn Russland ist das territorial größte Land der Welt und hat mehr Massenvernichtungswaffen als jedes andere Land. Wenn sich Russland auf die Art fragmentiert wie die Ukraine, ist niemand mehr sicher.

Traditionell bedeutet Kalter Krieg, dass sich zwei ideologisch konträre Mächte gegenüberstehen. Gegenwärtig haben wir das nicht.

Doch. Unsere Ideologie ist Freiheit, Demokratie, der Aufstieg des Individuums, ökonomischer Wohlstand, freie Märkte und ökonomische Integration. Russland lehnt diese Werte zwar nicht ab. Sagt aber, dass sie quer durch die Welt Unheil anrichten. Und dass die traditionellen Werte Europas nicht auf dem Individuum, sondern auf der Familie basieren und auf sozialen Wohlfahrtsstaaten statt auf Austerität sowie auf der Souveränität von Nationen. Russland sagt, dass es traditionelle Werte verteidigt und dem amerikanischen Regimewandel widerstehen will.

Kalter Krieg impliziert auch eine globale Konfrontation. Aber in den USA heißt es, dass die internationale Gemeinschaft einig gegen Putin sei.

Einige der meistbevölkerten Länder der Welt stehen im Wesentlichen hinter Russland: China, Iran, Lateinamerika, Indien. Wir können Russland nicht isolieren. Dieser Kalte Krieg wird immer internationaler. Und es ist ein weiteres Missverständnis, wenn gesagt wird, Russland sei schwächer als die Sowjetunion. Der Konflikt findet an Russlands Grenzen statt. Daher ist Russlands Entschlossenheit sehr viel größer als die des Westens. Und wir dürfen nicht vergessen, dass dieser Konflikt sehr schnell atomar werden könnte. Die russische Militärdoktrin beinhaltet den Einsatz taktischer Atomwaffen, wenn das Land von konventionellen Waffen aus dem Westen überwältigt wird. Das würde ich an der Stelle von Obama nicht testen wollen.

Betrachten Sie das Geschehen im Inneren der Ukraine als „Stellvertreterkrieg“? Wie früher in afrikanischen und asiatischen Ländern?

Die Regierung in Kiew kontrolliert nicht einmal den Westen. Auch wenn sie dort Unterstützung genießt. Im Osten des Landes hat sie keine Unterstützung. Sowohl im Osten als auch im Westen sind Kämpfer unterwegs. Das enthält die Gefahr von Bürgerkrieg. Wenn dieser Bürgerkrieg ausbricht, wird Russland wahrscheinlich im Osten eingreifen und die Nato im Westen. Damit kommen wir von einem Bürgerkrieg zu einem Ost-West-Krieg. Dies ist mehr als ein Stellvertreterkrieg.

Was wäre das beste – oder am wenigsten schlechte – Ergebnis dieser Krise ?

Ein diplomatischer Weg aus der Krise ist immer noch möglich. Es gibt immer noch die Möglichkeit, die russischen Vorschläge vom 17. März zu verhandeln. Sie beinhalten Neuwahlen: nicht nur des Präsidenten, sondern auch des Parlaments. Und eine neue Verfassung, die einen föderalen ukrainischen Staat schafft. Mit den Garantien, die Putin genannt hat, von Europa, von Russland und von der UN. Das wäre das beste Ergebnis.

Und wenn das unmöglich ist?

Dann müssen wir uns fragen, ob zwei Ukrainen besser wären als eine Ukraine im Bürgerkrieg. Eine Teilung der Ukraine, vergleichbar mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber vielleicht ist die Ukraine zu kompliziert dafür. Und es würde auf jeden Fall zu Bürgerkrieg führen. Der wahrscheinlich zu einem Krieg zwischen dem Westen und Russland führen würde.

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48 Kommentare

 / 
  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Wie naiv! Die Diktaturen Rußland und USA sind gleichermaßen Schuld. Beide kämpfen um Einfluss und Mach in Europa. Dabei wird Europa zwischen diesen Feinden von Demokratie und Freiheit aufgerieben, aktuelles Opfer ist die Ukraine. Das droht aber ganz Europa, wenn es sich nicht endlich in einer starken Föderation gegen die Feinde aus Moskau und Washington vereint.

  • In den Debatten um den Ukrainischen Bürgerkrieg wird immer von Machtinteressen, Kampf um Ressourcen und geostrategischen Plänen gesprochen. Das mag in einem gewissen Rahmen stimmen, erweckt aber den völlig falschen Eindruck, als seien NUR rationale Motive am Werk.

    In Wahrheit spielen aber Emotionen, Ressentiments und jahrhundertealter Groll eine sehr grosse Rolle.

     

    Das Interview macht klar:

    Das gegenseitige Misstrauen von westukrainischer Ethnie und ostukrainischer Ethnie währt nicht erst seit 1917/22 oder 1941/44, sondern seit Jahrhunderten.

