Deals der Letzten Generation mit Städten: Freie Fahrt gegen Stück Papier
Die Letzte Generation zeigt sich dialogfähig – und profitiert von der Legitimität ihrer Gesprächspartner:innen. Die bringt sie in eine Zwickmühle.
![Menschen hocken vor Autos, Polizist:innen stehen daneben, im Hintergrund die Alster Menschen hocken vor Autos, Polizist:innen stehen daneben, im Hintergrund die Alster](https://taz.de/picture/6141169/14/letzte-generation-kennedybruecke-hamburg-bodo-marks-dpa-1.jpeg)
D er Klimaprotest der Letzten Generation kommt gerade in eine heikle Phase: Die Geduld von Autofahrer:innen und Politik mit den „Klimaklebern“ scheint, falls sie je existiert hat, aufgebraucht.
In Hamburg haben wild gewordene Auto-Rambos vorige Woche versucht, festgeklebte Menschen von der Straße abzureißen. Die Polizei musste die Blockierer:innen schützen. In Bremen hat eine Frau gar einen Aktivisten angefahren und deswegen ihren Führerschein verloren.
Und aus der Politik häufen sich Verbalattacken auf die Aktivist:innen. Der Vorwurf der „Demokratieverachtung“ von Hannovers SPD ist einer der harmloseren. Für diese Stimmung ist offenbar auch die Justiz empfänglich: Diese Woche gab es erstmals mehrmonatige Haftstrafen wegen Straßenblockaden. Die persönlichen Kosten für die Aktivist:innen steigen also auf mehreren Ebenen.
Da ist es sehr clever, dass die Letzte Generation mit den Städten verhandelt. Je mehr Erfolg sie damit hat, desto spitzer kann sie ihre Aktions-Kapazitäten auf jene Städte fokussieren, die (noch) nicht zugestimmt haben – und damit den Druck auf sie erhöhen. Nebenbei würden die Aktivist:innen viele Monate Haft und Zigtausende Euro an Bußgeldern „einsparen“.
Vielleicht der Anfang einer Exit-Strategie
Am Ende könnte sogar eine Exit-Strategie aus einer Kampagne erwachsen, von der die Aktivist:innen immer wieder sagen, dass sie ihnen persönlich, physisch und emotional weh tut. Und die vom Autobahnzubringer leicht in die Sackgasse führen könnte.
Vor allem aber zeigt die Letzte Generation sich mit den Gesprächen dialogfähig, dekonstruiert so das kompromisslose Bild, das in der Öffentlichkeit von ihr gezeichnet wird – und übertreibt es damit fast. Denn was sie, zuerst von Hannovers grünem OB Belit Onay, bekommen haben, ist lediglich ein Stück Papier, eine wohlfeile Solidaritätsadresse. Aber keine konkreten Schritte hin zu den im Verhältnis zu ihren Aktionsformen ziemlich milden Forderungen: 9-Euro-Ticket, Tempolimit und ein Klima-Gesellschaftsrat. Aber mit niederschwelligen Angeboten sind Verwaltungschefs eben auch eher zu kriegen als mit Forderungen, die am Ende zulasten des Stadtsäckels gingen.
Der größte Erfolg ist, dass die Letzte Generation sich als Partnerin der verfassten Politik inszeniert. Ein wenig von der Legitimität der gewählten Stadtoberen färbt dabei auf die Aktivist:innen ab – und wirkt wie ein Gegengift zum Narrativ von den Antidemokrat:innen.
Ihre Gegenüber bringen sie in eine Zwickmühle: Wer stur bleibt, könnte schnell als mitschuldig am Dauerstau dastehen. Das kann kaum jemand so schwer aushalten wie die – zumal Hamburger – SPD mit ihrem stramm etatistischen Selbstverständnis. Kein Wunder, dass deren Bürgermeister Peter Tschentscher auf den Brief der Letzten Generation antwortet, indem er den Staatsschutz in Marsch setzt. Ein Papier ist eben nicht für alle nur ein Stück Papier.
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