Coronakrise in Namibia: Herero-Führer sterben an Covid-19

Die führenden Gegenspieler Deutschlands bei den Verhandlungen mit Namibias Herero sind an Covid-19 gestorben. Zeit für Solidarität.

7-Tage-Inzidenz von 445: Corona-Testzentrum in Namibias Hauptstadt Foto: Dirk Heinrich / ap

BERLIN taz | Namibia hat mit gut 2,5 Millionen Menschen etwa so viele Einwohner wie Brandenburg, aber das Land im Südwesten Afrikas zählt derzeit täglich etwa so viele Corona-Neuinfektionen wie Deutschland und Frankreich zusammen. Die 7-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei 445 pro 100.000 Einwohner, am Freitag und Samstag vergangener Woche kamen jeweils rund 2.500 Infektionen dazu – jeder Tausendste Bewohner. Von überfüllten Krankenhäusern wird berichtet. Seit Mitte Mai hat sich die Zahl der bestätigten Covid-19-Toten von 700 auf 1.400 verdoppelt, täglich kommen mehrere Dutzend dazu.

Am Donnerstag traf es Zed Ngavirue, Sonderbeauftragter der namibischen Regierung für Völkermord und ihr Chefunterhändler bei den Verhandlungen mit Deutschland über Wiedergutmachung für den deutschen Genozid an Namibias Herero und Nama 1904 während der Kolonialzeit.

Am Freitag folgte der prominenteste Kritiker der Verhandlungen mit Deutschland: Vekuii Rukoro, Chef des traditionellen Rates der Herero, der sich als Wortführer der Nachfahren der Völkermordüberlebenden sah. Die beiden wichtigsten Herero-Politiker Namibias sind tot, gestorben an Covid-19.

Deutschland tut sich schwer damit, das Ausmaß seiner historischen Verantwortung in Namibia anzuerkennen – alles, was nach einklagbaren Verpflichtungen klingt, blockt Berlin ab. Kann Deutschland aber tatenlos zusehen, wie ihm die Herero-Gesprächspartner wegsterben?

In Deutschlands regt sich daher die Forderung, Deutschland möge Namibia massiv mit Impfstoffen und Sauerstoffgeräten unterstützen und Solidarität beweisen.

Die Zeit drängt. Am Montag titelte Namibias unabhängige Tageszeitung The Namibian, dass Namibia keine Impfstoffe für Erstimpfungen mehr übrig hat. Das chinesische Sinopharm sei aufgebraucht und als Land mittleren Einkommens habe Namibia kein Recht auf kostenlose Lieferungen des Covax-Programms, sondern konkurriere mit den reichen Nationen auf dem Weltmarkt, wird Gesundheitsminister Kalumbi Shangula zitiert. Die aktuellen Reserven werden für Zweitimpfungen benötigt. Neue Lieferungen werden erst im Juli erwartet.

Ein klarerer Fall für rasche deutsche Hilfe ist kaum denkbar. Dazu kommt: Die jüngste Vereinbarung der Bundesregierung mit Namibia über eine Anerkennung des Genozids, aber ohne Reparationen, bleibt umstritten. Namibia ist unzufrieden und will nachverhandeln, Deutschland nicht.

Kann Berlin jetzt weiter mauern? Das würde so aussehen, als nutze Deutschland den Tod prominenter Herero aus, um sich durchzusetzen. Wie dereinst vor fast 120 Jahren.

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