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Coronavirus und BeherbergungsverbotDas Virus wird zur Geduldsprobe

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Das Beherbergungsverbot kann als eine Art Ersatzhandlung gelesen werden. Es ist das kleinere Übel gegenüber einem erneuten kompletten Lockdown.

Wer lange wartet, kommt dran: Corona-Abstrich-Zentrum im Landkreis Esslingen Foto: Sebastian Gollnow/dpa

E in bisschen unwürdig klingt ja schon, was man aus Arztpraxen hört: PatientInnen, die künstlich husten, wenn sie das Sprechzimmer betreten, um als Menschen mit angeblichen „Symptomen“ den Coronatest von der Kasse bezahlt zu bekommen, den man braucht für den Urlaub. Hausärzte kommen sich vergackeiert vor.

Auch Hoteliers, die Buchungslisten durchgehen und versuchen, an der Postleitzahl zu erkennen, welche Gäste nicht anreisen dürfen und welche doch, zweifeln an Sinn und Verstand der neuen Coronaregeln. Jetzt, wo die Zahlen der Neuinfektionen hoch sind und sich die Intensivstationen wieder füllen mit Covid-19-Erkrankten, zeigt sich, dass immer auch die Glaubwürdigkeit der Maßnahmen gegen das Virus auf dem Spiel steht.

Wobei die Politik in einem Widerspruch steckt: Mit drastischen Anordnungen wie dem Beherbergungsverbot, Sperrstunden oder Feierverboten erntet sie genervtes Kopfschütteln. Aber gleichzeitig werden die Leute wacher, ziehen die Masken wieder auf, meiden Menschenansammlungen. Was ja das Richtige ist im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. Das Beherbergungsverbot mit seinen teilweise absurden Folgen kann dabei auch als eine Art Ersatzhandlung gelesen werden, es ist das kleinere Übel gegenüber dem, was wieder drohen könnte: der erneute komplette Lockdown, die Schließung von Schulen und Kitas, von Hotels und Gaststätten.

Einen zweiten monatelangen Lockdown will niemand, er wäre schlimm für Kinder, Eltern, Alte, Selbstständige, Kulturschaffende, Gastronomie. Stattdessen muss man sich in Deutschland vielleicht dafür entscheiden, etwas anderes zu akzeptieren: dass da etwas ist, das nur schwer zu kontrollieren ist, dass es Gewissheiten nicht gibt, die man gerne hätte. Als Anmerkung, ohne einen Vergleich ziehen zu wollen: Für Millionen von Menschen in Kriegsgebieten, Überschwemmungs­regionen, in Dürregebieten gehört eine Ungewissheit, eine Bedrohung zum Überlebensgefühl.

Vielleicht muss man in Corona-Deutschland jetzt eine im Westen sonst eher unpopuläre Tugend entwickeln: Geduld. Die Belastungen sind wieder da, das muss man aushalten. Es ist Aufgabe der Politik, Präventionen und Ausgleichsmaßnahmen zu entwickeln. Kleine Schritte, Improvisation, auch Versuch und Irrtum – wie das Beherbergungsverbot – gehören zu Zeiten, in denen man eine Bedrohung nicht mal eben aus der Welt schaffen kann. Wie man an der zweiten Welle sieht, hat das Aus-der-Welt-Schaffen nicht geklappt. Aber das mit der Geduld, das müsste zu schaffen sein.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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14 Kommentare

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  • Das Beherbergungsverbot mit seinen teilweise absurden Folgen kann dabei auch als eine Art Ersatzhandlung gelesen werden, es ist das kleinere Übel gegenüber dem, was wieder drohen könnte: der erneute komplette Lockdown.....



    Ich glaube nicht daß ein Lockdown durch Pseudo-Ersatzhandlungen verhindert werden kann. Sinnfrei bleibt sinnfrei und erhöht auch nicht das Verständnis für andere Coronamassnahmen.

  • Qualititativ hochwertige Zahlen, wo die Ansteckungen passieren wären auch eine Massnahme. Nette Idee mit der Geduld, leider nicht anwendbar wenn viele bald Ihre Miete nicht mehr zahlen können.