    Die Westukraine fühlte sich kulturell immer zum Westen, zu Polen-Litauen, gehörig, der Osten zu Russland.

     

    Völlig unterschätzt werden imho jedoch - auch von Cohen - die Sentimentalitäten und Eitelkeiten der Akteure.

    Obama und McCain geht es nicht nur um blanke Profit-Interessen, da geht es auch um hypertrophierte, bigotte Visionen von den USA als "God's own nation" - im Kampf gegen die Reiche des Bösen.

     

    Merkel, Steinmeier, Barroso sind immer noch gerührt bis berauscht vom frühen Maidan und von Europas Mission für "Wohlstand, Freiheit, Demokratie". Vor den Kräften, die jetzt in Kiev das Sagen haben, verschliessen sie fest die Augen, um nicht aus dem schönen Traum zu erwachen.

     

    Schliesslich Putin. Er ist zwar äusserst berechnend, ABER er hat auch eine extrem sentimentale Ader. Wenn die durchkommt, zB wenn die Opfer in der Ostukraine zu hoch oder zu drastisch werden, dann ist er zu irrationalem Handeln fähig. Würde er stillschweigend zusehen, wie immer mehr Zivilisten im Osten der Ukraine gebombt werden, würde er innenpolitisch in Russland auf Dauer nicht überleben.

     

    Das alles macht diesen Konflikt so gefährlich.

  • Sie schreiben:

    "Und dann gibt es ja noch die brennenden russischen Gelüste nach Wiederherstellung der Sowjetunion. "

     

    Woraus leiten Sie das ab?

     

    Schwülstige Formulierungen sind mir immer suspekt.

     

    Cohen schildert die reale Gefahr eines Staatenkriegs, und Sie kontern das mit einer unbelegten Schmonzette.

  • Das Interview oder der Artikel oder die versuchte Analyse ist deshalb so gut oder interessant oder "das Beste" oder "danke an die taz", weil die taz-USA-Korrespondentin Dorothea Hahn so gute oder kluge oder sehr gut vorbereitete Fragen gestellt hat!

     

    Doch eine Frage fehlte noch, um noch einen relevanten dritten Aspekt aus Herrn Cohen herauszulocken. Aber Herr Cohen hätte auch selber auf den noch fehlenden dritten Aspekt kommen können bzw. noch ein drittes Motiv nennen können.

     

    Vielleicht beim nächsten Mal mit Interview eines anderen, ebenso unabhängigen oder eines europäischen Betrachters des Ereignisses?

  • @Vorona

    Welches Interview haben Sie überhaupt gelesen? Im TAZ Interview von Herrn Cohen geht es um Entstehung und Prognosen des Ukraine Konflikt. Nicht mehr und nicht weniger. Lesen Sie das Interview doch bitte, bevor sie sich äußern.

  • Herr Cohen scheint noch nie im gegenwärtigen Russland gewesen zu sein, wenn er ernsthaft glaubt, dass Putin politisch das Sozialstaatsmodell verfolgt und nicht als neoliberal einzuschätzen ist. Als jemand der regelmäßig in russland ist, weil er dort Jugend- und Familienbehörden berät, kann ich aus eigener ansich dagen halten, dass das russische Wirtschaftssystem das neoliberalste überhaupt darstellt, dass den Ressorts Soziales, Gesundheit, Bildung und Familie zugehörigen Einrichtungen leider auf dem letzten Loch pfeifen, da alles Geld, dass nicht in den persönlichen Taschen der Eliten landet leider in die sogenannte "patriotische Erziehung" investiert wird, mit Hilfe deren schon Kitakinder militarisiert werden. Träumen Sie weiter Herr Cohen, aber behalten Sie Ihre grandiosen Fehleinschätzungen bitte für sich.

    • @Vorona:

      Dem kann ich nur voll zustimmen. Und ich möchte auf das Interview mit Karl Schlögel in der heutigen gedruckten FR verweisen: An Klarheit und Entschiedenheit nicht zu überbieten. Schlögel ist Historiker und profunder Kenner Russlands, kommt zu ganz anderen Schlussfolgerungen als Cohen.

      Und dann gibt es ja noch die brennenden russischen Gelüste nach Wiederherstellung der Sowjetunion. Schon mal gehört davon?

      http://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/14_sr2_23_malek.pdf

      • 0G
        0564 (Profil gelöscht)
        @Jürgen Gundlach:

        Das Schlögel Interview find ich aber auch nicht sehr profund (müsste ich genauer erläutern, ich weiß), cohen zugegeben ist mir auch etwas zu direkt apocalyptisch (selbst nach der Höhle Auschwitz dreht sich die Erde weiter, Kitschgedichte werden weiterhin verfasst), wobei man bei Schlögel durchaus wieder es mit der Angst zu tun bekommt: "Das Wichtigste wäre, zu zeigen, dass man bereit ist, Widerstand zu leisten und die eigenen Positionen zu verteidigen..."

