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Debatte Brexit und ZollunionIrrtum Freihandel

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Brexit-Anhänger verstehen den Kapitalismus einfach nicht. Sonst würden sie nicht den Binnenmarkt verlassen wollen.

Wie die Zukunft der Briten aussehen wird: Sie werden im Binnenmarkt bleiben, es nur anders nennen Foto: reuters

D ie Fronten im britischen Parlament sind verwirrend. Klar ist aber: Der Streit dreht sich im Kern um die Frage, ob die Briten in der Zollunion und im Binnenmarkt bleiben sollen. Labour ist dafür, und die radikalen Tories sind dagegen. Ihr Anführer, Jacob Rees-Mogg, hat die konservative Weltsicht pointiert zusammengefasst: Der EU-Binnenmarkt stehe „nicht für Freihandel, sondern für Protektionismus auf europäischer Ebene“.

Damit wirft Rees-Mogg eine Frage auf, die tatsächlich interessant ist: Warum betreibt die EU nicht nur Freihandel? Was soll der Aufwand, sich einen Binnenmarkt zuzulegen? Auch in Deutschland ist das Unverständnis groß und wird am liebsten in das Schauermärchen gekleidet, dass „Brüssel“ sogar den Krümmungswinkel von Gurken festlegen würde!

Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit erscheint bizarr: Angeblich geht es um den „Geist von Europa“, und am Ende befasst sich die EU mit endlosen Normierungen und technischen Vorschriften. Diese Diskrepanz ist nur zu verstehen, wenn man die Geschichte der EU kennt. Zugleich lässt sich aus dieser Vergangenheit ablesen, wie die Zukunft der Briten aussehen wird: Sie werden im Binnenmarkt bleiben, es nur anders nennen.

Die Erfinder der EU waren die Beneluxländer: 1952 schlugen sie vor, einen „gemeinsamen Markt“ zu gründen. Es ist kein Zufall, dass die ­Initiative von kleinen Industrieländern ausging – denn ihre Großunternehmen waren schon damals im wahrsten Sinne des Wortes an die Grenzen gestoßen.

Die EU leistet Harmonisierung

Ein zentrales Phänomen im Kapitalismus sind die Skalenerträge: Die Produktion von Gütern wird umso billiger, je mehr Stück man herstellt. Für vier Autos lohnt sich kein Industrieroboter; bei 10.000 Autos machen die Maschinen jedes einzelne Auto günstiger. Am effizientesten ist es natürlich, wenn die Produkte immer gleich sein können – was aber voraussetzt, dass die technischen Vorschriften in möglichst vielen Ländern identisch sind. Diese Harmonisierung leistet die EU: Im gesamten Binnenmarkt gelten die gleichen Regeln, ob im Umwelt-, Daten- oder Verbraucherschutz. Ein Freihandelsabkommen kann und will dies nicht leisten.

Die Vorteile eines Binnenmarktes waren anfangs nur den Beneluxländern einsichtig – eben weil sie so klein waren. Frankreich und Großbritannien waren damals noch groß genug für ihre heimische Industrie, zumal sie ja Kolonialreiche hatten. Westdeutschland wiederum war an einem „gemeinsamen Markt“ interessiert, aber vor allem aus politischen Gründen: Kanzler Adenauer lebte in ständiger Sorge, dass sich die Supermächte auf Kosten Deutschlands einigen könnten.

Beinahe wäre es gar nicht zum Binnenmarkt gekommen. Großbritannien wollte sowieso nicht teilnehmen, und Frankreich entdeckte immer neue Probleme. Die „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“, wie die EU damals hieß, ist 1957 nur entstanden, weil Franzosen und Engländer 1956 einen Krieg in Ägypten verloren hatten: Es ging um den Suez-Kanal, hatte also mit Europa eher wenig zu tun. Aber danach war zumindest den Franzosen deutlich, dass man neue Partner brauchte.

Der Binnenmarkt ist daher ein seltsames Konstrukt: Er ist aus politischen Gründen entstanden, obwohl er ökonomische Ziele verfolgt. Diese verwirrte und verwirrende Entstehungsgeschichte erklärt auch, warum der Binnenmarkt bis heute als „Friedensprojekt“ durchgeht, obwohl sich das Alltagsgeschäft um Abgasnormen für Dieselfahrzeuge dreht.

Das ökonomisch richtige Konzept

Da Franzosen und Westdeutsche 1957 vor allem politische Bündnispartner gewinnen wollten, begriffen sie nur langsam, dass sie – eher aus Versehen und dank der Beneluxstaaten – auf das ökonomisch richtige Konzept gesetzt hatten. In Paris und Bonn war man nämlich ehrlich erstaunt, als das britische Konkurrenzprojekt nicht so richtig florierte.

Wie heute Rees-Mogg hatte London schon damals für den Freihandel optiert. 1960 wurde sogar eigens eine „Europäische Freihandelsassoziation“ (Efta) gegründet, der Dänemark, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und die Schweiz angehörten. Doch der Freihandel brachte nicht viel; der Austausch intensivierte sich nicht und schob das Wachstum nicht an.

In der „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ hingegen explodierte der Handel, weil alle Großunternehmen die Skalenerträge nutzten und in den gemeinsamen Markt expandierten. Dieses Wachstum überzeugte auch die Efta-Länder: Inzwischen sind sie alle im EU-Binnenmarkt, wobei die Schweiz und Norwegen formal so tun, als wären sie unabhängig.

Ein Binnenmarkt ist jedoch nicht nur attraktiv für seine Mitglieder – sondern ebenso für globale Handelspartner. Auch für japanische Autobauer ist es effizient, dass die gleichen Regeln in ganz Europa gelten. Sollten die Briten den Binnenmarkt verlassen, würden sie ziemlich uninteressant. Wie sich das anfühlt, konnte London jetzt erleben, als es mit Tokio einen neuen Handelsvertrag für die Post-Brexit-Zeit aushandeln wollte: Die Japaner machten ungeniert klar, dass sie die Briten quälen und erpressen werden, schließlich wissen sie genau, dass sie für die Briten wichtiger sind als umgekehrt. Das war eine Machtdemonstration, aber nicht nur: Die Japaner wollen dafür entschädigt werden, dass die Skaleneffekte nicht mehr greifen, wenn die Briten eigene Regeln erfinden. Wer will Autos nur für eine Insel bauen?

Skalenerträge spielen überall eine Rolle, auch im scheinbar virtuellen Internet. Boris Johnson, der berühmteste aller Brexit-Fans, liebäugelt noch damit, „den Tech-Sektor, die Biowissenschaften und Bulk Data […] anders zu regulieren, als Brüssel das tut.“ Dieser Wunsch wird schnell verfliegen. Nach dem Brexit werden die Briten Tricks ersinnen, wie sie im Binnenmarkt bleiben können, ohne dass es so heißt.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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34 Kommentare

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  • Die eigene Wirtschaft & Binnenmarkt zu schützen ist wichtig und am besten durch Bildung, Innovation, Spezialisierung. Ansonsten mit Marktbeschränkungen.

    Die USA macht das auch, durch niedrigste Grenzwerte wurden deutsche Dieselautos vom Markt ferngehalten.

    Trump will einen fairen Handel, doch was ist fair, die Inder, Chinesen haben bei weitem noch nicht das Niveau von den USA.

    Der Binnenmarkt ist deshalb von Vorteil, weil sich die Staaten nicht gegenseitig mit eigenen Regeln bekämpfen. Der Kampf findet auf andere Weise statt, durch Reformen, um Unternehmen anzulocken.

    Zu Reformen ist Italien noch nicht bereit, zu denen Deutschland bereit war. Norditalien blüht ja, weil eben die Region Unternehmen anlockt.

  • Es wird immer Regionen geben, die erfolgreicher sind als andere. Alle können nicht gleich erfolgreich sein, weil es einfach Grenzen der Machbarkeit gibt. Darum hat man das Rezept der Umverteilung im Grossen entwickelt, im kleinen gibt es das schon immer, genannt Familie.

    Zusammen ist man immer stärker, wenn man zusammen hält, darum haben Menschen bereits Städte vor 5000 Jahren gebaut.

    52% der Briten von 2016 glaubten, fast alles besser zu können als die EU, darum der Brexit. In der Theorie funktioniert alles gut, in der Praxis spielen meist soviele andere Faktoren eine Rolle, das es anders kommt als man denkt.

    Ich sage, auch die Briten sind keine Wunderwutzis, sie kochen auch nur mit Wasser.

  • Wenn es wirklich zum Absturz kommt, dann werden die wirtschaftlichen Kräfte auf Reformen drängen, das Land wird auseinander fallen, und wenn die Rücknahme des Brexit nicht geht, dann eben auf die Unabhängigkeit von Schottland und Nordirland setzen usw.

    Die USA in ihren Verhandlungen zeigen schon, was an liberalen Illusionen droht. Kanada zeigt mit welchen Bandagen China gerade kämpft.

  • Ergänzt:

    Ulrike Herrmann hat wohl nur dann recht, "Ein zentrales Phänomen im Kapitalismus sind die Skalenerträge", wenn sie damit verdeutlichen will, dass es heute Kapitalismus, sprich nicht von altersher um üblichen Handel geht, sondern vor- bzw. kreditfinanzierten Handel braucht, Handelsvolumina solcher Größenordnung wie beim Autohandel zu bewältigen, um kalkulierte Skalenerträge, auch wirklich zu realisieren.

    Jacob Rees-Mogg: "Der EU-Binnenmarkt stehe „nicht für Freihandel, sondern für Protektionismus auf europäischer Ebene“.



    Das ist insofern ein Schuss in den Ofen, weil EU tatsächlich Protektionismus durch Normenfestlegung betreibt, aber eben nicht im europäischen Binnenmarkt selber damit protektionisitsch wirkt, , sondern nach außen Drittländern gegenüber. Zugang zum EU Binnenmarkt erhält nur, wer diesen Normen nachkommt.



    Brexiteers wie Rees-Mogg hat das jahrzehntelang wenig gestört, wenn das jetzt anders ist, ist das wohl dem inneren Kern des Brexit Unternehmens geschuldet, aus Great Britain ein europäisches Singapur zu machen, weil EU mit normativen Kraft des Faktischen 2019 beginnend die Schrauben anzieht, Steueroasen auf europäischem Boden das Wasser abzugraben.



    Bei dieser EU Regulierung, Normenfestlegung von Finanzindustrieprodukten, computergesteuert, hochfrequent gehandelt. wollen die Brexiteers nicht dabei sein, da wollen sie lieber, dass Emercing Market Länder, Oligarchen weiter und vermehrt dereguliert ins United Kingdom, bzw. in das, was vom UK bleibt, investieren, vozugsweise London City als Weltfinanzplatz, weil dann nicht mehr nur brit. Kanalinseln, Isle of Man u. a. Teile des Commonwealth of Nation unter brit. Krone Steueroasen sind, sondern ganz Great Britain, mit einer schrumpfend zu vernachlässigen Industrie.

  • Ulrike Herrmann hat wohl nur dann recht, "Ein zentrales Phänomen im Kapitalismus sind die Skalenerträge", wenn sie damit verdeutlichen will, dass es heute Kapitalismus, sprich nicht von altersher um üblichen Handel geht, sondern vor- bzw. kreditfinanzierten Handel braucht, Handelsvolumina solcher Größenordnung wie beim Autohandel zu bewältigen, um kalkulierte Skalenerträge, auch wirklich zu realisieren.

    Jacob Rees-Mogg: "Der EU-Binnenmarkt stehe „nicht für Freihandel, sondern für Protektionismus auf europäischer Ebene“.



    Das ist insofern ein Schuss in den Ofen, weil EU tatsächlich Protektionismus durch Normenfestlegung betreibt, aber eben nicht im europäischen Binnenmarkt selber damit protektionisitsch wirkt, , sondern nach außen Drittländern gegenüber. Zugang zum EU Binnenmarkt erhält nur, wer diesen Normen nachkommt.



    Brexiteers wie Rees-Mogg hat das jahrzehntelang wenig gestört, wenn das jetzt anders ist, ist das wohl dem inneren Kern des Brexit Unternehmens geschuldet, aus Great Britain ein europäisches Singapur zu machen, weil EU mit normativen Kraft des Faktischen 2019 beginnend die Schrauben anzieht, Steueroasen auf europäischem Boden das Wasser abzugraben.



    Da wollen die Brexiteers nicht dabei sein, da wollen sie lieber, dass Emercing Market Länder, Oligarchen ins United Kingdom, bzw. in das, was vom UK bleibt, investieren, vozugsweise London City als Weltfinanzplatz, weil dann nicht mehr nur brit. Kanalinseln, Isle of Man u. a. Teile des Commonwealth of Nation unter brit. Krone Steueroasen sind, sondern ganz Great Britain, mit einer schrumpfend zu vernachlässigen Industrie.

  • Das Ganze ist korrekt.



    Solange man davon ausgeht, dass sich GB auch zukünftig an Ex- und Importzahlen messen lassen will. Zum einen fehlen mir hier aber Daten darüber, inwieweit der britische Commonwealth noch bestimmte Sondermöglichkeiten zum In- und Export besitzt wie auch man natürlich darüber nachdenken kann, ob es wirklich so toll ist, wenn ich in ganz Europa nur eine Norm von Autos etc. kaufen kann. Oder um beim Beispiel GB zu bleiben: Wenn ich mir einen Anzug in der Saville Row kaufe, erwarte ich bestimmt keinen von der Stange.



    Ich bezweifle zwar sehr, sehr starkt, dass die britischen Brexit-Befürworter eine Abkehr von den Normierungen, die Kapitalismusbedingt erfolgen, aber es gäbe durchaus die Möglichkeit anstelle von Investitionen in Profitmaximierung durch Vereinheitlichungen auch in individuelle Produkte und damit verbundenen Produktionsmethoden zu investieren. Warum soll ich im Supermarkt Produkte kaufen, die vorher durch die halbe Welt geschifft wurden, wenn ich die auch beim Bauern ein paar Blocks weiter holen kann? Und das bezieht sich nicht nur auf Lebensmittel, sondern auch Holzprodukte und andere Sachen können statt mit Vereinheitlichungen auf den geringsten Kostenfaktor bezogen zum Beispiel auf die größte Nachhaltigkeit hin produziert werden.



    Der Profit ist dann natürlich gemindert, aber das wäre auch eine Form der Investition, wenn ich auf Profit verzichte, um dafür eben länger haltbare Produkte zu erwerben.

    • @Age Krüger:

      "... auch beim Bauern ein paar Blocks weiter ..."

      Eben deswegen ist es ja gut, wenn die Nordiren ihre Milch von den glücklichen Kühen von den EU-Nachbarn nebenan beziehen können. Ohne komplexe extra-Regeln für Jogurth oder Grenzkontrollen wegen Käse,

      • @Rudolf Fissner:

        Okay, grenznahe Gebiete sind aber Ausnahmen von der Regel. Bedenklicher ist es eben, wenn durch europaweite verpflichtende Ausschreibungen unnötiger Verkehr entsteht.

  • Mathematik kann manchmal so schön sein. Danke, Frau Herrmann. :-)

  • Wesentliche Vorteile durch einen größeren Binnenmarkt ergeben sich grundlegend erstmal aus komparativen Vorteilen (und Opportunitätskosten).

    Diese Regel "Die Produktion von Gütern wird umso billiger, je mehr Stück man herstellt" gilt längst nicht für jede Produktion (es gibt auch variable Kosten).

    -------

    "Der EU-Binnenmarkt stehe „nicht für Freihandel, sondern für Protektionismus auf europäischer Ebene“.

    Das ist aus volkswirtschaftlicher Sicht nun wirklich keine besonders kluge Aussage. Die Grenzen des EU Marktes nach außen machen den Freihandel im Innern doch nicht weniger wertvoll? Was soll aus dieser Aussage folgen? Freihandel nur dann wenn er den gesamten Globus umspannt?

