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Debatte Air-Berlin-PleiteLufthansa verstaatlichen!

Kommentar von Gunnar Hinck

Die Monopolgewinne der ehemals staatlichen Fluggesellschaft fließen in private Kassen. Die Allgemeinheit sollte daran beteiligt werden.

Bye bye, Air Berlin! Foto: dpa

F ür den weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock läuft es in Deutschland gerade bestens. Air Berlin ist pleite, und die Deutsche Post AG erwartet dieses Jahr einen Gewinn von 3,7 Milliarden Euro. Der New Yorker Großinvestor, der das Geld von reichen Privatpersonen und Pensionsfonds in aller Welt einsammelt und global möglichst gewinnbringend anlegt, ist zweitgrößter Einzelaktionär bei der Post und größter Anteilseigner der Lufthansa. Die deutsche Fluggesellschaft befindet sich derzeit im Glück: Durch den Wegfall der Konkurrenz kann sie Marktanteile ausbauen, was die Gewinne in neue Höhen hinaufschraubt.

Auf der anderen Seite häufen sich bei der Post derzeit Berichte über verspätete Zustellungen und schlechte Arbeitsbedingungen. Verbraucherschützer melden kräftig steigende Preise bei der Lufthansa, Lokalzeitungen berichten von enttäuschten Schülern, die ihre Klassenfahrt nicht antreten können, weil ihre Air-Berlin-Tickets verfallen sind. Von der Arbeitslosigkeit bedrohte Air-Berlin-Mitarbeiter hoffen, wenigstens von einer Transfergesellschaft aufgefangen zu werden.

Das Schicksal der Kunden und besonders der Mitarbeiter ist beklagenswert, es gehört aber zur Wirtschaftsform namens Kapitalismus. Der kennt bekanntlich mit Gewinnern und Verlierern immer zwei Seiten. Die Zustände bei der Post und der Höhenflug der Lufthansa zeigen, dass die liberale Marktideologie in diesen Branchen an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert ist.

In der schönen Theorie herrscht ein funktionierender Wettbewerb zwischen verschiedenen Marktteilnehmern, die durch möglichst gute Dienstleistungen und faire Preise um Kunden buhlen. Echter Wettbewerb funktioniert allerdings nicht in diesen Branchen, die Volkswirte natürliche Monopole nennen. Luftverkehr und ein flächendeckender Postdienst sind dermaßen aufwendig und teuer, dass sich am Ende nur wenige durchsetzen oder sich auf bestimmte Marktsegmente konzentrieren – so wie zum Beispiel im Billigfluggeschäft.

Patronage und Postenklüngelei

Der Wettbewerb im Paketgeschäft mit der Posttochter DHL, Hermes, UPS und Co. funktioniert nur scheinbar: Der Konkurrenzdruck wird über Lohndumping und Subunternehmer auf die Beschäftigen abgewälzt, Produktionskosten werden an die Allgemeinheit ausgelagert, indem öffentliche Straßen stillschweigend für rollende Warenlager missbraucht werden, etwa wenn die Paket­autos wie selbstverständlich die Straßen zuparken.

Alle, die über 40 Jahre alt sind, erinnern sich an eine Zeit, als Lufthansa und Post noch Staatsbetriebe waren. Bei beiden hatte der Staatsbesitz historische Gründe. Bei der Post kam die Idee hinzu, dass sie eine Dienstleistung ist, die für jeden zugänglich sein soll und daher vom Staat bereitgestellt werden muss. Dann setzte eine Privatisierungswelle ein, die auch andere Branchen wie die Wohnungswirtschaft mitriss.

1997 verkaufte die Regierung Kohl den letzten staatlichen Anteil von rund einem Drittel an der Lufthansa. Die rot-grüne Bundesregierung brachte die Post mehrheitlich an die Börse. Damit sollten Haushaltslöcher gestopft werden, die Rot-Grün durch Steuersenkungen selbst herbei­geführt hatte. Dazu kam der allgemeine neoliberale Zeitgeist, der „privat“ den Vorrang vor „Staat“ gab.

Allerdings hatten sich die Staatsbetriebe zum Teil auch selbst diskreditiert. Ihre Behördenstruktur machte sie unflexibel gegenüber den Bedürfnissen der Kunden; diese behandelten sie eher als lästige Bittsteller. Zudem machten die verantwortlichen Politiker den Fehler, den sie überall auf der Welt machen, wenn sie Zugriff auf Unternehmen haben: Sie missbrauchten die Staatsbetriebe für Patronage und Postenklüngelei. So waren es nicht nur Neoliberale, die die Privatisierungen durchaus als Fortschritt begrüßten.