  • 1G
    15833 (Profil gelöscht)

    So ein Quatsch, beherbungsverbot.



    Wissenschaftlich gesehen bringt es Nichts.



    Zusätzlich haben die Hotels durchdachte Hygiene Konzepte. Auch wäre es mir neu wenn Menschen in einem Hotel sind und dann Spazierengehen den Virus Verbreiten. Die wenigsten die im Herbst in den Urlaub fahren machen Party etc.

    Und ein weiterer Punkt, 50000 Berufspendler die täglich aus einem Hotspot Gebiet in ein anderes Bundesland müssen, die verbreiten natürlich nicht den Virus, weil der Virus sehr schlau ist und diese natürlich nicht angreift

  • Es gab nie einen kompletten Lockdown in Deutschland. Das Kapital hat sich noch nie für Gesundheit als Selbstzweck interessiert. Der Vorrang wirtschaftlicher Interessen galt und gilt auch in der Pandemie und das wir auch an den aktuellen Ersatzhandlungen der Parteipolitiken sichtbar. Dem gegenüber braucht es keine Geduld, sondern Massenstreiks.

    • @smallestmountain:

      Genau. Allerdings befürchte ich, dass Massenstreiks im Moment gefährlich werden könnten und schwer zu organisieren. Viele stellen auch den Kapitalismus nicht in Frage. Sie haben mehr Angst um ihr Gehalt als um ihr Leben. Vielleicht sogar zu Recht, da der Staat lieber die Lufthansa unterstützt als zum Beispiel Kellner und Pflegekräfte. Nur die "Kulturschaffenden", die mir natürlich auch leid tun, finden Erwähnung, womit ihre Tätigkeit geadelt wird. Aber kriegen tun die auch nix.

    • 1G
      19071 (Profil gelöscht)
      @smallestmountain:

      Wer ist denn das Kapital? Da die Milliardäre der Welt ihr Vermögen seit der Pandemie um rd. 20% vergrößern konnten, sollte "das Kapital" also eher ein Interesse am Lockdown haben.



      www.spiegel.de/wir...-9681-e6c65e03fa42

      • @19071 (Profil gelöscht):

        Dann sollte das Kapital eben was von seinen 20% für den nächsten Lockdown latzen.

  • Man diskutiert in Deutschland noch, derweil das Virus auf der Kennkurve von worldometer einer Lehrbuch-e-Funktion folgt. Haut man jetzt die Bremse voll rein, bringt uns die nachziehende Dynamik satt über die Werte von April. Mit einem Delay von einer bzw. drei Wochen ziehen Intensivbehandlungen bzw. Todesfälle hinterher. Erst dann werden wir wissen, ob wir von der Behandlung her wirklich deutlich besser aufgestellt sind.



    Kurz: die Diskussion ist der Worte nicht mehr wert. Sorry, ist jetzt schon verkackt. Keep calm and carry on. Wir sind nicht wehrlos aber man sollte sich jetzt mal auf das wesentliche konzentrieren statt über den Herbsturlaub zu sinnieren. Meine Meinung.

    • @sachmah:

      Leider geht es nicht nur um den Herbsturlaub, sondern um die Situation von Lieferanten bei der Auslieferung, von Montage- oder Reparaturaufträgen, und antürlich um die Situation des Beherbergungswesens mit vielen Mitarbeitern.

      Wenn es denn viel bringen würde könnte man diese Maßnahme noch tolerieren, aber nicht in anbetracht all der Pendler, die sich natürlich auch bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin anstecken.

      Das Virus überfällt nämlich nicht nur Schläfer.

  • Das Problem ist nicht die Geduld. Das Problem ist, dass man die Maßnahmen nachvollziehen können muss. Das Beherbergungsverbot ist dabei so ein Punkt, bei dem man sich fragt, was er bringt oder ob es eher Symbolpolitik ist.

    Dies gilt im Übrigen für alle Maßnahmen. Eine flächendeckende Kitaschließung ist für mich nicht mehr begründbar, wenn man sich anschaut, dass die Ansteckung von Kleinkindern gering ist. Ähnlich geht es mir bei den Grundschulen. Bei weiterführenden Schulen kann ich es nicht beurteilen.

    Discotheken, private (große) Feiern u.ä. sind doch die Treiber der Infektion. Hier wäre es vielleicht sinnvoller bestehende Verbote durchzusetzen als nach immer mehr zu rufen, was die Leute, die vorsichtig sind, eh nicht machen, aber die Leute, denen alles egal ist, auch nicht abhält, ihr Verhalten zu ändern.

    • @Strolch:

      Ich bin damit einverstanden, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, jedoch in bestimmten Bereichen. Strengere Maßnahmen in Bezug auf die Massenversammlung von Menschen (z. B. Discos) wären gerechtfertigt. In jedem Fall muss jede Person ausnahmslos alle Vorsichtsmaßnahmen befolgen, sonst ergibt es keinen Sinn.

    • @Strolch:

      Ein wesentlich wichtigerer Haupttreiber der Infektionen sind Großraumbüros, bzw allgemein: Präsentismus.

      Die Pandemie wäre mit 2 Maßnahmen längst im Griff: erstens - jedes größere Unternehmen (sagen wir mal ab 25 Beschäftigte) müsste zu kontaktlosen Temperaturmessungen verpflichtet werden, und Personen mit erhöhter Temperatur krankschrieben lassen. Zweitens, jede Person bei der ein begründeter Verdacht einer Ansteckung besteht, müsste einen Anspruch auf einen kostenlosen Test (PCR, nicht Antigen) haben, und das Ergebnis innerhalb von 24 Stunden bekommen.

      Dass auf Druck der Krankenkassen die RKI-Testkriterien die Kostenübernahme bei Kontaktpersonen 2. Grades in der präsymptomatischen Phase ausschließen, ist der Schlüsselfehler des deutschen Herumwurschtelns. Es existiert ein Zeitfenster von 3-4 Tagen, um eine Infektionskette zu durchbrechen. Wird in dieser Zeit nicht gehandelt, verbreitet sich das Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter. Bei der Testung auf Menschen mit Symptomen zu fokussieren, ist von Anfang an der kritische Fehler gewesen: wer Symptome entwickelt, hat in der Regel bereits jemanden anders infiziert. Und das ist seit Mai bekannt.

      Nur: die Folgekosten durch Nachuntersuchungen, Kuren und Frühverrentungen werden nicht auf die Kappe von Merkel, Spahn oder Wiehler gehen. Und da liegt der Kern der Sache: wir haben an den Schlüsselpopsitionen Menschen sitzen, die Macht an sich reißen, aber nicht das kleinste bisschen bereit sind, auch Verantwortung zu übernehmen.

      • @Ajuga:

        Ein Patentrezept ist das sicher auch nicht.

        In den Niederlanden darf sich jede/r schon lange einfach testen lassen und die Infektionszahlen sind dennoch oder gerade deswegen aktuell recht hoch (in Ballungsgebieten).

        In NL wird auch nach wie vor sehr viel von zuhause aus gearbeitet.

        Und das mit den Folgekosten ist nicht nur bei Covid19 so, das ist allgemein im deutschen Gesundheitssystem der Fall. Seit den 1990er wurden viele Leistungen gestrichen, es gibt zudem z.B. auch zu wenige Psychotherapeuten, lange Arzt-Wartezeiten etc. pp. Und jetzt sollen auch noch die privaten Möglichkeiten selbst als Bürger/in (und ggf. Patient/in) freiwillig und aktiv etwas zu tun deutlich eingeschränkt werden, indem ernsthaft überlegt wird, Heilpraktiker/innen abzuschaffen bzw. deren Berufsausübungsgrundlage. Von der deutschen Bevormundung des Patienten, was er selbst an Untersuchungen in Auftrag geben oder zu sich nehmen darf mal ganz abgesehen. Es geht hierbei um Privatleistungen, weil die KK das ja sowieso nicht übernehmen!

        • @Hanne:

          In den Niederlanden scheitert es am contact tracing.

          Und was die Heilpraktiker angeht: man kann auch eine große Tüte Lakritz essen. Das hilft mehr, als alle Heilpraktiker*innen der Welt zusammen (link.springer.com/...13659-020-00250-4)...