  • "In der „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ hingegen explodierte der Handel, weil alle Großunternehmen die Skalenerträge nutzten und in den gemeinsamen Markt expandierten."

    Das führte aber auch dazu, dass der Einfluss von Großunternehmen stieg. Sie haben ihre Position gegenüber kleineren Produzenten verbessert...

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Die Macht von gewissen Konzernen hat wirklich bedrohliche Ausmaße angenommen und die Mittel des Klassenkampfs der von oben nach unten geführt wird, nimmt immer autokratischere Formen an.

      Das erstarken nationalistischer Betrebungen und die Rufe nach dem unkorrekten, politischen Führer der auf Verträge pfeift, hat neben anderen Faktoren wie dumpfe Fremdenfeindlichkeit und generelle Angst vor Veränderung sicherlich auch etwas mit der Machtlosigkeit zu tun, die sich bei etablierten Politik gegenüber Großkonzernen ständig aufs neue offenbart.

      Zahlt Ikea oder Google nun Steuern, hält sich Facebook nun an den Datenschutz, weil die EU das fordert? Bringt die neue EU-Richtline zum Datenschutz eigentlich irgendwas ?

      Zb. hat Google das absolute Marktmonopol und baut seine Macht weiter aus. 4.3 Milliarden Strafe von der EU Komission wegen Missbrauchs der Marktmacht?-Erstmal locker Widerspruch einlegen und ansonsten die 4.3 Milliarden aus der Portokasse zahlen. Schläft Zuckerberg nun schlechter, weil die EU-Komission sagt, das ihre Geduld mit Facebook bald ein Ende hätte, weil dieser Konzern einfach weiterhin Nutzerdaten zu Werbezwecken verkauft? Kann ich mir nicht vorstellen. Über die Eu lacht man auch gerne in Ungarn, wo zwar viel EU-Geld hinfließt, aber Verträge trotzdem nicht eingehalten werden.

      Wie bekommt man einen Konzern wie google klein? Indem man es macht wie China. Google wollte nicht nicht das zensieren was die chinesische Regierung zensiert haben wollte, also wurden alle google Dienste kurzerhand gelöscht. Was macht Google nun?-Google kuscht und plant eine zensierte China-Version von Google, weil man sich diesen Markt dann doch nicht entgehen lassen will.

      Wer der Brexit, Neonationalismus oder Trump verstehen will, der muss sich nur die gepredigte "Alternativlosigkeit des Marktes" von Merkel, Blair, Cameron und dieser Politkergeneration zu Gemüte führen.



      Menschen hoffen auf einen starken Staat der sich die Regeln nicht von Konzernen dieser Art aufdrängen lässt.

      • @6474 (Profil gelöscht):

        1. „Wie bekommt man einen Konzern wie google klein? Indem man es macht wie China. Google wollte nicht nicht das zensieren was die chinesische Regierung zensiert haben wollte, also wurden alle google Dienste kurzerhand gelöscht. Was macht Google nun?-Google kuscht“

        Sie werfen der EU vor, dass sie bei Weitem demokratischer ist als China?

        2. „Menschen hoffen auf einen starken Staat der sich die Regeln nicht von Konzernen dieser Art aufdrängen lässt.“

        Wer hat beim Kräftemessen mit diesen Konzernen wohl die besseren Karten, die EU oder einzelne Nationalstaaten?

      • @6474 (Profil gelöscht):

        Und auf der anderen Seite greift man auch aus „linken“ Kreisen die EU an, weil diese die Rechte der „Kleinen“, sprich Urheberrechte gegenüber Google und Co stärken will.

        • 6G
          6474 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Anderes Thema.

        • @Rudolf Fissner:

          Dabei geht es eher um die Rechte alter Medienkonzerne gegenüber neuen Medienkonzernen. Und die EU lässt es sich nicht nehmen, durch die Hintertür Zensur einzuführen.

  • In diesem Artikel ist nicht alles falsch.