        Wie auch immer, Gelüste habe ich ebenfalls viele, z.B. möchte ich unbedingt König von Island werden, allein ich kann mir nicht einmal das Flugticket dorthin leisten. Ähnlich geht es Russland auch, die Weltbeherrschung wird ihnen in diesem Erdkugelleben nicht mehr gelingen, umgekehrt ist die Umsetzung der NATOimperialgelüste against Russia durchaus im Bereich des noch in diesem, unseren aller Leben miterlebbaren.

  • Danke für diesen Text. Deckt sich mit allen Gesprächen und Vor-Ort-Beobachtungen, er formuliert die Stimmung im Land (soweit ich dies beurteilen kann) sehr treffend und analysiert glaubwürdig. Danke noch einmal.

  • Interessantes Interview; kann die Aussagen Cohens in vielen Punkten teilen. Sehr beängstigend. Aber danke für den Text.

  • Danke, taz. Zeit wurde es aber auch, mal was zu lesen, was nicht die Mainstreamfeindbilder reproduziert und statt dessen die grauen Zellen aktiviert. Wie jede/r will die taz einfach mal ankommen und dazugehören. Aber aufgepasst: Wenn Ihr beim Mittelmaß ankommt, seit Ihr überflüssig. Also weiter so wie mit diesem Interview, nicht weiter Hochrüstungsphantasien drucken, wie kürzlich geschehen. Wenn ich Hetze bräuchte, kaufte ich BILD.

    • @Markus Maria Strobl:

      Ein guter Kommentar, dem Dank schließe ich mich an. Nur: Der Weg in die Mittelmäßigkeit ist gut ausgebaut, bequem zu gehen und auch mit allerlei Annehmlichkeiten verbunden. Erst spät erkennt man, wohin es einen verschlagen hat. Dann ist es jedoch für eine Umkehr zu spät.

  • Was ich (mit meinem kleinen Hirn und politschen Horizont ...) nicht verstehe :

    Warum ist es Deutschland zusammen mit Frankreich nicht möglich , den USA unmißverständlich verstehen zu geben , dass es eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine definitiv nicht geben werde ? Dann wäre doch für die USA "die Luft raus" , ... die für den Weltfrieden explosive Luft .

    • @APOKALYPTIKER:

      Warum bekommen "die Anleger" (also "die Spekulanten") eine Extra-Sendung vor der Tagesschau ? Obwohl es weitaus weniger "Anleger" als z.B."Alkoholiker" in Deutschland gibt ?

      Raten Sie mal ...

    • @APOKALYPTIKER:

      Schon mal was von Handelsbeziehungen gehört?

      Noch ist das deutsche Kapital wesentlich mehr auf Absatzmärkte in den USA angewiesen als dass es schon in Rußland ausreichend Möglichkeiten für den Export geben würde. Besonders die neuen EU-Mitglieder aus dem ehemaligen Warschauer Pakt, die jetzt am ehesten wegen Rußland verängstigt sind, sind gute Absatzmärkte für deutsche Exporte geworden.

      Hinzu kommt noch, dass das Kapital aus den USA hier viel investiert hat, was man nicht verlieren kann.

       

      Ich schätze, dass es nicht lange dauern wird, dass sich zumindest die BRD aus der NATO oder zumindest aus der Westbindung weiter lösen wird, weil die Märkte in Rußland aus vielerlei Gründen interessanter werden als die US-Märkte. (AKW-Produzenten können von Rußland aus ungehindert den Iran beliefern und Siemens weiß das.)

      Irgendwann muss die SPD sich der LINKEN öffnen. Das wird kommen, wenn es dem Kapital genehm ist und dann kann sich das deutsche Kapital ohne US-Bevormundung nach Rußland ausdehnen.

  • Woran den USA sicher nicht liegt : der Pleite-Ukraine - à fond perdu - mit Milliarden Dollars aufzuhelfen (... die sie selbst nicht haben , s. Dauer-Loch im Staatshaushalt) . Und Handel mit diesem failed state ist wohl auch nicht von übergeordneten Interesse für die USA . Sie wollen nur ("nur" ) ihren Nato-Militärstiefel darauf setzen . Warum ? Wohl aus demselben Grund , warum sie nach dem Ende des Kalten Krieges die eigentlich obsolete Nato wieder dringend brauchen : Die alleinige Sicherheit nämlich für die Stabilität des inzwischen bis zu den Wolken reichenden Dollar- Kartenhauses war und ist der weltumspannende Militärapparat der USA . Stichworte : USA = sicherer Hafen und Zuflucht für Billionen "arbeitslosen" Geldkapitals aus aller Welt , der "Rüstungsdollar" als Weltwährung .

