Arbeitskampf bei der Lufthansa: Ein richtiger Streik

Das Lufthansa-Personal hat wegen der Coronakrise bereits viel Verzicht geleistet. Der Streik ist besonders für die Nied­rig­ver­die­ne­r*in­nen nötig.

Pappschild in Form eines Bierdeckels "Ich bin Ready for MEHR GELD"

Pappschild mit klarer Botschaft: Streikender am Frankfurter Flughafen Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Als wäre das Chaos an den Flughäfen nicht ohnehin groß genug: Erst warnstreikt Mitte vergangener Woche das Bodenpersonal, nun drohen auch noch die Pi­lo­t:in­nen der Lufthansa mit Arbeitsniederlegung. Und das in der Hauptreisezeit. „Egoistisch“, „maßlos“, „verantwortungslos“ und „unverschämt“ sei das, rauscht es durch die Kommentarspalten der Republik. Mal wieder.

Ob es um einen Flug-, einen Bahn- oder einen Kita-Streik geht: Es ist immer das gleiche große Klagen. Das Verständnis für Arbeitskämpfende endet schnell da, wo man selbst davon betroffen ist.

Sicherlich, in Deutschland mag man am liebsten Arbeitskämpfe wie den bei Amazon, mit dem Verdi seit 9 Jahren vergeblich versucht, den Onlinekonzern zum Abschluss eines Tarifvertrags zu bewegen. Streiken ist aber nicht nur dann ein Grundrecht, wenn das Päckchen trotzdem pünktlich kommt. Tatsächlich war demgegenüber der Verdi-Warnstreik bei der Lufthansa von Mittwoch- bis Donnerstagmorgen höchst effektiv: Von den mehr als 1.000 Flugausfällen waren rund 134.000 Pas­sa­gie­r:innen betroffen.

Selbstverständlich ist das für Sitzengebliebene sehr ärgerlich. Allerdings gilt das auch für die inzwischen weit mehr als 5.000 Flüge, die die Lufthansa von sich aus im Juli und August wegen Personalmangels streicht. Verdi wirft der Kranich-Linie zu Recht Missmanagement auf Kosten von Fluggästen und Beschäftigten vor.

Verzicht auf Lohnerhöhungen, Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgelds, keine vollständige Aufstockung des Kurzarbeitergelds, Verringerung des Arbeitsgeberanteils zur betrieblichen Altersvorsorge: In den Coronajahren 2020 und 2021 haben die Lufthansa-Beschäftigten einen erheblichen Anteil zur Krisenbewältigung geleistet.

Spohrs Eingeständnis

Das reichte dem Management aber noch nicht. Es hat zudem noch massiv Personal abgebaut. Das rächt sich jetzt. Ende Juni hat sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr in einem Schrei­ben an die Belegschaft entschuldigt, dass es der Vorstand „an der ein oder anderen Stelle“ mit dem Sparen übertrieben habe. Die Führungsetage ist für das Flugchaos verantwortlich, nicht die Gewerkschaft.

Anders als bei den Pi­lo­t:in­nen handelt es sich beim Bodenpersonal nicht um Spit­zen­ver­die­ne­r:in­nen. Mit dem Warnstreik hat Verdi demonstriert, dass auch Beschäftigte mit einem geringen Einkommen einen enormen Wert für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs haben. Wenn das dazu führt, dass mit ihnen künftig besser umgegangen wird, dann hatte der Ausstand seine Berechtigung. Dass es bei Lufthansa-Gesellschaften derzeit immer noch Menschen gibt, die für einen Bruttostundenlohn von unter 12 Euro arbeiten müssen, also unter dem ab Oktober geltenden gesetzlichen Mindestlohn, ist empörend.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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