Infrastruktur zurückholen

Der Haken ist: Durch die Privatisierung wurden staatliche Monopole lediglich durch private Monopole oder Oligopole – also einen Kreis von wenigen Anbietern – ersetzt. Monopolgewinne fließen heute nicht in die öffentlichen Haushalte, sondern an private Investoren wie eben Blackrock. Politiker empören sich regelmäßig über die zunehmende globale Ungleichheit. Dass sie mit der Privatisierung von Staatsunternehmen dazu beigetragen haben, verschweigen sie lieber. Jede Arbeitsverdichtung und jede Outsourcingmaßnahme der ehemaligen Staatsbetriebe dient dem Gewinninteresse der globalen Share­holder und treibt die Einkommensschere zwischen Beschäftigten und Kapitaleignern weiter auseinander.

Was tun? Eine Sofortmaßnahme wäre, dass der Staat wieder bei der Lufthansa einsteigt und seinen Anteil bei der Post, der noch bei 20 Prozent liegt, aufstockt.

Das Beispiel der Bahn zeigt, dass man auch einen Staatsbetrieb zum Positiven reformieren kann

Im Aktienrecht sind 25 Prozent eine wichtige Schwelle. Wer über der sogenannten Sperrminorität liegt, hat bedeutende Rechte in einem Unternehmen. Bei der Lufthansa könnte der Staat als Anteilseigner auf Monopolstrecken für faire Preise sorgen und bei der Post für bessere Arbeitsbedingungen. Das würde den Gewinn schmälern – aber es ist legitim, wenn der Staat als Eigentümer neben der Gewinnorientierung noch weitere Ziele verfolgt.

Der Begriff „Verstaatlichung“ hat zweifellos den muffigen Geruch der 70er Jahre. Die Deutsche Bahn zeigt, dass es anders gehen kann. Die Bahn ist selbstverständlich nicht perfekt, aber sie hat nur noch wenig mit der Behörden-Bahn der Vergangenheit zu tun. Die Bahn ist als Aktiengesellschaft privatrechtlich aufgestellt, gehört aber zu 100 Prozent dem Staat. Gewinne muss die Bahn an den Staat – also die Allgemeinheit – abführen oder wieder investieren. Das Beispiel Bahn zeigt, dass man einen Staatsbetrieb zum Positiven reformieren kann, indem man die Organisationsform ändert, ohne die Besitzverhältnisse anzutasten.

„Hol dir die Stadt zurück“ nannten die Berliner Grünen ihre Kampagne zur Schließung des Berliner Flughafens Tegel. Mit Blick auf Lufthansa und Post muss es abgewandelt heißen: Hol dir die Infrastruktur zurück.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Fährt denn der Autor regelmäßig mit der Bahn? Anscheinend nicht, denn ansonsten würde er nicht so etwas schreiben. Service und Pünktlichkeit sind unterirdisch, die Preise unverschämt. Wer regelmäßig ins Ausland mit der Bahn fährt weiß, das es viel besser geht. Wenn ich Tickets nach Paris buche, fahre ich nur noch mit dem TGV der SNCF, Verbindungen mit der Deutschen Bahn werden konsequent gemieden. SNCF, ÖBB oder SBB sind ebenfalls in Staatsbesitz und erfolgreich, aber die Bahn ist ein Paradebeispiel, wie man es nicht machen sollte. Es gibt ja Gründe, warum die Bahn mehr als die Hälfte der Ausschreibung für den ÖPNV verliert, Stuttgart, Nürnberg und Rhein-Ruhr-Express um mal ein paar Beispiele zu nennen. In Stuttgart fährt die S-Bahn dann für die Hälfte des aktuellen Kilometerpreises der Bahn!

  • Fliegen aus den meisten Gründen ist derart sinnlos und klimaschädlich (außerdem laut und landverbrauchend) das es generell abgeschafft gehört.

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Zugegeben, es ist schon ein wenig schwierig, die ganze Welt im Blick zu behalten. Und dass eine Fluggesellschaft ein "global player" sein könnte, ist ja schwierig zu verstehen.

    Da reduziert man sich doch gerne auf die Kuschelzeit von vor 40 Jahren, als alles noch so angenehm deutsch war.

     

    Drei Buchstaben beweisen, wie klasse der Staat derartige Unternehmungen managt: BER.

    Allerdings bestünde ein entscheidender Vorteil einer "Verstaatlichung" vor allem darin, dass die Flugtickets wieder so teuer werden, dass sie nur für eine kleine Minderheit erschwinglich sind.

     

    Ergo, weniger Flüge, das ist sicher gut für die Umwelt.

    Aber warum sagt der Autor das nicht gerade heraus, wenn dies das Ziel ist?

  • In einem Gefüge aus vielen privaten Fluggesellschaften macht es wenig Sinn, eine Fluglinie wieder zu verstaatlichen. Was aber durchaus geht ist eine staatliche Regulierung. Die Lufthansa verlangt Geld dafür, wenn jemand einen Teil eines Tickets nicht fliegt. Das ließe sich gesetzlich leicht unterbinden. Ebenfalls ließe es sich unterbinden auf Monopolstrecken Märchenpreise zu verlangen, die leider nur für die Lufthansa märchenhaft sind. Doch die Politik spielt der Lufthansa die Bälle zu. Da wird für viel Geld das Erbe von Air Berlin am Laufen gehalten, damit die Lufthansa bestmöglich davon profitiert. Gleichzeitig werden aber die Tickets nicht entschädigt. Der Bund hätte dies leicht zur Bedingung für seinen Kredit machen können - wollte es aber nicht, da Parteispenden andere Interessen vorgeben.

    • @Velofisch:

      Jetzt mal ohne rosarote "Der Staat ist ja so wirtschaftlich kompetent und selbstlos"-Brille: Glauben Sie im Ernst, dass unser lieber Fiskus freiwillig irgendwelche Preisbremsen einführen würde, die dann seinen eigenen Gewinn schmälern?

       

      Außer natürlich auf der Bundesbeamten-Rennstrecke Köln/Bonn-Berlin kann ich mir das eigentlich nicht vorstellen. Es wäre jedenfalls eine Premiere.

       

      Was die Geschichte mit den verfallenen Tickets betrifft, das wäre schlicht illegal gewesen. Die geprellten Fluggäste sind zu behandeln wie andere geprellte Insolvenzgläubiger auch. So steht es nunmal im Gesetz. Davon abgesehen WURDEN meines Wissens von den Millionen sogar zu erheblichen Teilen Flüge bezahlt, in denen (auch) Reisende mit vor der Pleite bezahlten Tickets saßen. Weiter konnte der Staat nicht gehen.

    • @Velofisch:

      Lol.

      Was spricht dagegen die Lufthansa zu verstaatlichen UND die vielen privaten Fluglininen stärker zu regulieren ?

       

      Wenn die private Konkurrenz erst einmal verdrängt ist kann der Staat die Monopolgewinne einstreichen !

  • Sehr geehrter Herr Hinck, bitte setzen Sie sich ein wenig mit unserer Verfassung auseinander. Ihrem Artikel ist leider nicht zu entnehmen, wie Ihre Forderung umgesetzt werden sollte.

  • Der Staat ist notwendig für die Rahmenbedingungen des Wettbewerbes aber als Unternehmer hat er in der Regel versagt. Verstaatlichung ist grober Unfug.

    Die auseinander driftende Schere zwischen Arm und Reich oder sagen wir Beschäftigten und Anteilseignern finde ich auch sehr bedenklich.

    Man sollte die Beschäftigten direkt mit Anteilen am Gewinn und dem Entscheidungsprozess beteiligen. Das Modell bei "DER SPIEGEL" ist vielleicht nicht perfekt aber es geht in die richtige Richtung.

    • @FrankUnderwood:

      Oder EDEKA, oder Raiffeisen. Wobei Staatsbeteiligung per se kein grober Unfug ist, sondern nur ideologisch angefeindet vom Marktradikalismus. VW ist ja (bis Diesel) gut damit gefahren.

      • @El-ahrairah:

        Verstaatlichung bedeutet privates Eigentum jemandem wegzunehmen.

         

        Eine Staatsbeteiligung bedeutet, dass der Staat z.B. ein Aktionär unter vielen Aktionären einer AG ist.

        Das Beispiel VW zeigt das Versagen des gesamten Aufsichtsrates. Aber unabhängig von dieser Staatsbeteiligung gab es schon vorher ausreichend Berichte über große Verbrauchsabweichungen, die unser Verkehrsminister hätte verfolgen müssen (Dobrindt raus!).

  • 9G
    95309 (Profil gelöscht)

    Da muss ich nochmal einen draufsetzen;

     

    >>Lokalzeitungen berichten von enttäuschten Schülern, die ihre Klassenfahrt nicht antreten können, weil ihre Air-Berlin-Tickets verfallen sind.

  • 9G
    95309 (Profil gelöscht)

    Bitte, Bitte wieder verstaatlichen!!!! Dann gehen die Pensionen wieder rauf auf 60% des letzen Gehaltes, die Flugstunden pro Monat werden runtergehen aber die freien Tage dafür rauf. Die Angestellten werden sich freuen wieder in den Öffentliche Dienst zu kommen.

     

    Als CEO schlage ich Herrn Wowereit oder Herrn Platzeck vor. Alles ausgebuffte Profis mit Erfahrung im Luftfahrt Geschäft. Die werden der Allgemeinheit bestimmt satte Gewinne ermöglichen.

     

    Danke für den Support!!!