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Corona in DeutschlandHeiliger Hickhack

Ministerpräsident*innen und Bundesregierung scheinen sich einig: Die Coronalage erfordert schärfere Maßnahmen. Doch wer macht den ersten Schritt?

Vielleicht eine Lösung: Online-Gottesdienste wie hier in Oldenburg im April Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Berlin taz | Weil die Coronazahlen unaufhörlich steigen, verdichten sich bundesweit die Anzeichen für ein entschlosseneres Vorgehen gegen das Virus – eventuell bereits vor Weihnachten. So erklärte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Donnerstag in Kiel, bei harten Maßnahmen erst Ende Dezember würden die Infektionszahlen in der nächsten Zeit weiter nach oben gehen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete mit mehr als 19.300 Neuinfektionen im 7-Tage-Mittel einen neuen Höchststand. Das sind etwa 10 Prozent mehr als eine Woche zuvor. Unterdessen war unklar, wie sich ein harter Lockdown zu Weihnachten in unterschiedlichen Lebensbereichen ausgestalten könnte, so auch bei den Kirchen.

In Bayern drängte Regierungschef Markus Söder (CSU) auf eine härtere Gangart, jedoch erst nach Weihnachten. „Wir müssen das öffentliche Leben runterfahren“, sagte er der dpa in München und forderte Ausgangsbeschränkungen in Hotspots und Ladenschließungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen hatte am Mittwoch weitere Coronamaßnahmen noch vor Weihnachten gefordert und in einem emotio­nalen Appell dazu aufgerufen, in der Pandemiebekämpfung auf Wissenschaftler*innen zu hören.

Aus dem Norden Deutschlands erhielt sie am Donnerstag Zuspruch. In Mecklenburg-Vorpommern zeigte sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) offen für Geschäftsschließungen vor Weihnachten und forderte ein rasches Treffen zwischen Bund und Ländern. Auch SPD-Chefin Saskia Esken forderte einen harten Lockdown spätestens nach Weihnachten. In Kiel sagte die schleswig-holsteinische Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben: „Wir brauchen eine schnelle Entscheidung. Wir müssen jetzt die Zahlen runterkriegen und nicht erst in zehn Tagen.“

Ähnlich äußerte sich RKI-Chef Lothar Wieler. Eine Lockerung der bestehenden Kontaktbeschränkungen über die bevorstehenden Feiertage lehnte er entschieden ab. Es sei die wichtigste Maßnahme, „dass man verhindert, dass die Lockerungen an Weihnachten kommen“, erklärte er und stellte sich hinter die Forderung nach einem harten Lockdown: „Wenn die Menschen es alleine nicht schaffen, sehe ich keine andere Möglichkeit“, sagte er.

Mit Hygienekonzepten in der Kirche

Angesichts der hohen Infektions- und Todeszahlen sind auch die anstehenden Weihnachtsgottesdienste Teil einer kontroversen Debatte. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hatte in der Zeit gefordert, die Gotteshäuser während der christlichen Feiertage offen zu halten. Sie wisse von keiner einzigen Kirche, die nicht ­peinlichst darauf bedacht wäre, die Hygieneauflagen zu beachten.

Unterstützung kommt vom Präsidenten der Berliner Akademie der Wissenschaften, Christoph Markschies. Der evangelische Theologe und Historiker gehört zum Kreis der Un­te­r­zeichn­er:in­nen des Appells der Nationalen Akademie Leopoldina an die Bundesregierung. In dem Papier wird kein Verbot von Gottesdiensten empfohlen.

Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bestätigte gegenüber der taz, dass es für alle Gottesdienste detaillierte Hygiene­konzepte gebe, die von den Gemeinden gemeinsam mit den staatlichen Stellen erarbeitet wurden. „Die Gottesdienste werden anders sein als in den vergangenen Jahren“, hieß es weiter. So würde es Freiluftmessen geben oder Online­gottesdienste. (mit dpa, epd)

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5 Kommentare

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Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 'Das Bundesland Bremen hat die besten, niedrigsten Infiziertenzahlen, weil die Risikogruppen mit FFP2-Masken ausgestattet sind.'

    aus:

    'Gute Idee, schlechte Umsetzung Spahns FFP2-Masken-Aktion ist ein Gesundheitsrisiko

    Nicht alle Menschen sind mobil, nicht alle haben eine Apotheke in der Nähe. Masken-Coupons sind daher unsinnig. Was stattdessen helfen würde.' Ein Kommentar. Stephan-Andreas Casdorff

    www.tagesspiegel.d...siko/26706190.html

  • Das Gerede von den "detaillierten Hygienekonzepten" finde ich immer genau so lustig, wie die Aufdrucke "kontrollierter Anbau" auf konventionellen Kartoffeln.

    Ob es für Gottesdienste "Hygienekonzepte" gibt oder "detaillierte Hygienekonzepte" gibt, ist ziemlich wumpe.

    "Nachweisbar wirksame Konzepte" müssten es sein. Und solange die Zahlen nicht runter gehen, sind offensichtlich manche der Hygienekonzepte in der Praxis dieser Gesellschaft nicht hinreichend wirksam.

  • Die Museen und Theater hatten auch "detaillierte Hygiene­konzepte gebe, die [...] gemeinsam mit den staatlichen Stellen erarbeitet wurden." Zumachen mussten sie trotzdem. Die Kirchen aber dürfen offen bleiben -- und sollen von einem weiteren Lockdown sogar ausgeschlossen werden?

    Dieses permanente Geeiere führt zu naheliegenden Fragen: Warum soll ich als Theater- und Museumsgänger auf meine Freizeitbeschäftigung verzichten, während der Kirchgänger seiner nachgehen darf? Warum soll ich in meiner Freizeit Kontakte auf Null reduzieren, aber gleichzeitig meiner Patriotenpflicht nachkommen, schoppen gehen und Glühwein an den Ständen saufen, die in der Innenstadt aufgestellt sind, damit der Einzelhandel und die Schausteller nicht kaputtgehen?

    Letztlich ist dann alles falsch, was man macht: Bleibt man zu Hause, sterben die Innenstädte aus. Geht man in Schoppen, hat man zuviele Kontakte. Verbietet man seinem Kind, Freunde zu treffen, macht man es psychisch krank. Trifft es Freunde, ist es Treiber der Pandemie. Mit der Bahn und dem Bus fahren ist auch Mist (kein Mindestabstand), in die Schule und zur Arbeit sollen wir aber trotzdem alle weiter, sonst geht die Wirtschaft baden. Usw. Und dann heißt es noch: "Wenn die Menschen es alleine nicht schaffen, sehe ich keine andere Möglichkeit“ als einen harten Lockdown. Was sollen die Menschen denn schaffen, Herr Wieler? Ein Wunder?

    Politik bedeutet, auch Verantwortung für unangenehme Entscheidungen zu übernehmen -- mit dem Risiko der Abwahl und nur der Abwahl. Und nicht die Verantwortung zu delegieren -- das aber geschieht im Moment: Wir als Bürger sollen die Verantwortung für alles übernehmen.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Libuzzi:

      Da haben sie Recht. Zumal wir das Meiste gar nicht beeinflussen können. Die Kinder müssen in die Schule, man muss zur Arbeit und einkaufen muss man auch. Das manche mehr machen als sie dürfen, können wir nicht beeinflussen.



      Gestorbene Innenstädte, Kneipen und Geschäfte kann man wiederbeleben.



      Es ist doch auch gut, wenn das Alte zusammenbricht und man darauf Neues bauen kann.

  • > [...] dass es für alle Gottesdienste detaillierte Hygiene­konzepte gebe, die von den Gemeinden gemeinsam mit den staatlichen Stellen erarbeitet wurden.

    Das gibt es für Gastronomiebetriebe, mein Schwimmbad und Sauna auch, und trotzdem sind sie geschlossen. Wie sagte Norbert Blüm enmal? "Alle sollen den Gürtel enger schnallen, nur fummeln alle immer am Gürtel des Anderen herum."

    Solidarität war gestern. Heute ist wohl nur noch Extrem-Egoismus angesagt. Armes Deutschland!