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Corona-Impfpflicht in ÖsterreichDurchsetzung fraglich

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Die in Österreich beschlossene Impfpflicht klingt nach einem großen Wurf. Doch sie dürfte nur wenig ändern.

Kontrolle des Impfstatus durch Polizisten in einem Kaufhaus in Wien Foto: Lisa Leutner/ap

U nter einer österreichischen Lösung versteht man einen Kompromiss, der niemanden allzu sehr verärgert, aber auch niemanden glücklich macht; der zwar nach großem Wurf klingt, aber in der Praxis wenig verändert.

So verhält es sich auch mit der Corona-Impfpflicht, die jetzt im österreichischen Nationalrat beschlossen wurde. Sie betrifft zwar die gesamte erwachsene Bevölkerung, doch ihre Durchsetzbarkeit bleibt fraglich. Die Gesundheitsbehörden werden frühestens im April imstande sein, die Meldedaten mit den Impfdaten zu verknüpfen und so die beharrlichen Impfverweigerer von Amts wegen zu identifizieren.

Den Impfstatus überprüfen soll die Polizei, aber das nicht gezielt, sondern im Rahmen einer anderen Amtshandlung, etwa bei einer Verkehrskontrolle oder beim Anhalten von Randalierern. In der Polizeigewerkschaft regt sich bereits Widerstand. Man fürchtet um das gute Verhältnis zur Bevölkerung.

Zwar kann man bis zu viermal jährlich eine Strafe bekommen, die sich nach der Höhe des Einkommens bemisst. Doch sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass jemand den Maximalbetrag von 3.600 Euro im Jahr berappen muss, bekannte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Donnerstag mit entwaffnender Offenheit: „Da muss jemand schon viel Pech haben.“ Ob es zur Phase der automatisch verschickten Strafen überhaupt komme, sei noch nicht sicher.

Widersprüchlichkeit ist offensichtlich

Besonders widersprüchlich ist aber, dass die Impfpflicht am Arbeitsplatz nicht gilt, ausgerechnet dort, wo eine Überprüfung am einfachsten wäre. Zwar müssen alle Erwachsenen immunisiert sein, doch im Büro, auf der Baustelle oder im Supermarkt dürfen sie weiterhin ihren Dienst versehen, auch wenn sie keinen gültigen Impfpass vorweisen können.

Der Widerspruch zu der Intention, flächendeckend die Bevölkerung zu schützen, ist offensichtlich. Man muss kein großer Prophet sein, um vorauszusagen, dass mit dem Gesetz das Ziel, 90 Prozent der Bevölkerung durchzuimpfen, nicht erreicht wird.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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14 Kommentare

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  • Warum schickt man nicht die Polizei los, um die Ungeimpften zum Impftermin zu bringen? Das wäre sinnvoll. Nicht sinnvoll ist, dass man immer und überall einen Impfnachweis DABEI haben muss. Das nervt, genau wie viele der aktuellen Maßnahmen, die vielleicht obsolet wären, wenn der Staat endlich durchgreifen und alle impfen würde.

  • Mehr oder weniger unwahrscheinliche, zufällige Kontrollen sind in der Tat kaum das Sanktionspotential, das aus einer Pflicht eine durchsetzbare und allgemein akzeptierte Pflicht macht.

    Warum ist das so schwer? Andere Pflichten kann der Staat doch auch durchsetzen. Steuerzahlen zum Beispiel. Oder die Gurtpflicht beim Autofahren.

    Man stelle sich vergleichbares mal bei der Schulpflicht vor, wenn die nur von 70% der Kinder erfüllt würde. Da wäre was los.

  • Tja, es hat gute Gründe, weil sich global und europäische gesehen nur sehr, sehr wenige Länder auf den aktionistischen Weg einer Impfpflicht begeben. Aber statt, dass wir von Skandinavien lernen wie man vertrauenswürdige Politik und eine Pandemie-Politik mit langem Atem (siehe Schweden, was offensichtlich nicht mehr das Bashing-Opfer vieler Berichte ist) macht. Und der Blick ins Ausland (siehe Dänemark) könnte dabei helfen, wie Medien arbeiten, die nicht ständig neue Pandemie-Apokalypsen an die Wand malen. So regiert weiterhin hier "Deutsche Angst" mit Spekulationen über neue Viren und neue Wellen, die ein Lauterbach anscheinend in seiner Glaskugel bzw. seinen theoretischen Modellierern schon erkannt hat.