    Aber der folgende Satz schon:



    'Ein zentrales Phänomen im Kapitalismus sind die Skalenerträge: Die Produktion von Gütern wird umso billiger, je mehr Stück man herstellt. ' - Was bitte, haben Skalenerträge mit Kapitalismus zu tun ? - Antwort: gar nichts, - Arbeitsteilung ist seit Beginn der Menschheitsgeschichte ein Mittel zu Hebung der Produktivität. Das Ergebnis von Arbeitsteilung sind Skalenerträge. (Sowieso ist das Wörtchen 'Kapitalismus' immer ein Mittel, um Tiefgang vorzutäuschen, aber in Wirklichkeit auf der Oberfläche zu bleiben oder auf jede inhaltliche Aussage zu verzichten.)

    • @Christoph :

      Was bitte, haben Skalenerträge mit Kapitalismus zu tun ? - Antwort: gar nichts".

      Von vornherein nichts, aber wenn es im Verlauf von Handel um die Vorfinanzierung von Handels Volumina wie beim Auto-Export bzw Bananen Import geht, die in der Regel kreditfinanziert zumindest über Kontokorrent bei Banken vonstatten geht, ist der Kapitalismus notwendigerweise mit seinen Finanzprodukten ohnehin mit im Boot, dazu Versicherungen als Säule des Kapitalismus zur Kreditabsicherung, Sicherung gegen Währungsrisiken

    • @Christoph :

      Ihre Aussage wiederspricht sich.

      Zuerst sehen Sie Skaleneffekte nicht als ein zentrales Phänomen des Wirtschaften um dann die Arbeitteilung als ein Mittel zur Steigerung der Produktivität seit Erschaffung der Welt anzusehen.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Es gibt doch auch gute, leider oft ungehörte linke Argumente gegen die EU.

    Ich war mal ein größerer Anhänger der EU. Leider ist die EU undurchsichtig ohne Ende. Im Bundestag kann ich immerhin noch nachvollziehen welche Anhäger aus welchen Parteien für oder gegen ein Gesetz stimmen. Es gibt Namen und Gesichter. Es gibt politische Debatten über anstehende Gesetzesänderungen. All das sehe ich bei der EU nicht. Da hört man immer nur: " Das EU-Parlament hat beschlossen das..." Wenn es mir schon so geht, als halbwegs politisch gebildetem Menschen, wie geht es dann denen die weniger Zeit haben sich zu informieren?

    Klar wäre es von Vorteil, wenn die Naßrassierer eine Normgröße hätten und ich nicht alle 5 Monate das komplette neue Modell kaufen müsste. Könnte sich die EU ja mal darum kümmern.

    Zurück zum Ernst des Themas: Natürlich kann es nicht das Ziel sein, das Luxemburg nun anfängt seine eigenen Autos zu bauen. Zu teuer, zu aufwenig, zu ineffizient, also muss importiert werden. Aber:

    " Wer will Autos nur für eine Insel bauen?"

    ^^Und warum kein Autos "nur" für eine 66 Millionen Einwohner Insel bauen? War das mal nicht genau so? Ein paar Rohstoffe wurden importiert und dann wurden deutsche Autos in Wolfsburg und Stuttgart, amerikanische Autos in Detroit und britische Autos in GB gebaut. Arbeitsplätze gab es vor Ort, Steuern wurden vor Ort gezahlt usw.

    Weder setzt sich Qualität auf dem Markt generell durch, noch gibt es sonst wirklich nachvollziehbare Argumente fürs einfache Volk, warum ein britsches Auto einen japanischen Motor braucht.

    Menschen sollen sich frei bewegen können. Dagegen sollten Waren meiner Meinung nach den schnellsten, fairsten, und umweltfreundlichsten Weg gehen MÜSSEN.