    Jahrzehntelang konnten sich die USA auf dieser Basis ein gigantisches Außenhandelsdefizit "leisten" . Das geht einmal zu Ende . Die amerikanischen Eliten haben zu recht Angst , das luftige Dollar-Kartenhaus könnte noch zu ihren Lebzeiten zusammenbrechen ...

    Kann mir jemand noch andere r a t i o n al e Gründe für die sonst abstruse Politik nennen ?

  • Das ist mit Abstand der sachlichste und fundierteste Kommentar, den ich zur Ukrainekrise bisher gelesen habe. Trotzdem irrt Herr Cohen in ein paar ganz zentralen Punkten: Die Verantwortung für die Einbindung russischer Interessen in Europa lag zuallererst bei Deutschland, nicht bei den USA, von denen man doch nicht im Ernst eine dialektische Politik gegenüber Russland erwarten konnte. Gescheitert, und zwar auf ganzer Linie, ist die Politik von Merkel und ihren Außenministern Steinmeier und Westerwelle, die sich eben auch als Bundeskanzlerin zuallererst als Atlantikerin erwiesen hat. Wer sich noch erinnern kann, wie sich Angela Merkel beim Angriff auf den Irak zusammen mit Herrn Bosbach bei George W. Bush und Donald Rumsfeld angeschleimt hat und dabei der eigenen Regierung in den Rücken gefallen ist, kann sich darüber nicht wirklich wundern. Frau Merkel trägt nun einen wesentlichen Teil der Verantwortung für die entstandene gefährliche Lage. Dabei ist Vladimir Putin aber bei weitem nicht so unschuldig, wie Herr Cohen das darstellt. Von der Infiltration getarnter, russischer Spezialeinheiten, zuerst auf der Krim, dann in der Ostukraine über den Versuch, den längst desavouierten Janukowitsch als Marionette für die Ziele Moskaus zu missbrauchen und dem ständigen, gezielten Anheizen des russischen Nationalismus diente alles nur dem Ziel, sich möglichst große Teile der Ukraine einzuverleiben, um die eigenen GRoßmachgelüste zu befriedigen. Die Rolle des Unschuldslamms steht Putin nun wirklich nicht. Und im Ergebnis wird Deutschland und der EU nichts anderes übrig bleiben, als sich hinter den USA zu versammeln, wenn der neue, hoffentlich nur kalte, Krieg beginnt.

  • Am interessantesten finde ich den Vergleich, den Cohen innerhalb der Werte des westlichen Einflußbereich im Gegensatz zu Rußland sieht.

    Er sagt, dass der Westen zur Zeit auf die volle Wucht des Neoliberalismus setzt, was Putin ablehnen würde. Sozialer Wohlfahrtsstaat statt Austerität. Eine interessante These, die ich gerne belegt sehen würde. Über das Sozialsystem in Rußland ist mir nichts bekannt, fällt mir dabei auf.

  • Der Hype erinnert mich an das Waldsterben. Wenn die damalige Berichterstattung nur annähernd zutreffend gewesen wäre, gäbe es heute keine Bäume mehr.

  • Was für ein Gewusel aus Mutmaßungen, Unterstellungen und Gedankenschrott aus dem letzten Jahrhundert.

    "Kriege werden von Eliten gemacht, nicht vom Volk." Das kommt doch auf die Eliten an und vor allem kommt das ganz entscheidend auf das Volk an, das diese Kriege letztlich ja führen soll.

    Die Ukraine ist ein souveräner Staat, wird aber in der derzeitigen Diskussion ständig peinlich missachtet. Es wird mit Obama gesprochen, es wird mit Putin telefoniert, es wird überall rumgesteinmeiert, aber auf das Naheliegende kommt man nicht - mit der ukrainischen Regierung zu sprechen. Für mich spiegelt sich darin nur dieses seltsame Vasallendenken, das sich in den Köpfen der sogenannten Eliten festgebrannt hat. Es fällt mir schwer Herrn Cohen noch ernstzunehmen, wenn er die Wiedereinsetzung Janukowitschs hier als befriedende Maßnahme verkaufen will.

    • @Rainer B.:

      Gegenfrage: Wer denkt noch an "das Volk" (das ich aus guten Grund lieber "die Bevölkerung" nenne) ? In etwa: Merkel bei Obama ?

      • @Robin7:

        Ich hab den Begriff nur aus dem Satz von Herrn Cohen übernommen, um darauf zu antworten. Er ist mir auch zu verbraucht und gehört in die Kategorie 'Gedankenschrott'

        Was Frau Merkel denkt, weiß ohnehin keiner so recht. Ich vermute mal, Sie hat wie die meisten Politiker vor allem ihren Machterhalt im Sinn.

    • @Rainer B.:

      "Es fällt mir schwer Herrn Cohen noch ernstzunehmen, wenn er die Wiedereinsetzung Janukowitschs hier als befriedende Maßnahme verkaufen will" dass können nur Schimpansen im Interview lesen.

      • @yyyy xxxx:

        Nö! Hier das Zitat:

        "Die drei (europäischen Aussenminister s.o.) hatten ein Abkommen ausgehandelt, das Janukowitsch bis Dezember als Präsident im Amt gelassen hätte und eine Regierung der Aussöhnung beinhaltete. Russland hatte nichtöffentlich zugestimmt, Geld zu geben. Es sah wie der beste Weg aus. Ohne Gewalt. Das Abkommen wurde von den Radikalen auf der Straße zerstört."

    • @Rainer B.:

      "...auf das Naheliegende kommt man nicht - mit der ukrainischen Regierung zu sprechen." ---?---

       

      Es wäre andererseits aber zu befürchten, dass diese Regierung nur von den USA Abgesegnetes sagen würde:

       

      http://de.ria.ru/opinion/20140423/268340382.html

      • @H.-G- S.:

        Souveräne Staaten regeln ihre Angelegenheiten selbst und suchen sich ihre Partner selbst. Es regt sich doch hier auch keiner auf, wenn etwa Polen amerikanisches Geld annimmt. Amerika ist im übrigen praktisch pleite.

        • @Rainer B.:

          Echte Souveränität wäre echt gut! Wohl wahr.

  • Ich frage mich, was passiert, wenn die ,wie Russland vorgeschlägt, vorgezogenen Parlamentswahlen im Resultat eine Politik zur Folge haben, die einen evtl. EU- und damit den Quasi-NATO-Beitritt zum Inhalt macht. Bliebe die Souveränität der Ukraine aus der Sicht Russlands erhalten ?

  • Dieses Interview ist das Beste, wass ich in der deutschen Presse zu diesem Thema habe lesen können. Dankeschön an alle.

  • Naja... eine Analyse mehr...

    Zufolge Herrn Cohen:

    ..." die russlandfeindliche Radikalität Polens..." und ..." rücksichtslose politische Entscheidungsträger- vor allem im Westen.."

    ... die da einen Krieg/Bürgerkrieg provozieren...

    --------------

    NA UND? Es zeigt sich lediglich das Krieg von traditionell herrschenden Machteliten geplant und popularisiert wird.

    Zu hoffen ist, dass die betroffene Bevölkerung und die Soldaten Ruhe bewahren. Es ist ja nicht ihr Krieg!

    ---------

    Herr Cohen erklärt ja mehr die USA Interpretationen und deutet darauf, das eine objektive Debatte in den USA bisher kaum existiert.

    Und diese `Abwesenheit von Debatte´in den USA erlaubt leider- eine Goebbelsähnliche- Propaganda die Krieg provoziert- die die Dummheit/Angst der sog. Separatisten erklärt.

    -----------------

    Die ganze Rhetorik in den USA Machteliten ist viel zu sehr militarisiert!

    Während die Rhetorik in der EU wesentlich vielschichtiger und friedlicher ist.

    ----------------

    Diese Unterschiede zwischen USA und EU befördert auch die hässliche Kriegstrommelei der Machthaber in Kiew.

    ---------------

    Sowie der Kontrast zwischen friedlicher EU und kriegerisch-ideologischer USA/NATO das allgemeine Misstrauen der EU gegenüber den USA (siehe Hrn. Snowden, TTIP etc.) vertiefen kann.

    ---------------

    Die seit den 90´ern beginnende friedliche Annäherung und Freundschaft zwischen der EU und Russland - trotz gewaltiger kultureller Unterschiede- ist für die EU zu wertvoll, um dem Drängen der USA nach erneuertem Kalten Krieg, geopfert zu werden!

  • Global und auch zeitloser betrachtet können die USA nur überleben, wenn sie parasitär gegenüber allen Völkern aggieren. Die USA können nicht in Symbiose -also GEBEN und NEHMEND- existieren. Ihr Wettbewerbskonzept stammt aus dem Wilden Westen, dem gigantischsten Massenmord der Menschheit bisher.

    Und sobald die Bio-Waffen fertig sind werden sie im Verbund mit den Weltoligarchen die Menscheit dramatisch reduzieren.

    Welch ein Glück für mich schon alt zu sein; einmal das totale Chaos erlebt zu haben genügt.

  • Schon wieder!

    Wie viele Artikel kommen denn jetzt noch, zum Thema:

    Der Krieg kommt

    Der Krieg fängt gleich an

    Der Krieg steht vor der Tür

    Am Abend vor dem Krieg

    Es ist Krieg, und keiner hat's gemerkt...

