Coronavirus-Pandemie in den USA: Trump ruft nationalen Notstand aus
Vom Kleinreden zum Krisenmanagement: Der US-Präsident einigt sich mit den Demokraten auf ein Hilfspaket. Und er will sich wohl selbst auf das Virus testen lassen.
Der Präsident kündigte an, dass die USA den Ölmarkt stützen würden, indem sie Öl kauften, um ihre strategischen Reserven „bis oben“ aufzufüllen. Der Ölpreis war in den vergangenen Tagen stark gesunken. Zudem erlasse er die Zinsen auf Studentenkredite seiner Regierung, um finanzielle Erleichterung zu gewähren, sagte der Präsident.
Er verleihe Gesundheitsminister Alex Azar Notstandsbefugnisse, um Regelungen und Gesetze auszusetzen mit dem Ziel, Ärzten und Krankenhäusern bei der Behandlung von Patienten „Flexibilität“ zu gewähren, sagte Trump. Er kündigte auch eine Partnerschaft zwischen dem Staat und der Privatwirtschaft an, um die US-Kapazitäten für Tests auf das Virus Sars-CoV-2 zu auszuweiten. Bei der Zahl der durchgeführten Tests liegen die USA im Vergleich bislang weit hinter den europäischen und asiatischen Ländern zurück.
Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Trump das Team für Internationale Gesundheit im Nationalen Sicherheitsrat gefeuert und diese Entscheidung in den vergangenen Tagen mehrfach verteidigt. Die Zerschlagung des Teams hatte nach Meinung vieler Experten dafür gesorgt, dass die USA verspätet das Virus reagiert haben. Im Rosengarten des Weißen Hauses wies er aber jede Verantwortung für diesen Schritt zurück. Insgesamt zeichnete sich die Gesundheitspolitik unter Trump bisher dadurch aus, dass die von seinem Vorgänger Obama unternommenen Reformen und Verbesserungen des lückenhaften US-Gesundheitssystems wieder rückgängig gemacht wurden.
Die Aktienkurse reagierten indes positiv auf Trumps Ankündigungen. Der Dow-Jones-Index für Industriewerte schloss 9,4 Prozent höher.
Mit dem Kongress einigte sich das Weiße Haus schließlich am Freitagabend zudem auf ein breiteres Hilfspaket, wie die demokratische Vorsitzende im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, am Freitagabend bekannt gab. Pelosi handelte die Maßnahmen mit Finanzminister Steven Mnuchin aus, da sie und Trump aufgrund ihres frostigen Verhältnisses nicht mehr direkt miteinander sprechen.
Das Hilfspaket beinhalte kostenlose Tests auf das Virus, zwei Wochen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, mehr Arbeitslosengeld und eine Aufstockung von Lebensmittelhilfen für Kinder, Familien und Ältere. Das Repräsentantenhaus stimmte mit 464 Ja- gegen 40 Nein-Stimmen für ein entsprechendes Gesetz, das aber noch durch den Sena muss, in dem die Republikaner die Mehrheit haben. Der Senat wird am Montag tagen, danach muss Trump das Gesetz unterschreiben. Das wolle er so schnell wie möglich tun, twitterte der Präsident.
Einreisestopp für Europäer in Kraft getreten
In der Nacht zum Samstag trat der von Trump verhängte Einreisestopp für Menschen aus weiten Teilen Kontinentaleuropas in Kraft. Die Maßnahme gilt für Reisende aus dem Schengen-Raum, der 26 europäische Staaten umfasst, darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz. Inzwischen äußerte Trump die Überlegung, Personen aus Großbritannien und Irland, die beide von ihm ausdrücklich nicht in die Liste der betroffenen Länder aufgenommen wurden, doch ebenfalls mit einem Einreisestopp zu belegen.
Nach Angaben der John Hopkins University wurden in den USA inzwischen mehr als 2100 Infektionen und 47 Todesfälle registriert. Es wird aber mit einer sehr hohen Dunkelziffer gerechnet.
Auch Trump selbst sieht sich dem Verdacht ausgesetzt, er könne sich das Virus eingefangen haben. Der Präsident hatte am vergangenen Wochenende Kontakt mit gleich zwei Coronavirus-Infizierten. Neben einem Mitglied einer brasilianischen Delegation habe Trump in seinem Ressort Mar-a-Lago in Florida auch eine andere Person getroffen, die seither positiv auf das Virus Sars-CoV-2 getestet worden sei, verlautete am Freitagabend aus informierten Kreisen. Trump sagte dazu im Rosengarten, er werde sich wahrscheinlich bald auf das Coronavirus testen lassen, habe aber keine Symptome.
Nobelpreisträger sieht Glaubwürdigkeitsverlust Trumps
Der US-Wirtschaftsnobelpreisträger von 2013, Robert Shiller, sieht die Glaubwürdigkeit des US-Präsidenten Donald Trump im US-Wahlkampf von der Corona-Krise gefährdet. Bislang hätten die Wähler „mit einigem Amüsement“ Trumps „tägliche Eskapaden verfolgt“, sagte Shiller dem Spiegel. „Nun aber wird ernsthaft über die Schwächen des amerikanischen Gesundheitssystems diskutiert. Es gibt so viele Menschen in den USA, die nicht versichert sind, die keinen Arzt finden und die nicht mal getestet werden. Das vergrößert zweifellos die Chancen der Demokraten.“
Die US-Regierung habe zu spät auf die Epidemie reagiert. „Trump war mehr damit beschäftigt, die Leute in Sicherheit zu wiegen, als wirksame Maßnahmen gegen die Krankheit in Gang zu setzen“, sagte Shiller. Jetzt seien alle „überrascht, wie sehr die Krise das öffentliche Leben beeinträchtigt“. Trump behaupte, er habe für eine starke Wirtschaft, niedrige Arbeitslosigkeit und hohe Aktienkurse gesorgt. Er könne seine Glaubwürdigkeit verlieren wie Präsident Herbert Hoover (1929-1933) in der Weltwirtschaftskrise.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt