Corona-Notstand auf Iberischer Halbinsel: Spanien folgt Italien
Das Land liegt mit fast 6.000 Infizierten auf Platz zwei in Europa. Nun geht auch seine Regierung mit einem nationalen Shutdown gegen das Virus vor.
Damit wird ganz Spanien ab Montag früh um acht Uhr zur Sperrzone. Dann herrscht ein Verbot, die Wohnung zu verlassen, wenn dies nicht absolut notwendig ist, wie zum Beispiel der Kauf Arznei und Grundnahrungsmitteln, zum Tanken oder Geld abheben, der Besuch eines Gesundheitszentrums, der Weg zur Arbeit und zurück, die Unterstützung und Betreuung älterer Menschen, Minderjähriger, Menschen mit Behinderungen oder besonders schutzbedürftiger Personen. Es öffnen nur noch Lebensmittelgeschäfte, Tabakläden, Tankstellen und Kioske. Alle öffentlichen Veranstaltungen werden untersagt; Museen, Parks Bildungseinrichtungen geschlossen. „Im Zentrum unserer Anstrengungen stehen die Menschen, die Familien“, erklärt Sánchez die schweren Eingriffe ins öffentliche Leben.
„Ab heute ist die einzig zuständige Autorität im ganzen Gebiet die Regierung des Staates“, bekräftigte Sánchez. Das heißt fortan unterstehen alle Ressourcen und das gesamte Personal der verschiedenen – auch regionalen und lokalen – Verwaltungen sowie regionale und kommunale Polizeikräfte direkt Madrid.
Der Alarmzustand gibt der Regierung ausserdem das Recht Güter zu rationieren oder Fabriken und Material zu beschlagnahmen und Verkehrsverbindungen zu unterbrechen. Dazu kann auch die Armee eingesetzt werden. Er kündigte Hilfen für Unternehmen und Arbeitnehmer an, die von der Krise betroffen sind. Die Kabinettssitzung hatte so lange gedauert, weil die beiden Koalitionspartner – die sozialistische PSOE und die linksalternative Unidas Podemos – an diesem Punkt über die Schwerpunktsetzung nicht einig waren.
Alle Osterprozessionen sind abgesagt
Das Szenario in Spanien gleicht damit weitgehend dem, was in Italien bereits seit vergangenen Dienstag umgesetzt wird. Die spanischen Gesundheitsbehörden zählten am Samstag 5.753 Covid-19-Erkrankte – die Hälfte davon in der Hauptstadtregion Madrid. Das Land ist damit ist nach Italien die Nummer 2 in Europa, wenn es um die Coronavirus-Pandemie geht. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen, da längst nicht mehr alle Verdachtsfälle getestet werden. 136 Tote sind im ganzen Land zu beklagen. Bereits am kommenden Dienstag wird Spanien vermutlich die Schwelle von 10.000 Erkrankten deutlich überschreiten.
Die Regionalregierung in Madrid hatte bereits am Samstag alle Parks, Kneipen, Restaurant und Geschäfte, die keine Lebensmittel verkaufen, geschlossen. Kulturelle Veranstaltungen waren bereits vergangene Woche abgesagt und Theater sowie Museen geschlossen worden.
In der Mittelmeerregion Murcia herrscht bereits seit Freitag eine Ausgangssperre in den Küstenorten. Und der katalanische Ministerpräsident Quim Torra ordnete ebenfalls am Freitagabend ein Reiseverbot in, nach und aus Katalonien an. Er forderte die Madrider Zentralregierung auf, den Zug-, Flug- und Schiffsverkehr in die nordostspanische Region zu unterbinden. Mit dem Alarmzustand wird dies jetzt weitgehend umgesetzt. Bis zu 60 Prozent der Flüge und Züge in Spanien werden gestrichen.
Erst einmal wird der Alarmzustand zwei Wochen in Kraft sein. Will Sánchez – was mehr als wahrscheinlich ist – die drastischen Maßnahmen verlängern, muss er vors Parlament. Die beiden Oppositionsparteien, die konservative Partido Popular (PP) und die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs), kündigten an, eine solche Ausweitung des Alarmzustands zu unterstützen. Die Spanier werden wohl ihren – neben den Sommerferien – liebsten Urlaub in der Osterwoche in den eigenen vier Wänden verbringen müssen. Die katholische Kirche hat bereits alle Osterprozessionen abgesagt. 62 Länder haben mittlerweile Einreisebeschränkungen oder gar -verbote für Menschen aus Spanien erlassen.
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