     

    Ist doch kindisch!

    • @die kalte Sophie:

      Ist doch völlig egal, wieviel Artikel man dazu schreibt. Wichtig ist doch nur, ob's stimmt oder nicht. Und wenn ich mir den täglichen Wahnsinn so besehe, dann habe ich immer mehr den Eindruck: Ja, es stimmt. Wenn es auch für mich lange Zeit so aussah, als wäre die falsche Ostpolitik eher von den Europäern ausgegangen, als von den USA, die sie zuletzt für ihre Zwecke gehijackt haben.

      Was den oben stehenden Artikel angeht: Der Aussage "Die Gefahr des Krieges ist nicht, dass jemand einen Krieg plant, sondern dass rücksichtslose politische Entscheidungsträger – vor allem im Westen – eine Situation geschaffen haben, in der ein Krieg möglich ist." kann ich nur zustimmen. Vor 100 jahren, im sommer 1914, lief es ja schließlich ganz genauso.

      • @Fossibaerin:

        Äh, aber solche Themenstellungen sind faktisch nicht prüfbar. Wichtig ist (normalerweise): stimmt's, oder stimmt's nicht.

        Über die "zeitliche Nähe des Krieges" kann man mit Bestimmtheit GAR nichts sagen. Er würde (Konjunktiv) am Rande Europas stattfinden. Räumlich ist das nicht schwer einzugrenzen.

         

        Das ist aber auch keine Erklärung für den "Wahnsinn".

        Selbst Experten reden nur über die "Möglichkeit des Krieges". Das ist doch Skandal-Treiberei. Deswegen muss der Kriegsbegriff in die Köpfe! Damit der Skandal vor dem Krieg anfängt...

  • Gratulation! Das ist ein Beitrag, den man sich von der taz wünscht: abwägend und auf fundiertem historischen Wissen gestützt. Das sollte für die Korrespondenten Donath und Oertel Pflichtlektüre sein, Journalismus sollen aufklären, die Urteilsbildung fördern und nicht aufhetzen.

  • "Typen mit Masken, die in der Westukraine herumlaufen, wo die Situation genauso brenzlig ist wie in der Ostukraine."

    Von was schreibt Hr. Cohen? Ich komme gerade aus der Westukraine und ich habe dort niemand in irgendwelchen Masken oder ähnlichem gesehen. Die einzigen Hinweise, an denen man merkte, dass die Situation angespannt ist, waren:

    1. die Fernsehnachrichten - das sonstige Fernsehprogramm war wie immer.

    2. die Gespräche mit Freunden und Bekannten

    3. das Grenzbeamte mit AKs bewaffnet waren.

    Sonst ging alles seinen gewohnten Lauf.

  • Ich denke, dass wenn man das ominöse mündliche Versprechen der Nato, nicht näher an die Sowjetunion (welche es übrigens nicht mehr gibt) heranzurücken, erwähnt, dann sollte man, den wohl weniger ominösen Vertrag über die atomare Ukraine erwähnen in dem es heißt, dass man die territoriale Souveränität der Ukraine achtet.

     

    Und natürlich kann man damit argumentieren, dass die Nato Russland geärgert habe in dem sie immer mehr gen Osten expandiert ist. Dazu muss man aber auch bedenken, dass souveräne Länder natürlich das Recht haben ihren "Schutzmantel" selber zu suchen. Und wenn man schaut wie Russland sich nach dem Zerfall der Sowjetunion entwickelt hat, dann finde ich es verständlich wenn da lieber auf Nummer Sicher gehen möchte.

    Und man muss natürlich auch sehen, dass es wohl nicht "der Westen" war der Kämpfer in die Ukraine geschickt hat. Die tätlichen Aggressionen gingen von Russland aus.

     

    Was ich damit sagen will ist, ich bin kein Putinversteher, aber auch kein Amerikafreund, ausgewogene Berichterstattung ist bitter nötig. Und hier in diesem Artikel sehe ich die auch nur bedingt. Die Linken hätten jetzt die Chance zwischen homophoben Putinfreunden und blinden Amerikatreuen, etwas von Gehalt entgegen zu setzen. Aber bisher scheint dem leider nicht zu sein.

    • @Georg S.:

      "Was ich damit sagen will ist, ich bin kein Putinversteher, aber auch kein Amerikafreund, ausgewogene (!!)Berichterstattung ist bitter nötig. Und hier(!) in diesem Artikel sehe ich die auch nur(!)bedingt(!). Die Linken(!?)hätten jetzt die Chance (!)zwischen homophoben Putinfreunden(!) und blinden Amerikatreuen(!), etwas von Gehalt(!)entgegen(!)zu setzen. Aber bisher scheint dem leider nicht zu sein."

       

      Auweia . Man muß leider befürchten , dass , wer solche Sätze verbrechen kann , auch noch für sich in Anspruch nimmt , irgendetwas politisch auf die Reihe zu kriegen .

      • @APOKALYPTIKER:

        Lieber Apokalyptiker, bei dir ist der Name wohl Programm? Du gibst der Apokalypse menschlichen Geistes eine Stimme. Aber dann lass doch bitte die in Ruhe, die versuchen ihre Gedanken so gut wie möglich in Worte zu fassen und sie uns mitzuteilen. Ich kann Georg S nur zustimmen: Wir brauchen endlich wieder einen Weg zwischen den Fronten, der berücksichtigt, dass überall in der Welt, ja auch in der Ukraine, Menschen leben, die weder unter einem gewissenlosen Diktator wie Putin noch unter dem Diktat amerikanischer Konzerne, der NSA und der Selbstgerechtigkeit der amerikanischen Drohnenregierung leben wollen.

  • Warum ist die BRD noch in der NATO? Welchen Zweck hat das und welche Folgen?

     

    Warum Erkennen wir nicht, dass Amerikaner und Russen genauso Menschen sind wie wir und wir uns nur in dem unterscheiden, dass wir durch eine andere Umgebung geprägt sind?

     

    Warum akzeptieren wir, dass Kriegstreiber uns regieren?

    Warum akzeptieren wir, dass wir wieder auf dem Weg zum Tätervolk sind?

    • @SomeoneOutThere:

      ...Gute Fragen... Seufz* ... mehr Aufklärung? Schulbildung im Sinne `weltbürgerlicher Solidarität´? Weg vom Nationalstaatlichem Denken? Mehr Liebe?

  • "Es gibt lauter außer Kontrolle geratene Akteure." Treffender kann man es nicht sagen.

    Wir leben nicht mehr im 20. Jahrhundert. Wir haben eine globalisierte Ökonomie, die gegenseitige Abhängigkeit aller Akteure ist immens. Jegliche Verschärfung des Konfliktes wird für die Mehrheit der Menschen extrem negative Konsequenzen haben. Sowohl Obama, Putin, Merkel und co werden das wissen. Dumm sind die nicht.

    Die wenigen Profiteure einer Verschärfung der Krise müssen gnadenlos durch Beteiligte und Presse benannt werden. Also weg von den gegenseitigen Schuldzuweisungen, und hin zu einem konstruktiven Miteinander zu einer Auflösung der Situation. Vor allem sollten sich die Medien ihrer Verantwortung in dieser Zeit bewusst werden. Weniger die persönliche Meinung reproduzierende Kommentare mit kriegerischer Rhetorik, mehr hin zu einer analytischen Aufarbeitung der Geschehnisse und Lösungsansätze. Derzeit versagen die Leitmedien hier aber auf einer Linie alle zusammen.

    • @Sapasapa:

      "Weniger die persönliche Meinung reproduzierende Kommentare mit kriegerischer Rhetorik, mehr hin zu einer analytischen Aufarbeitung der Geschehnisse und Lösungsansätze. "

      Auch die Taz entblödet sich leider nicht , kleine , völlig unbedeutende Geister wie Donath und G.Lesser als Kriegshetzer an die Leserfront zu schicken . Grrrh !

  • Gut dass die Taz einmal einen meiner Meinung nach vernünftigen Artikel über die Krise und die Entstehung bringt. Die sogennanten Verschwörungstheoretiker, die in Kommentarzeilen seit Monaten die deutschen Medien wegen ihren Märchengeschichten attakieren haben dann doch recht, oder? Folgt man dem Artikel dann ja. Vielleicht ist bei den Kommentatoren ja der ein oder andere Russlandexperte, vielleicht auch der ein oder andere Politikexperte dabei, was natürlich die Medien nicht so sehen wolen. Recht haben imer die Medieneliten. Letzten Endes reicht es auch sich mit den Büchern von Zbigniew Brzezinski (Obama-Berater) und Gestalten wie Bernard Lewis (in Verbindung mit dem Greater Middle East Project) auseinandersetzen und vieles wird schnell klar, was die Stoßrichtung der USA-außenpolitik anbelangt. Wie die Ziele erreicht werden ist dann immer eine Sache der jeweiigen aktuellen Lage. Dass Journalisten das alles unbekannt sein soll, was Brzezinskis Bücher anbelangt, das Greater Middle East Project und da gibts noch einiges, das glaube ich nicht. Oder kan es sein, dass wir wirklich so ungebildete naive Journalisten haben, die glauben die USA wollen tatsächlich nur Menschenrechte bringen? Das glaubt Euch keiner. Wenn endlich realistischer über die Dinge gesprochen würde, dann könnte ein weiterer möglicher Wahnsinn in der Menschheitsgeschichte vielleicht aufgehalten werden. So nicht, wenn man dann nur als "Putinversteher" belächelt wird.