    • @Bernd Käpplinger:

      der berühmte schwedische Weg beschränkt sich darauf allenthalben schicke Aufkleber zu platzieren, die ans Abstandshalten erinnern, natürlich skandinavisch schick designt. Hält sich nur keiner dran. Momentan sind die Menschen massenweise krank, so dass Kitas, Schulen und öffentlichen Ämter mit Personalmangel kämpfen.



      Als Mensch mit Maske fühlt man sich wie ein bunte angemalter Exot im Zoo. Der schwed. Weg ist viel Marketing und Selbstbetrug der Schweden. Sie haben nur Glück, dass viele der potentiell gefährdeten nicht mehr da sind und Omikron für die anderen zum größten Teil harmlos. Eine Strategie ist das jedenfalls nicht, das ist einfach nur Prinzip Hoffnung.

  • 3600 € - „Da muss jemand schon viel Pech haben.“



    Interessant nach welchen Kriterien in Österreich Strafen festgelegt werden.

    Aber eine Lotterie war ja eh im Gespräch :-)

  • Wieso wird eigentlich überall und ständig das Recht mit seiner Durchsetzung verwechselt? Sind wir nicht mehr in der Lage Regeln ohne Sanktionen zu denken? Ist erlaubt, was nicht bestraft wird? Mir sxheint leider, dass die Mehrheit so denkt, beziehungsweise überhaupt nicht denkt, sondern nur noch zwischen Angst vor Strafe und Versuch nicht erwischt zu werden festhängt. Regeln und gesetzliche Normen können aber natürlich auch richtig sein, wenn sie Schwächen in der Umsetzung haben. Die Frage ob die Impfpflicht richtig ist, kann man jedenfalls nicht einfach durch Verweis auf die ja absichtlich moderate Durchsetzung umgehen. Gerade die relative Weichheit der Sanktionen wurde ja auch gelobt und was wäre eigentlich los, wenn es eine wirklich harte Durchsetzung der Impfpflicht gäbe? Vielleicht aber wäre dies ja auch manchen lieber, weil die Impfpflicht so leichter zu bekämpfen wäre.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Einfach nur an das Gute im Menschen zu glauben und an das Ehrgefühl zu appellieren, ist ein nobler Gedanke. Bei den wirklich lebensnotwendigen Pflichten machen Sanktionen aber schon Sinn um auch die zu bewegen, die sich sonst nicht an die Regeln halten würden.

      Denken Sie an die StVO: Die Pflicht, auf der rechten Strassenseite zu fahren, wird ja auch sanktionsbewehrt hart durchgesetzt, weil sie konkret Leben rettet, täglich neu.

      Ein Impfpflicht ohne konkrete Drohkulisse ist eine Lachnummer. Dann kann man es auch bleiben lassen. Sie würde der "Ausreisepflicht" ähnlich, an die sich auch kaum jemand halten muss.

      • @Winnetaz:

        Ja, Drohkulisse muss schon sein, trotzdem nervt es doch wirklich, in einer Welt zu leben, in der sich viele wie Kleinkinder verhalten und Nichterwischtwerden mit erlaubt und legitim verwechseln. Noch etwas anderes aber ist der Grundgedanke des Beitrags. Man kann doch nicht ernsthaft hingehen und argumentieren, dass Gesetze eh sinnlos seien, nur weil man sie vielleicht schlecht durchsetzen kann. Dann können wir ja gleich aufhören mit solchen Versuchen.

        • @Benedikt Bräutigam:

          Es ist einfach unrealistisch, dass sich nach all den Versuchen, den Rest durch harte Einschränkungen des Lebens zum Impfen zu bewegen, eine signifikante Anzahl der so Stück für Stück immer weiter von der Bevölkerung entfernten Impfgegner noch impfen lassen.

          Wenn man die Radikalisierung dieser Menschen zum Ziel gehabt hätte, man hätte das kaum besser hinbekommen.

          Ich kenne einige, die haben sich für die Strafen bereits Rücklagen gebildet.

  • Impfpflicht ausschließlich zum präventiven Selbstschutz eines Gesunden ist genau so illegitim wie die Aufnötigung einer Heilbehandlung eines Kranken

    Eine generelle Impfpflicht wäre ethisch und juristisch nur als alternativlose Maßnahme zum effektiven Containment der Infektionsausbreitung als ultima ratio zur akuten gesellschaftlichen Gefahrenabwehr legitim. Dazu bedürfte es aber eines geeigneten Impfstoffes zur Erzielung einer sterilen Immunität. Von den hierzulande bislang Zugelassenen erfüllt keiner diese Wirkungsbedingung. Eine Durchseuchung der Bevölkerung wird mittels Massenspiking folglich nicht verhindert, bestenfalls hinausgezögert, bis sich jeder infiziert hat (Prof. Drosten). Ergo diente die Impfung lediglich dem Selbst- und nicht dem Fremdschutz. Damit wäre jedoch eine Impfpflicht illegitim: „Wenn schon einem Kranken eine medizinische Behandlung zu Heilungszwecken nicht aufgenötigt werden darf, dann darf sie erst Recht einem Gesunden nicht zu seinem vorbeugenden Schutz aufgenötigt werden. Eine Impfpflicht, die allein dem Selbstschutz der Geimpften dienen würde, wäre mithin kein legitimes Ziel.“ (Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 29. Nov. 2021, WD 3 - 3000 - 198/21)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Prinzipiell gehe ich mit der Argumentation konform.

      Was aber vergessen wird: Eine Impfpflicht, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, ist sehr wohl vorstellbar, da das eben zum Nachteil aller wird.

      Hier ist jetzt die Frage, ob diese Gefahr noch vorhanden ist. In dieser Omikronwelle sehe ich diese Gefahr nicht mehr wirklich gegeben, nach dieser Omikronwelle zum schlechtesten Zeitpunkt mitten im Winter erst recht nicht mehr.

      Das gilt aber natürlich nur, so lange nicht wieder eine schlimmere Variante als Omikron übernimmt. Und ob das passiert, wissen wir nicht. Tja, schwierig das Ganze.

      In jedem Fall sehe ich eine Impfpflicht ab 18 nicht als rechtlich abgesichert an, ab 50 Jahren würde Sinn machen, wobei man evidenzbasiert die Möglichkeit einräumen müsste, eine evtl. bereits vorhandene T-Zellenimmunität per Nachweis zu akzeptieren.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Deshalb hat sich die Argumentation pro Impfpflicht auch seither dahin verlagert, dass man hiermit die Überlastung des Gesundheitssystemes vermeiden könne.



      Es geht also nicht mehr um den unmittelbaren Schutz des Einzelnen oder der Allgemeinheit vor direkter Erkrankung/Infektion sondern lediglich mittelbar durch die Gefahr einer ausbleibenden Behandlungsmöglichkeit bei zu vielen gleichzeitig Infizierten.



      Diese Wendung in der Argumentation der Impfpflichtbefürworter hat sicherlich mit genau diesem Gutachten zu tun, da die vorherige Argumentationskette so nicht mehr gegriffen hat.

      • @Christian Hoffmann:

        Danke den drei Vorkommentatoren für diese ausgewogenen Überlegungen, so viel Sachlichkeit auf einmal :)

        Je weniger direkter/mittelbarer Fremdschutz gewährleistet sind, desto mehr tritt die individuelle Nutzen-Risikoabwägung der Impfung in den Vordergrund.

        In den Altersgruppen ab 60 sollte das Eigeninteresse ausreichen, um per Impfung vorzusorgen. Wir stehen mit knapp 88% Grundimmunisierung und mit knapp 72% (Stand heute) Auffrischung auch im Europäischen Vergleich gar nicht schlecht da. Vor allem war das Timing direkt vor der Welle perfekt! Drosten und Kekulé vermuteten, dass die geringere deutsche Krankenhausinzidenz damit zusammenhängt.



        Unverständlich ist mir, dass in jeder zweiten Talkshow die ach so geringe Impfquote in DE bemängelt wird. In der relevanten Demographie ist die Boosterkampagne ist ein voller Erfolg, auch im europäischen Vergleich. Die niedrige Impfquote kommt rechnerisch zustande, wenn man/frau Einwohnende ab 5 Jahren zählt. Vom RKI: impfdashboard.de/

        Ein bisschen bessere Terminvergabe, Valneva als Dreingabe und wir sind auch so bei 95% in der relevanten Gruppe?