Debatte G36-Waffe: Gewehr bei Fuß
Dass es sich um eine Problemwaffe handelt, sieht die Verteidigungsministerin ein. Doch von Problemeinsätzen der Bundeswehr ist leider nicht die Rede.
E s klingt wie Satire, ist aber bittere Realität. Im Kampf um Reputation setzt Heckler & Koch auf die Expertise von Praktikern. „Mein Gewehr war ein Statement für Fortschritt und Verlässlichkeit“, meldet sich „Herr S. aus N.“ auf der Homepage des deutschen Waffenherstellers zu Wort. Im Afghanistan-Einsatz getestet, habe sich das Sturmgewehr G36 als „in jeder Situation treffgenau, berechenbar und sicher bedienbar“ bewährt. Ein Herr H. aus O. pflichtet bei: „Mit dem Sturmgewehr G36 war ich im Inland sowie im Kosovo-Einsatz stets zufrieden.“
Auch der Stabsgefreite H. aus F. will sein G36 „nicht missen“. Es bräuchte „sich vor keiner anderen Waffe zu verstecken“. Herr H. aus I. kann die Kritik an der Ordonnanzwaffe der Bundeswehr ebenfalls nicht nachvollziehen: „Dass ein Gewehr mit ständigem Dauerfeuer nicht mehr die Präzision hat, dürfte jedem bekannt sein“, schreibt der Soldat. Trotzdem sei er hochzufrieden: Er und seine Kameraden wüssten, „dass das G36 eine super Waffe ist“.
Bei der Herstellung von Tötungsinstrumenten war Heckler & Koch schon immer eine Klasse für sich. Das wusste bereits die RAF, die einst vor ihren roten Stern eine Maschinenpistole des in Oberndorf am Neckar ansässigen Rüstungsunternehmens montierte, statt sich für eine sowjetische Kalaschnikow zu entscheiden, wie es ideologisch durchaus näher gelegen hätte.
Dass „nach schnellem Verschuss von 150 Schuss Gefechtsmunition Ziele in Entfernungen über 200 m nicht mehr zuverlässig getroffen werden können“, wie es in einer Vorlage aus der Rüstungsabteilung des Verteidigungsministeriums vom März 2012 heißt, wäre für die Aktionen der RAF übrigens irrelevant gewesen. Ist das eine zynische Feststellung? Klare Antwort: selbstverständlich. Nur: Ist die gegenwärtige Diskussion über die Präzisionsprobleme des G36 im heißgeschossenen Zustand weniger zynisch?
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Verkaufs- und Exportschlager
Seit rund 20 Jahren ist das G36 im Einsatz. Seit 1995 hat die Bundeswehr insgesamt etwa 178.000 Stück dieser todbringenden Waffe angeschafft. Darüber hinaus ist das G36 ein Exportschlager. Heckler & Koch hat es nach eigenen Angaben in über 30 Länder verkauft. Es ist in Georgien, Lettland und Kroatien ebenso beliebt wie in Ägypten oder Saudi-Arabien. Auch die Peschmerga haben es zu schätzen gelernt. Wie viele Menschen quer über den Globus verteilt mit Hilfe des G36 umgebracht wurden, darüber gibt es keine Statistik.
Aber wen interessiert das schon? Es sorgte ja nicht einmal für größere Schlagzeilen, dass im August 2008 ein deutscher Soldat an einem Checkpoint in der Nähe von Kundus eine afghanische Mutter und ihre zwei Kinder erschoss. Irrtümlich, wie es hieß. Die Bundesrepublik zahlte ein „Blutgeld“ an die Familienangehörigen. „Man hat sich auf 20.000 Dollar dort geeinigt“, erklärte damals ein Bundeswehrsprecher. „Diese 20.000 Dollar hat die Familie als Zahlung akzeptiert, um damit eine Blutrache zu vermeiden. Und damit war das nach afghanischen Gebräuchen beendet.“ Das ist Zynismus.
Jetzt, so hat das Verteidigungsministerium mitteilen lassen, soll eine Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten Winfried Nachtwei „der schwierigen Frage nachgehen, ob durch mögliche Probleme des G36 bei besonderen Vorkommnissen in den Einsätzen in der Vergangenheit Soldatinnen und Soldaten in den Einsätzen zu Schaden gekommen sind“.
An eine Kommission, die sich endlich mit den Opfern des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan beschäftigt, denkt hingegen niemand. „Dieses Gewehr hat in der Bundeswehr keine Zukunft“, hat Ursula von der Leyen nun versprochen. Der Einsatz etwa im Dauerfeuer, wie er in Afghanistan notwendig geworden sei, wäre nicht das, was man vor der Bestellung des G36 in den Neunzigerjahren zugrunde gelegt habe, so ihr Ministerium. Anstatt deutsche Kriegseinsätze generell zu hinterfragen, soll das Gewehr ausgetauscht werden. Auch das ist Zynismus.
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