(De-)Transition und Respekt: Die Veränderung
Ob Geschlechter- oder Gewichts(de)transition: Wir durchleben dabei radikale Veränderung – und Missverständnisse.
N eulich sprach ich mit Torrey Peters über ihren Roman „Detransition, Baby“. In einer regressiven Detransition-Debatte, geprägt von Moral Panic, Body Policing und Fehlinformationen, ist sie eine Stimme der Vernunft. Mit ihrem universalistischen Anspruch verhandelt sie Geschlechter(de)transitionen als das, was sie wirklich sind: Veränderungen. Wie ein Umzug oder eine Scheidung. Oder, wie ich selbst erlebe, eine Gewichtsabnahme.
Ich war immer dick, mal mehr, mal weniger. Obwohl die Maßregelung meines Essverhaltens mich seit dem Kindergarten begleitet, machte ich mit 11 meine erste Diät. Es folgten unzählige weitere. Das Verhältnis zu meinem Körper ist meine längste On-off-Beziehung. Während meine Pubertät von obsessivem Kalorienzählen bestimmt war, verbrachte ich meine Zwanziger damit, kontinuierlich zuzunehmen. Bis ich mich mit 28 entschied, es nicht mehr zu tun. Mein Körper veränderte sich von ziemlich dick zu etwas dick – dachte ich, bis die Realitätsschelle der Krankenkasse kam, die mich weiterhin als „adipös“ kategorisiert. Meine Top Surgery, wegen der ich abnahm, zahlte ich trotzdem selbst. Die Veränderung bleibt: Gewichtstechnisch bin ich gut ein Jahrzehnt detransitioniert.
Es gibt zahlreiche Parallelen zwischen einer Geschlechter- und einer Gewichts(de)transition: die pharmazeutischen bis operativen Katalysatoren, das Wechselverhältnis von gesellschaftlichem Druck, Überleben und Selbstbestimmung, die Auswirkungen auf mentale Gesundheit, die neuen Zugänge, die Kommentare und Blicke. Die größte Gemeinsamkeit dieser zwei dennoch unterschiedlichen Prozesse ist das Missverstandenwerden.
Obwohl Reue nur für Einzelne und nicht für die Mehrheit eine Motivation ist, wird dieses Gefühl als Hauptantrieb propagiert. Das ist falsch. Wie bei vielen transitionierten trans Personen ging es mir nicht darum, auf einmal schlank sein zu wollen, sondern mir das Leben leichter zu machen und dafür ein paar Schritte zurückzugehen. Es war pragmatisch: Ich hatte keine Lust, alle ein, zwei Jahre meine halbe Garderobe auszusortieren und immer schwerer an nice Mode zu kommen. Ich habe die in meinen Zwanzigern dazugewonnenen Kilos nicht bereut. Statt Zeit und Energie in Diäten zu setzen, widmete ich mich dem Schreiben. Es rettete mich.
Gravierender ist die Scham über das Abnehmen. Ich möchte dickenfeindlichen Hatern nicht vermitteln, sie hätten mit ihrer Hetze gewonnen. Ich möchte nicht, dass andere dicke Menschen denken, ich hintergehe sie mit meiner Entscheidung. Ich möchte nicht hören, dass ich meinen einst „ruinierten“ Körper nun „geheilt“ hätte.
Dieses Gefühl teile ich nicht nur mit (de)trans Personen, sondern mit fast allen, die eine radikale Veränderung durchgemacht und vielleicht rückgängig gemacht haben. Deshalb braucht es in der Debatte um Detransition Empathie und Respekt statt Instrumentalisierung und Beschämung.
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