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Das Ende des Klinik-AtlasWeniger Wissen für Patient*innen, mehr Macht für Lobbys

Manuela Heim
Kommentar von Manuela Heim

Vom Stopp des Klinik-Atlas profitieren nur die Lobbys. Transparente Infos über Krankenhäuser bleiben Betroffenen damit vorenthalten – ein No-Go.

Aus für den Klinik-Atlas: Damit konnten sich Patienten über die Behandlungsqualität von Kliniken informieren Foto: Karsten Thielker

E s ist ein fatales Signal, und zwar für den gesamten Reformprozess im Gesundheitssystem: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will den Klinik-Atlas killen. Damit sollten Pa­ti­en­t*in­nen ein wahrhaftiges Bild über die Qualität von Krankenhausbehandlungen bekommen. Die jetzt diskutierte Alternative ist ein Witz.

Warkens Vorgänger, Karl Lauterbach (SPD), hatte den Klinik-Atlas gegen erbitterten Widerstand der Kliniklobby und deren verlängerten Arm in den Landesregierungen eingeführt. In einer öffentlich zugänglichen Plattform sollten darin Parameter wie Häufigkeit und Komplikationsraten bei spezifischen Behandlungen erfasst werden.

Hintergrund ist das zumindest in der Fachwelt bereits angekommene Wissen, dass die Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern massiv schwankt. Weil nämlich komplexe Eingriffe teils in Kliniken durchgeführt werden, die diese nur wenige Male im Jahr durchführen.

Mit dem Wissen darüber hätten Pa­ti­en­t*in­nen und deren Angehörige nicht nur informierte Entscheidungen treffen können, wo sie sich behandeln lassen. Eine solche Transparenz ist, das zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern, auch die Grundlage für die Einsicht in die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen.

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Wahr ist auch: Dieser Klinik-Atlas wurde von Anfang an so torpediert, dass er seine geplante Wirkung nie entfalten konnte und zuletzt auf eine wenig eindrückliche Miniversion zusammenschrumpelte. Insofern würde die Gesundheitsministerin diesem im Grunde so notwendigen Projekt nur den letzten Stoß versetzen.

Die Klinik-Lobby jedenfalls frohlockt und bietet, wie schon bei der Einführung des Klinik-Atlas, ihr eigenes Online-Verzeichnis feil. Die Krankenhäuser selbst sollen wahrhaftig über die Qualität in ihren Häusern informieren? Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen, um die Tragweite des Verlusts eines Lobby-unabhängigen Portals zu begreifen.

Für den Reformprozess im Gesundheitswesen ist das kein gutes Zeichen. Weitere Pläne für eine Aufweichung der Krankenhausreform hat Warken jedenfalls schon angekündigt.

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Manuela Heim
Gesundheit und Soziales
Redakteurin in der Inlandsredaktion, schreibt über Gesundheitsthemen und soziale (Un-) Gerechtigkeit.
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6 Kommentare

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  • "Damit sollten Pa­ti­en­t*in­nen ein wahrhaftiges Bild über die Qualität von Krankenhausbehandlungen bekommen."



    Eine eher fromme Hoffnung, denke ich.



    Meldungen zu Verdachtsanzeigen an Berufsgenossenschaften oder zu unerwünschten Wirkungen von Arzneimitteln lassen schließlich auch oft "zu wünschen übrig", die Zahl der Komplikationen, die mangels Recherche nicht geklärt werden ist eine Dunkelziffer unter vielen in der Black Box.



    Qualität wird bei vielen Patient*innen eher mit empathischer Ansprache oder vernünftigem Essen assoziiert.



    Qualitätsberichte enthalten viele Zahlen, das ist nicht allen wirklich transparent.



    Texte in Jurist*innendeutsch sind nicht weniger anstrengend oder gar ermüdend.



    www.bundesgesundhe...sgesetz-khvvg.html



    Im "Volksmund" gibt es über manche Krankenhäuser auch "Berichte", nicht repräsentativ aber bisweilen unterhaltsam, meist mit Titulieren der Adressaten.

    • @Martin Rees:

      Ein Beispiel aus dem Netz:



      "Es kann nach folgenden Parametern gesucht werden:



      Postleitzahl, Ort, Name des Krankenhauses bzw. des Krankenhausstandorts, IK-Nummer, Standortnummer



      Bitte beachten Sie, dass die Qualitätsberichtsdaten für die Berichtsjahre 2019, 2020, 2021 und 2022 in Folge der Covid-19-Pandemie nicht vollständig, und damit für Vorjahresvergleiche nur eingeschränkt nutzbar sind."



      Quelle qb-referenzdatenbank.g-ba.de



      Messbar ist vieles, vor allem an Patient*innen physiologische Parameter, beispielsweise die Verbesserung der Herzfunktion oder der Gehstrecke. Psychiatrie erscheint mir als Herausforderung schon schwieriger.



      Langfristige und kurzfristige Erfolge sind auch zwei Paar Schuhe.



      Schlecht für das (noch) engagierte Management sind noch mehr nicht oder schwer zugängliche oder aussageschwache "Datenfriedhöfe".

  • Schön, dass bei diesem Artikel die Kommentarfunktion geöffnet ist. Es geht um ein Thema, das jeden und alle lebenslang betrifft. Wir haben ja keine ganz brillanten Gesundheitsergebnisse, einer der Gründe ist die Orientierung. Deswegen sollte man, was dazu beiträgt modifzieren statt eradizieren, Evolution statt Revolution, auch wenn´s von der politischen Konkurrenz kam. Das ist wirksamer und wirkt politisch souveräner. Was mich wundert ist, dass der Klinik - Atlas eigentlich Projekt der Selbstverwaltungen sein müsste, aber nicht geworden ist. - Was gegen die Natur ist, hat auf Dauer eh keinen Bestand (DARWIN).

  • Zur Einordnung sollte man aber auch folgende sagen. Die Stiftung Patientenschutz hat sich auch eindeutig für eine Einstellung des Klinikatlasses ausgesprochen, da die Datenerhebung dafür völlig ungenügend und der Atlas damit wertlos sei und nur unnötig Geld verbrenne. Die Stiftung Patientenschutz steht jetzt nicht gerade im Verdacht der Kliniklobby besonders nahezustehen.

    • @Chaos-NRW:

      Die Verbraucherzentralen haben vor der Einstellung gewarnt:



      www.tagesschau.de/...eaktionen-100.html

      Das Aktionsbündnis Patientensicherheit soll sich auch kritisch geäußert haben. Allerdings steht das APS unter der Schirmherrschaft der aktuellen BMG.

      "Deswegen wäre es besser den Klinik-Atlas "gleich zu beerdigen". Brysch (GF Deutsche Stiftung Patientenschutz) betonte, mit dem Klinikverzeichnis der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) gebe es ein Instrument, das deutlich besser sei. "



      steht bei:



      www.mdr.de/nachric...is-reform-100.html

      Wenn er sich so geäußert hat ist das bei einem Geunsdheitsthema eine ziemlich unpassende Formulierung, abgesehen vom Interessenkonflikt (DKG).

      Die Versicherten sind nicht in irgendwelchen Organisationen gut aufgehoben sondern in der Selbstverwaltung. Ihre Vertreter müssen sich dort um das gute Anliegen kümmern, denn dort haben sie etwas zu bestimmen. Von dieser Seite habe ich noch nicht viel dazu gehört. Deswegen wird von allen Seiten in das Vakuum hineingeredet, das die eigentlich Zuständigen nicht ausfüllen.

  • Eine Regierung, die sich aus vielen Ultra-Lobbyisten zusammensetzt, die kann und will gar nicht anders handeln. Die Bemühungen um das Klima - weg damit, die Bemühungen um Transparenz im Krankenhauswesen - weg damit, die Bemühungen um eine faire Besteuerung - Teufelszeug usw. usw. Der Cheflobbyist hat es klar und deutlich formuliert: "Wenn es der Wirtschaft nicht schadet, dann kann man das machen." Auf den Punkt gebracht heisst das: Profit ist alles - etwas anderes ist unwichtig. Aber sie haben ja alle den Meideid geschworen: "Zum Wohle des deutschen Volkes...."