„Covidioten“ und Sprachkritik: Am Rande der Gesellschaft
Wer gegen Corona-Schutz demonstriert, beklagt sich schnell über Beleidigungen. Und tatsächlich gibt es bessere Bezeichnungen für sie als „Idiot“.
Heute ist er ein Blödmann, wahlweise ein Tollpatsch. Vor langer Zeit war er jedoch mal etwas ganz anderes: der Idiot. In der Gegenwart zielt das Wort als Beleidigung vor allem auf die Intelligenz einer Person ab. Deshalb bekommt etwa SPD-Chefin Saskia Esken derzeit Kritik, weil sie die Teilnehmer*innen der Großdemo am vergangenen Samstag als Idioten bezeichnet hat. Bei Twitter schrieb Esken: „Tausende #Covidioten feiern sich in #Berlin als ‚die zweite Welle‘, ohne Abstand, ohne Maske.“ Dafür wird ihr wahlweise vorgehalten, dass das unter die Gürtellinie gehe oder gefährliche Verschwörungsmythen und neonazistische Bewegungen verharmlose.
Das Hashtag #Covidioten hat Esken nicht erfunden, es ist so alt wie die Pandemiemaßnahmen selbst. Noch viel älter ist dagegen der Begriff Idiot, er hieß damals aber etwas ganz anderes. Im Griechischen der antiken Demokratie waren idiotes keine, nun ja … Idioten – sondern Männer, die keine Lust hatten, am gemeinsamen politischen Prozess in der attischen Polis teilzunehmen.
Anstatt, wie vorgesehen, mit anderen wohlhabenden Männern über mondäne Realpolitik zu debattieren, blieben die idiotes zu Hause und sorgten sich nur um den eigenen Haushalt und die Vermehrung des persönlichen Reichtums.
Der Begriff meinte damals so etwas wie „Egoist“, oder, feiner, „Privatmann“. Hier nicht gegendert geschrieben, denn die politischen Meinungen von Frauen waren in der sogenannten Demokratie der alten Griechen ohnehin nicht vorgesehen, genauso wenig wie die von Männern ohne Besitz.
Wenn man also den Begriff in der ursprünglichen Bedeutung nähme für Menschen, die sich zum Wohl der Gemeinschaft noch nicht mal eine Stoffmaske überziehen möchten, dann passt es in der Tat ganz gut. Aber natürlich ist es albern, bei Begriffen danach zu forschen, wie sie früher mal gemeint waren. Sprache transportiert immer das, was sie in der Gegenwart transportiert. Idioten im griechischen Sinne, also Menschen, die sich möglichst wenig für die Politik der Vielen interessieren und dafür um so mehr für den eigenen Wohlstand, heißen heute anders. Zum Beispiel „neoliberal“.
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