    Wenn deutsche Äpfel in Russland landen, aber wir im Supermarkt in Hamburg (unweit des größten Apfelanbaugebiets Deutschlands) nurnoch Äpfel aus Spanienund Neuseeland kaufen können; dann läuft was schief! Dazu muss man kein VWL studiert haben.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Es geht nicht nur um Skalenerträge. Die EU lebt und lebt gut davon, dass man sich auf gemeinsame Standards geeinigt hat. Wenn man für jedes der 27 EU-Länder eine eigene Variante anbieten muss, ein gesondertes Zulassungsverfahren zu durchlaufen hat und 27 Gesetzgebung auf Veränderungen im Auge behalten muss, macht das die Sache für keinen Produzenten leichter. Regierungen können zugunsten der heimischen Anbieter den Marktzugang erschweren und den Handel dadurch einschränken. Auch das ist für den Verbraucher mit hohen Kosten verbunden. Den höheren Kosten stehen eben keine höheren Einnahmen gegenüber. Wenn man Märkte abschottet leidet die Wettbewerbsfähigkeit. Der Kurs der heimischen Währung gibt nach. Importe und Importkomponenten werden teurer. Das einzige was dadurch billiger wird ist die in den Löhnen enthaltene Arbeit - aus der Sicht des Auslandes. Für den Arbeitnehmer schafft dies keine Vorteile. Mir wird es immer ein Rätsel bleiben, was die Menschen eigentlich geritten hat, die auf die Schnapsidee mit dem Brexit kamen.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Ihnen scheint nicht ganz klar zu sein, was bereits die Entwicklung eines neuen Motors kostet, der mit den geltenden oder zukünftigen Abgasnormen korrespondiert. Die Kosten liegen bei mehreren Milliarden. Das sind Kosten, die auch große Hersteller nicht im Vorbeigehen schultern, zumal immer noch ungewiss ist, wie gut der Motor letztendlich ankommt. Entwicklung ist zu einem hohen Grad auch ein Lotteriespiel. Und diese Lose sind teuer, sehr teuer. Frau Herrmann hat daher absolut Recht, wenn sie von steigenden Skalenerträgen in diesem Zusammenhang spricht.

      Äpfel aus Spanien? Spielen bei uns keine sonderlich Rolle. Hängt mit dem Klima in Spanien zusammen. Apfelbäume mögen es nicht zu heiss und trocken.

      Was den Neuseelandapfel anbelangt. Die Umweltbilanzen gibt es längst. Der deutsche Apfel der erst ein halbes Jahr eingelagert werden muss, wenn er im Frühjahr oder Frühsommer des nächsten Jahres auf den Markt kommt, hat nicht geringe Energiekosten für die Einlagerung. Neuseeland liegt auf der Südhalbkugel und wenn dort Ernte ist, ist bei uns kein frischer Apfel zu bekommen, sondern nur Lagerware.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Das mit den Autos hört sich sehr gut an. Nur: Wie Sie selber schreiben, müssen dafür eben Rohstoffe importiert werden.



      Und da ist das Problem. Die meisten Industrieländer verfügen nicht über ausreichend Rohstoffe, die sie benötigen für ihre Bevölkerung, also müssen sie etwas produzieren, was sie den Ländern mit Rohstoffen anbieten können.



      Und da setzt der Kapitalismus ein:



      Wenn die BRD Öl braucht und Saudi-Arabien Waffen, dann muss die BRD eben Waffen produzieren und exportieren. Wir können auch bei den Autos bleiben. Wenn von mir aus Schweden Autos braucht und die BRD brauchen schwedisches Erz, dann kann das die BRD nur dann erhalten, wenn die Schweden auch die deutschen Autos kaufen. Wenn aufgrund Rationalisierungen die Franzosen die Autos günstiger anbieten, kauft Schweden dort und die Franzosen können schwedisches Erz kaufen und die BRD geht leer aus.



      Wären Schweden, Frankreich und die BRD sozialistische, solidarische Länder untereinander, wäre dies weniger ein Problem.

      • @Age Krüger:

        Ihr "Wenn-Fall" hat mit der Realität wenig zu tun. Fransosen wie Deutsche verkaufen Autos an Schweden und beide erhalten schwedisches Erz und kaufen ebenfalls Autos aus Schweden. Ist das jetzt also schon der Sozialismus? ;-)

    • @6474 (Profil gelöscht):

      das mit den Äpfeln kann man imho nur lösen wenn man Transport das kosten lässt was er kosten müsste, also gescheite Löhne für die Fahrer, gute Pausen und Rastmöglichkeiten, und natürlich die Umweltkosten.

