Dachgesetz zu kritischer Infrastruktur: Unternehmen sollen sich besser schützen
Schon lange wird gedrängt, kritische Infrastruktur besser zu schützen. Nun beschließt die Ampel hierzu ein Dachgesetz. Doch Kritik bleibt.
![Züge vor der Skyline von Frankfurt. Züge vor der Skyline von Frankfurt.](https://taz.de/picture/7338747/14/369605821-1.jpeg)
Mit dem Gesetz wird eine EU-Richtlinie umgesetzt. Künftig werden bestimmten deutschen Unternehmen erstmals Auflagen für den physischen Schutz kritischer Infrastrukturen erteilt – für die IT-Sicherheit gibt es diese bereits. Die Betreiber sollen nun zu Mindeststandards verpflichtet werden und Resilienzpläne vorlegen. Das kann Objektschutz sein, eine Notstromversorgung, die Einrichtung von Notfallteams oder im Bereich Hochwasserschutz der Einbau von Dichtungen. Dazu kommen Maßnahmen, um nach einem Vorfall die Arbeitsfähigkeit zügig wiederherstellen zu können. Diese Maßnahmen müssen die Unternehmen bis spätestens Mai 2027 umgesetzt haben.
Gelten soll das Gesetz für kritische Infrastruktur in elf Sektoren, die als unentbehrlich definiert werden, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern: Energie, Transport und Verkehr, Finanzwesen, Leistungen der Sozialversicherung, das Gesundheitswesen, Wasser, Ernährung, Informationstechnik und Telekommunikation, Weltraum, Abfallentsorgung und öffentliche Verwaltung. Insgesamt betrifft dies bis zu 1.500 Unternehmen. Wenn ein Betrieb mehr als 500.000 Menschen versorgt, zählt er automatisch zur kritischen Infrastruktur.
Kommt es zu Vorfällen, gilt zudem künftig eine Meldepflicht innerhalb von 24 Stunden, übermittelt an ein Onlineportal des Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Das Amt soll im Zweifel auch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen anordnen können. Werden diese nicht ergriffen, drohen Bußgelder von 50.000 bis zu 500.000 Euro.
Mehr Freiheiten
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, Deutschland werde mit dem Vorhaben „widerstandsfähiger und krisenfester“. Durch die russische Aggression, Terroranschläge oder Naturkatastrophen müssten sich die Unternehmen stärker wappnen. „Das sind herausragend wichtige Maßnahmen für den Schutz der Menschen in Deutschland, für eine sichere Versorgung und eine schnellere Bewältigung von Krisen, wenn sie eintreten“, so Faeser.
Kritik an dem Gesetz kam schon vorab von den Unternehmen: Für sie war ungeklärt, wie die Maßnahmen praktisch umgesetzt werden sollen – und welche Kosten diese verursachen werden. Die Regierung besserte das Gesetz daraufhin nach. Sie lässt den Unternehmen nun Freiheiten, wie genau sie den Schutz ihrer Anlagen sichern. Bei den Kosten geht die Bundesregierung von einmaligen 1,7 Milliarden Euro für die Wirtschaft aus. Danach werden 500 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.
Die AG Kritis, die für eine bessere Versorgungssicherheit der Bevölkerung eintritt, kritisiert dagegen „viele Auslagerungen an die Länder“ in dem Gesetz. Auch die Bundesverwaltungen würden nur „sehr lückenhaft“ berücksichtigt, was diese weiterhin Risiken aussetze, sagte Sprecher Manuel Atug der taz. Zudem würden die Betreiber kritischer Anlagen einfach „pauschal“ ausgewählt, was nicht ausreiche. Offensichtlich sei das Gesetz „mit heißer Nadel gestrickt“ und bleibe ein „Fleckenteppich“, so Atug. „Erhebliche Nachbesserungen sind zwingend erforderlich, denn die nächsten physischen Bedrohungen stehen im Zuge des Klimawandels schon Schlange.“
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