Corona und die Pharmaindustrie: Von Impfstoffen und Patenten

In der Pharmaindustrie herrscht Marktwirtschaft. Besser für die Gesundheit weltweit wäre ein Health Impact Fund.

Hand mit türkisfarbenem Handschuh und Laborproben

Forschung nach einem Impfstoff bei der Tübinger Firma CureVac Foto: Andreas Gebert/reuters

Bei einer internationalen Geberkonferenz Anfang Mai sammelte die EU-Kommission 7,4 Milliarden Euro für die Suche nach Medikamenten und Impfstoffen gegen das Coronavirus ein. Bereits im März hatte die Europäische Kommission dem Tübinger Unternehmen CureVac 80 Millionen Euro an finanzieller Unterstützung für die Entwicklung und Herstellung eines Impfstoffs angeboten.

Auch außerhalb Europas laufen die Forschungen auf Hochtouren Das Pharmazieunternehmen Johnson & Johnson verkündete, mit Unterstützung des US-amerikanischen Staats eine Milliarde US-Dollar für Forschung, Entwicklung und klinische Tests eines Impfstoffes bereitzustellen. Der Grund für diese immensen Ausgaben ist neben der Gesundheit der Menschen die Wirtschaft, deren Schaden sich bereits auf ein Vielfaches der Forschungsinvestitionen beläuft.

Krankheiten, die weitaus mehr Opfer kosten als Covid-19, fließen indessen ungleich weniger Forschungsgelder zu. Das liegt vor allem daran, dass sie Menschen betreffen, die für die Pharmaindustrie aufgrund ihrer Armut nur von geringem Interesse sind. So werden beispielsweise nur 0,12 Prozent der kommerziellen weltweiten Forschungs- und Entwicklungsgelder für Tuberkulose und Malaria ausgegeben, Krankheiten, an denen jedes Jahr 1,7 Millionen Menschen sterben – nur eben nicht hier.

Dies hat vor allen Dingen damit zu tun, dass die für die Forschung und Entwicklung maßgeblichen Einkünfte von Pharmaunternehmen stark von ihren 20-jährigen Patenten abhängig sind. Die dadurch entstehenden Monopole ermöglichen es den Unternehmen, ihre konkurrenzlosen Produkte weit teurer auf den Markt zu bringen, als die Herstellungs- und Vertriebskosten es erfordern.

Immenser Preisaufschlag

Um nur ein Beispiel hierfür zu nennen: Harvoni, ein hochwirksames Hepatitis-C-Medikament. Während die Herstellungskosten sich auf geschätzte 68 bis 136 US-Dollar beliefen, wurde es für einen Preis von 94.500 US-Dollar pro zwölfwöchiger Behandlung auf den Markt gebracht. Es handelt sich um einen tausendfachen Preisaufschlag. Oftmals übertrifft der durch so einen Aufschlag erwirtschaftete Umsatz weitaus die Ausgaben für Forschung, Entwicklung, klinische Studien, einschließlich der Medikamente, die nicht für den Markt zugelassen werden.

Folglich wird nicht nur die Erforschung von Krankheiten finanzschwacher Gruppen vernachlässigt, sondern oft auch die Entwicklung von Medikamenten begünstigt, die wenig therapeutischen Wert haben. Solange es genug kaufkräftige Kunden gibt, können ähnliche Produkte zuhauf auf den Markt geworfen werden – selbst wenn sie kaum Wirkung zeigen.

Nur, was lässt sich gegen diese marktinterne Logik tun? Wie können Pharmafirmen weiterhin bestehen bleiben, ohne sich derart an ihren zeitweiligen Monopolen zu bereichern? Eine Alternative wäre zum Beispiel der Health Impact Fund, der unter anderem von dem Philosophen Thomas Pogge entwickelt wurde. Ein Hersteller könnte sich freiwillig dazu entschließen, sein Medikament beim Health Impact Fund zu melden. Das Arzneimittel würde dann abhängig von den Herstellungs- und Vertriebskosten zum geringstmöglichen Preis verkauft werden.

Allerdings erhielte der Hersteller jährliche Prämien, die sich am Gesundheitsgewinn messen. Dies würde sogar den Anreiz schaffen, Produkte noch günstiger zu verkaufen, als es die Herstellungs- und Vertriebskosten eigentlich zuließen. Nämlich dann, wenn die durch die zusätzlichen Verkäufe erzielten Gesundheitsgewinnprämien mehr wert sind als das durch den Preisnachlass verlorene Geld.

Laut Pogge und seinen Kollegen könnten Unternehmen so je nachdem etwa mit einem Medikament 2,5 bis 3 Milliarden Dollar in zehn Jahren verdienen. Dabei ist der Vorteil nicht nur, dass mehr Forschung zu den tödlichsten Krankheiten dieser Welt gefördert werden würden, sondern dass Hersteller sich dazu veranlasst sähen, ihre Produkte so wirksam wie möglich zu machen.

Maximaler Gesundheitsgewinn

Denn überspitzt gesagt, kann es einem Unternehmen, das nur für den Verkauf eines Mittels entlohnt wird, statt für dessen Effektivität, herzlich egal sein, was das Medikament an- oder ausrichtet. Zudem wäre eine Firma daran interessiert, seinen Kundenstamm zu erhalten, was ein Fortbestehen der Krankheit voraussetzt. Würde die Firma hingegen ihr Medikament beim Health Impact Fund melden, erhielten sie den Hauptertrag durch den maximalen Gesundheitsgewinn, sprich die Ausrottung der Krankheit.

Die Frage ist nur, wie sich so ein Fonds finanzieren lässt. Das könnte entweder durch einen Beitrag der Staaten geschehen, der sich nach ihrem Bruttoinlandsprodukt richtet. Oder durch eine internationale Steuer, etwa auf Treibhausgasemissionen oder spekulative Finanzaktionen. In reichen Ländern, die nicht daran teilnähmen, dürften die Produkte teurer verkauft werden. Dies könnte als Druckmittel dafür dienen, dass Staaten in den Fonds einsteigen und Pharmazieunternehmen mit ihren Produkten daran teilnehmen.

Unternehmen müssten dann auch nicht mehr um ihre Monopole fürchten, die von Regierungen durch Zwangslizenzen zerschlagen werden könnten. Zumindest nicht bei Produkten, die vielen Menschen günstig zum Erwerb angeboten werden. Und da der Health Impact Fund eine multilaterale Institution ist, könnte auch kein Staat dem Unternehmen die Gesundheitsprämien abknöpfen.

Wir erfahren gerade am eigenen Leib, wie wichtig es sein kann, dass nach Medikamenten und Impfstoffen geforscht wird und diese günstig auf den Markt kommen. Millionen von Menschen ging das vor der Coronakrise nicht anders und wird es danach auch nicht. Der Health Impact Fund ist eine Alternative. Und das ist, was wir mehr denn je brauchen: Alternativen.

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