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DDR und West-BerlinDie Stasi kannte alle Polizisten

Sie hatte die West-Berliner Polizei massiv im Visier. Die Stasi wusste viel, konnte seit 1972 aber laut jüngsten Forschungsergebnissen kaum noch Spitzel platzieren.

Polizeipräsident Klaus Kandt und Professor Klaus präsentieren Forschungsergebnisse. Bild: dpa

Die Agenten der DDR fotografierten alles, was auch nur im Entferntesten von Belang war. Polizeidienststellen, Autokennzeichen, die Straßen in der Umgebung. Vom Westteil Berlins erstellten sie ein „Stasi-Streetview“, wie es die Forscher nennen.

Besonders hatte es die Stasi aber auf die Polizisten selbst abgesehen. Sie lichtete alle ab, die sie vor die Linse bekam, und versuchte sie zu identifizieren. Denn für die Staatssicherheit war die West-Berliner Polizei eine „bewaffnete gegnerische Kraft“. Ein Gegner also, den es zu besiegen galt, wenn es darum ging, am Tag X Berlin komplett unter die Herrschaftsgewalt der DDR und der Sowjetunion zu bringen. Entsprechende Besatzungspläne wurden bis in die späten 1980er Jahre hinein immer wieder auf den neuesten Stand gebracht.

„Die West-Berliner Polizei hätte nach aller Wahrscheinlichkeit schnell ausgeschaltet werden können, weil man die Infrastruktur kannte“, sagt der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder, Professor an der FU Berlin. Schroeder und Co-Projektleiter Jochen Staadt haben mit ihrem Team vom „Forschungsverbund SED-Staat“ untersucht, in welchem Maße der DDR-Geheimdienst die West-Berliner Polizei im Visier hatte. Dabei werteten sie Akten der Stasiunterlagenbehörde aus. Die Forschungsergebnisse für die Zeit ab 1972 stellten sie am Mittwoch im Polizeipräsidium vor. Die Erkenntnisse für die Zeit bis 1972 waren bereits 2011 präsentiert worden.

Stasi wusste fast alles

Die zentrale Erkenntnis: Die Stasi erfasste bis Ende der 80er Jahre etwa 80 Prozent der West-Berliner Polizisten namentlich. In vielen Fällen wusste sie viel mehr als Name, Geburtsdatum und Dienstgrad. Sie interessierte sich auch für ihre Wohnadresse, Kontostand und das private Umfeld. Die Daten beschaffte sie sich auch per Computerangriff. Die Stasi-Hacker schafften es, in Inpol einzudringen, das interne Informationssystem. „Dass sie fast alles über die West-Berliner Polizei wussten, das hätten wir nie gedacht“, sagt Schroeder.

Im Gegensatz zu den 1950er und 60er Jahren gelang es der Stasi ab 1972 aber kaum noch, Spitzel bei der Polizei jenseits der Mauer zu platzieren. Gerade einmal 11 inoffizielle Mitarbeiter in den Reihen der West-Berliner Polizei konnten die Forscher ermitteln. In den beiden Jahrzehnten zuvor waren es noch insgesamt rund 200. Im Umfeld von Polizisten waren aber bis zum Ende der DDR eine ganze Reihe Zuträger der Stasi unterwegs.

Dass es die Stasi trotz immensen Aufwandes nicht geschafft hat, die West-Berliner Polizei zu unterwandern, ist für den Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt ein „gutes Ergebnis aus unserer Sicht“. Sein Vorgänger hatte die Studie in Auftrag gegeben, nachdem herauskam, dass Karl-Heinz Kurras Stasi-IM war. Das ist der Polizist, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss.

Neue Erkenntnisse zu La Belle-Anschlag

Dass die Stasi über die West-Berliner Polizei Bescheid wusste, überrascht Georg Schertz nicht so richtig. Der 79-Jährige war von 1987 bis 1992 Polizeipräsident in Berlin, aus persönlichem Interesse ist er wegen der Studie an seinen alten Arbeitsplatz gekommen. „Es lag auf der Hand, dass wir ein Hauptzielpunkt der anderen Seite waren“, sagt er.

An spezielle Maßnahmen zur Spionageabwehr könne er sich nicht erinnern, aber man habe schon über besonders wichtige Dinge nicht am Telefon gesprochen. Überraschend sei nur, dass die Stasi es nicht schaffte, Spitzel an entscheidenden Positionen unterzubringen. Vielleicht liege das daran, dass die West-Berliner Polizei damals „stark antikommunistisch orientiert war“.

Die Forscher stießen bei ihrer Recherche auch auf Dinge, die zwar nichts direkt mit der West-Berliner Polizei zu tun haben, aber einiges über die DDR erzählen. Das Aufsehenerregendste: Die Stasi wusste schon im Vorhinein detailliert über den Bombenanschlag auf die Schöneberger Disco La Belle Bescheid. 1986 wurden bei dem Akt libyscher Terroristen drei Menschen getötet. Die Stasi hatte einen Spitzel in einer Gruppe, die an den Vorbereitungen beteiligt war. Sechs Tage vor dem Anschlag stellte sie zudem bei der Kontrolle eines libyschen Diplomaten einen Zettel sicher. Darauf drei Adressen, darunter die des La Belle.

Die Polizei war die am stärksten überwachte Berufsgruppe in West-Berlin, sagen die Forscher. Aber im Blickfeld der Stasi sei im Prinzip die komplette Politik und Verwaltung gewesen. Studienleiter Schroeder bemängelt, dass bislang keine andere West-Berliner Institution ihre Stasi-Vergangenheit aufgearbeitet hat. „Man will wahrscheinlich nichts Genaueres wissen.“

■ „Feindwärts der Mauer. Das Ministerium für Staatssicherheit und die West-Berliner Polizei“, Peter Lang Edition

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4 Kommentare

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  • ...ojejeoje, der "Tag X" naht!

    Jeder Generalstab auf der Welt besitzt aktuelle Angriffspläne für alle umliegenden Staaten, ungeachtet der politischen Lage, sowie für alle möglichen Szenarien. Das ist nämlich genau das, was ein Generalstab so treibt, wenn er nicht gerade mit Lametta behangen in der Gegend herumsteht.

  • "Stasi-Streetview" - Hübsch! Fällt jemandem noch was auf?

    • @wirdschonnoch:

      Ja! Zu DDR-Zeiten war es ehrlicher!

      • @DDHecht:

        Was war denn da ehrlicher? Das man "offen und ehrlich" überwacht wurde, oder was?