  • Putins Politik ist ebenfalls expansiv. Vielleicht hat er mehr Argumente dafür auf seiner Seite, da es immer um Gebiete mit einem grösseren russisch-stämmigen Bevölkerungsanteil geht - aber ein Einstellen der westlichen Expansion wird daher noch nicht zu einem Ausbleiben von Konflikten führen.

    Putin scheint sich in einer ähnlichen Situation wie das Deutsche Reich 1933 zu befinden - die Rücknahme des Versailler Diktats war legitim - wie wir alle wissen, ging die Expansion Hitlers aber noch viel weiter.

    Daher müsste der Westen, seine Expansion einstellen aber gleichzeitig gegen alle Ansprüche Russlands, die nicht legitim sind, angehen.

    Aktuell bestreiten Ost und West einen Stellvertreterbürgerkrieg in der Ukraine. Zwar ist dieser besser als eine direkte Konfrontation - er nimmt jedoch allen Positionen ihre Legitimität

  • Es wird keinen Krieg geben, wenn Putin nicht will. Sollte die Ukrainische Armee die Russland-freundlichen Aufständischen angreifen und besiegen, hätten wir eine Situation wie in Syrien. Diese Krise bliebe lokal und würde vermutlich zur Teilung der Ukraine führen. Doch ob der russische Präsident tatenlos zusehen wird, ist zweifelhaft. Zumindest wird er seine Seite mit Waffen unterstützen, vor allem Flugabwehrraketen. Falls Putin jedoch jener Wahnsinnige ist, als der er im Westen dargestellt wird, möglicherweise unterfüttert mit Gedanken von Alexander Dugin, wird er an der polnischen Grenze keinen Halt machen. Sämtliche Sanktionen wären nicht nur sinnlos sondern kontraproduktiv. Vielmehr wird er auch Ungarn überrollen und bis an den Rhein vorstoßen. Den US-Amerikanern kann das egal sein, viele Firmen werden sich sogar freuen, weil die lästige Konkurrenz aus Europa ausgebremst wird.

     

    Zudem wird die Bedeutung des US-Präsidenten überschätzt. Viele Entscheidungen sprechen die Sprache der Verwaltung. Die hat Obama von Bush geerbt. In der Ukraine gibt es Interessen amerikanischer Ölfirmen. Exxon und Chevron haben weitreichende Pläne. Zudem greift, auch Dank Obama, endlich die Abrüstung. Bis jetzt mussten alte Beschaffungsaufträge bedient werden. Die EU hat ihre Figter, Transporter und Korvetten auf Eis gelegt. Das muss der Militärisch-Industrielle Komplex verhindern. Wenn die Beschaffung in Stocken gerät, muss das vorhandene Material verbraucht werden. Obama ist ein Getriebener. Wie bei TTIP hat er längst das Heft des Handelns verloren. Die Konzerne machen Druck. Da sich US-Firmen von Kriegsfolgen nicht bedroht sehen, werden die Militärs an geeigneter Stelle massiert, damit sie dem Präsidenten Vorlagen liefern, die der nicht ablehnen kann. So dudeln unsere Medien Kriegserinnerungen von 1914, in Russland läuft die Kriegspropaganda auf Hochtouren. Im Grunde hat es seit dem ersten Hubschrauberabgeschuss bereits begonnen.

  • Endlich einmal ein Artikel der Aufklärung, der Meinung durch fundiertes Wissen ersetzt! In der Ukrainekrise kann es ganz schnell auch für uns im wahrsten Sinne um alles gehen. Es soll sofort das westukrainische Militär zurück in die Kasernen, es muss einen sofortigen Waffenstillstand geben, die USA sollen sich komplett raushalten, anstatt die Westukrainer in einen Krieg zu schicken. Es müssen die Europäer in Europa ihre Interessen mit Russland durch direkte Verhandlungen ohne Einbeziehung der Nato und der EU vertreten, sonst kann es ganz schnell zu einer Katastrophe kommen. Der Status quo ist jetzt und auch für die Zukunft eine geteilte Ukraine!! Taz wacht endlich auf und lasst nicht solche Leute wie den Donath für einen Krieg hetzen oder für die Forderung nach westlicher Demokratie einen Krieg legitiemiren. Ich finde die politische Situation in Russland auch nicht richtig, aber wollt ihr wirklich dafür in den Schützengraben oder eine Bürgerkrieg in der Ukraine?!!!

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "..Ich weiß nicht, warum Merkel nicht interveniert hat. Sie steht unter enormem Druck. Ich vermute, sie hat kapituliert. .." Welch Fazit. Ich dachte immer, vor einer Kapitulation müsse mal Widerstand vorhanden gewesen sein. ("or to take arms against a sea of troubles and by opposing, end them?")