      Da könnte man schon mal im Land anfangen. Warum gab es in Freising im Supermarkt Eier aus Berlin? und dort mit Sicherheit Milch und Bier aus Weihenstephan... braucht kein Mensch. Auch muss man Parmaschinken nicht über die Alpen wuchten. den kann man genauso gut auch in Brandenburg herstellen

      • @danny schneider:

        Auch wenn Sie Parmaschinken in Deutschland herstellen dürften, er würde nicht nach Parmaschinken schmecken, da das regionale Mikroklima in Parma den besondern Geschmack verursacht.

      • @danny schneider:

        Kann man nicht. 'Parmaschinken' ist eine (dank der EU) geschützte geografische Ursprungsbezeichnung.



        ;)

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @danny schneider:

        Meine Rede

        • @6474 (Profil gelöscht):

          Stimme Ihnen beiden uneingeschränkt zu. Das müsste doch auch über Steuern zu machen sein?



          Zone A: 50 km



          Zone B: 250 km



          Zone C: national



          Zone D: kontinental (oder eben EU)



          Zone E: horizontal (pardon! interkontinental)

          Man müsste es eben "Förderung des regionalen Verbrauchs" nennen - nicht Proktektionismus. Sonst hat sowas keine Chance ;-)

  • „Sie werden im Binnenmarkt bleiben, es nur anders nennen.“

    Einspruch - sie werden eben wohl nicht im europäischen Binnenmarkt bleiben, aber sie werden selbstverständlich den europäischen Markt weiterhin brauchen, um wirtschaftlich erfolgreich sein zu können. Das ist etwas ganz anderes und die Frage, ob und wie sich das praktisch einrichten lässt, wird erst jetzt - viel zu spät - gestellt und muss bis auf Weiteres auch noch völlig offen bleiben. Da wird man noch richtig dicke Bretter bohren müssen und das Gejammer wird groß werden.



    Nur ein kleines Beispiel: Im europäischen Binnenmarkt wird die Umsatzbesteuerung durch den Tatbestand der „Innergemeinschaftlichen Umsätze“ einheitlich geregelt. Fällt GB aus dem Binnenmarkt werden aus „Innergemeinschaftlichen Umsätzen“ Einfuhren und Ausfuhren - mit allen organisatorischen und finanziellen Nachteilen, die das gewöhnlich für die Unternehmen so mit sich bringt.

    • @Rainer B.:

      Sie werden den europäischen Markt weiter brauchen, aber nicht mehr involviert sein bei der Festsetzung von Binnenmarkts-Normen. Es gibt keinen europäischen Markt ohne dem, was den Binnenmarkt ausmacht.

    • @Rainer B.:

      Ich meine die Autorin hätte das gut dargestellt und das geschrieben, was sie meint...

      Allerdings:



      "Der EU-Binnenmarkt stehe „nicht für Freihandel, sondern für Protektionismus auf europäischer Ebene“."



      Das ist wohl auch so. Das die Autorin über diese Aussage so kritisch.distanziert berichtet, kann ich mir nur dadurch erklären, die sei beim Verfassen des Textes nicht an z.B. afrikanische Staaten gedacht hat, die gerne mehr Produkte nach Europa absetzen würden - genau dies aber eben nicht dürfen - wegen des EU-Protektionismus.

      • @MontNimba:

        Auch wenn es keine Zölle und Quoten gibt müssen landwirtschaftliche Produkte bestimmte Anforderungen erfüllen, wenn sie hier auf den Markt kommen. Es sind dieselben Regeln die für das Inverkehrbringen innerhalb der EU gelten.

      • @MontNimba:

        Naja, für fast alle afrikanischen Staaten (insgesamt 48) sind alle Zoll- und Quotenbeschränkungen gefallen. Teile der EU-Landwirtschaft produzieren durch die Subventionen günstig. Dies wird durch günstigere Lohn- und Energiekosten in Afrika weitgehend ausgeglichen.

        Was den Zugang für Importe wirklich beschränkt, sind die hohen europäischen Standards und Nachweispflichten. Die Frage ist, ob wir diese wirklich senken wollen?