Corona und die Vereinten Nationen: Impfpatente endlich freigeben
Der UN-Menschenrechtsrat kritisiert zu Recht autoritäre Regime. Doch er übergeht den Impfnationalismus der westlichen Länder.
Z um Auftakt der ersten diesjährigen Sitzung des UN-Menschenrechtsrates haben die Außenminister der USA, Deutschlands, Großbritanniens und anderer westlicher Staaten zu Recht die Menschenrechtsverletzungen der Regierungen und Militärführungen in China, Myanmar, Russland und Venezuela kritisiert. Doch die westlichen Außenminister schwiegen zu derjenigen Menschenrechtsverletzung, die aktuell die meisten Menschen auf der Erde betrifft mit möglicherweise katastrophalen Folgen in den kommenden Jahren – und für die ihre eigenen westlichen Regierungen verantwortlich sind.
Mit ihrem Impfnationalismus und ihrer bereits seit fast sechs Monaten anhaltenden Weigerung, endlich die Patente der großen Pharmakonzerne auszusetzen, verhindern Deutschland, die USA, Großbritannien und andere Länder eine schnelle, global ausreichende Produktion und gerechte Verteilung von Corona-Impfstoffen. Es blieb UNO-Generalsekretär Antonio Guterres vorbehalten, diesen Impfnationalismus als „Verweigerung von Menschenrechten“ und „moralisches Versagen“ einzustufen und die westlichen Regierungen wie bereits vergangene Woche bei der Münchner Sicherheitskonferenz erneut zu einer Korrektur ihrer Haltung aufzurufen.
Über ihre – berechtigte – Kritik an Menschenrechtsverletzungen in autoritär geführten Staaten hinaus monieren westliche Regierungen und Medien darüber hinaus erneut die Tatsache, dass einige dieser Staaten auch Mitglied im Menschenrechtsrat sind. Manche Akteure nutzen diesen Vorwurf gezielt zur pauschalen Propaganda gegen den Rat oder gar gegen das gesamte UNO-System, andere verbreiten ihn ohne eigenes Nachdenken weiter.
Denn der Vorwurf offenbart ein Missverständnis der seit 1945 bestehenden Völkerrechtsordnung. Deren Mitglieder sind nun einmal die Nationalstaaten. Wenn alle 194 Staaten dieser Erde bereits funktionierende Demokratien wären, in denen die internationalen Menschenrechtsnormen umgesetzt sind, dann bräuchte es dieses UNO-Gremium zur Förderung der Menschenrechte nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen