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Corona-Hotspot Nordrhein-WestfalenLaschet gar nicht mehr locker

Schnellere Lockerungen hatte der NRW-Ministerpräsident gefordert. Jetzt gilt Ostwestfalen als Hotspot. Und Armin Laschet kommt unter Druck.

Ministerpräsident Arnim Laschet muss sich im Landtag für seine Corona-Politik rechtfertigen Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Düsseldorf taz | „Führungsschwäche“ und „Verantwortungslosigkeit“: Einen Tag nach den massiven Einschränkungen und Kontaktverboten in den Kreisen Gütersloh und Warendorf haben SPD und Grüne Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet massive Fehler im Umgang mit der Coronapandemie vorgeworfen. Laschets Regierung habe die miserablen Arbeitsbedingungen im Tönnies-Fleischkonzern viel zu lange toleriert, kritisierte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag.

In Tönnies' riesiger Fleischfabrik im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück, die der Hotspot des neuen Corona-Ausbruchs ist, habe die Firma eigenverantwortlich über Abstandsregeln und Coronatests entscheiden können, so Kutschaty – jetzt sind in dem riesigen Schlachthof, in dem täglich 20.000 Schweine getötet werden können, mehr als 1.500 der rund 7.000 Mitarbeiter*innen infiziert.

Auch Monate nach dem Ausbruch von Corona könne Laschets Regierung keine schlüssige Teststrategie vorlegen, sagte auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Monika Düker. Die fehle nicht nur in der Fleischindustrie, sondern überall da, wo Menschen auf engsten Raum zusammenleben müssten – wie etwa in Sammelunterkünften für Geflüchtete.

Der Regierungschef, der Kanzlerkandidat der Union werden will und deshalb seit Wochen versucht, sich mit immer neuen Lockerungen gegenüber CDU-Kanzlerin Angela Merkel, aber auch gegen Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder zu profilieren, verteidigte dagegen seinen Kurs. NRW sei das erste Bundesland, das erneut eine ganze Region „komplett zurückführt“, erklärte Laschet.

Seiner Regierung gehe es um eine „Abwägung“ zwischen Gesundheitsschutz und persönlicher Freiheit. Allerdings könne aktuell niemand sagen, wie stark sich das Virus bereits auch unter Menschen ausgebreitet habe, die nicht bei Tönnies arbeiten, musste der Christdemokrat einräumen. Da die Arbeiter*innen des Schlachthofs weit verstreut wohnten, bestehe ein „enormes Pandemie-Risiko“.

Massive Einschränkungen in Gütersloh und Warendorf

In den Kreisen Gütersloh und Warendorf mit ihren knapp 640.000 Einwohner*innen gelten seit Dienstag wieder die massiven Einschränkungen, die auf dem Höhepunkt der Pandemie deutschlandweit in Kraft waren. Theater, Bars und Fitnessstudios sind dicht. Treffen von Menschen, die nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben, dürfen im Freien nur noch zu zweit stattfinden. Schulen und Kitas sind bereits seit mehr als einer Woche geschlossen.

Unter Druck geriet Laschet auch durch Beherbergungsverbote, die Urlaubsländer wie Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern gegen Menschen aus den beiden Kreisen verhängen wollen. Auf „die sich da abzeichnende Gefährdung“ müsse „angemessen“ reagiert werden, erklärte die Sprecherin der von SPD und CDU getragenen niedersächsischen Landesregierung, Anke Pörksen. Österreich sprach sogar eine Reisewarnung für NRW aus.

In Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Millionen Einwohner*innen beginnen an diesem Wochenende die Sommerferien. Im Landtag forderte Laschet deshalb, Menschen aus den beiden westfälischen Kreisen dürften nicht „stigmatisiert“ werden. Sein Rivale um die Kanzlerkandidatur, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, habe ihm in mehreren Telefonaten versichert, Urlauber*innen aus Gütersloh und Warendorf seien willkommen, wenn sie einen negativen Coronatest vorlegen könnten.

Nordrhein-Westfalens Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann versprach zudem, endlich das System der Werkverträge zu verbieten, mit denen Fleischkonzerne wie Tönnies Arbeiter aus Osteuropa ausbeuten. Subunternehmen prellen sie teilweise selbst um den Mindestlohn – und berechnen Wucherpreise für enge, unhygienische Unterkünfte, in denen sich Corona schnell ausbreitet.

Unklar bleibt, ob das ausreicht, Laschet politisch zu stabilisieren – die Umfragewerte des Christdemokraten sinken seit Wochen. Aktuell sind selbst in NRW nur noch 46 Prozent der Menschen mit der Arbeit ihres Ministerpräsidenten zufrieden, so eine vom WDR in Auftrag gegebene Umfrage, die bereits Mitte Juni veröffentlicht wurde. Im April waren es noch 65 Prozent. Laschets Kurs der vorschnellen Lockerungen könnten also der Fehler gewesen sein, der seinen Traum von der Kanzlerschaft unter sich begräbt.

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8 Kommentare

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  • Laschet begeht den Fehler, das Virus wie einen politischen Gegner zu behandeln. Aber man kann einem Virus nun mal keine Zugeständnisse abverhandeln oder einen Interessenausgleich mit ihm herbeiführen.

  • Dass die Fleischfabriken mit ihrer kalten Betriebstemperatur und engen, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen ein Hotspot werden könnten war vielleicht zu erraten aber genau wissen konnte man es nicht. Längere Maßnahmen hätten da auch nicht viel geholfen, irgendwann hätte der Virus es dort hinein geschafft und sich wohlgefühlt. Ich seh da keinen Grund Laschet oder den zügig arbeitenden Behörden Druck zu machen. Den Fleischfabriken, überall, sollte man Druck machen damit sie nicht die Freitheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter und der Bevölkerung gefährden

    • @Thomas R. Koll:

      Das Problem war allerdings seit dem ersten Ausbruch bei Westfleisch bekannt. Worin bestanden die Reaktionen? Z.B. darin, dass Tönnies ein Hygienekonzept ausgearbeitet hat, dessen Umsetzung niemand kontrolliert hat.



      Und spätestens da kommen einem dann doch Fragen -- auch wenn NRW und die Regierung Laschet sich hier in nichts von anderen Landesregierungen unterscheidet. Kontrolliert Hessen das Amazon-Fullfillment-Center in Bad Hersfeld? Baden-Württemberg die Unterkünfte der osteuropäischen Spargelstecher? Und so können Sie alle Bundesländer durchgehen.

  • Die Daten zeigen seit weit über einer Woche das Handeln notwendig ist:

    www.dkriesel.com/_...hein-westfalen.png

    Laschet: erst war er gegen Öffnen, dann sehr dafür, dann gegen Ramelow der mehr öffnen wollte als er (naja eigentlich nicht), dann ist er selbst wieder weiter gegangen. Und als dann handeln notwendig war hat er die Wende im Kopf nicht geschafft.

    Eines ist klar geworden: Kanzler kann er nicht!

  • Die Massenansteckung bei Tönnies hat also mit den Lockerungen in den Schule zu tun? Ich wusste gar nicht, dass die Schulkinder zum Unterrichten in den Schachthof geschickt werden.

    Die Schlachthöfe sind ein Infektionsrisiko, das weiß jeder, das hat sich auch schon mehrfach gezeigt. Und trotzdem sind nirgendwo Schalchthöfe geschlossen worden. Ich weiß gar nicht, ob das auf Ländereben überhaupt einfach so geht.

    Ich bin mit der Linie Armin Laschts, die besagt, dass man bei den Einschränkungen nicht nur das Corona-Risiko sindern uch den Schaden (und zwar den gesundheitlichen Schaden!) durch den Lockdown berücksichtigen muss, sehr zufrieden.

    Die ständige Unterstellung, er täte das nicht aus persönlicher Überzeugung sondern "um Kanzler zu werden" halte ich für eine Unverschämtheit. Ich bin sehr froh, dass nicht Panik-Söder bei uns Ministerpräsident ist.

  • Das wird schwierig, nächstes Jahr mit einem CDSU-Kanzler. Söder hat als KK ganz klar die Nase vorn. Als K mit Scheuer im Schlepptau aber keine Chance, zumal er ja selber nicht will. Merz, nicht mehrheitsfähig, Röttgen abgetaucht. Merkel wird nicht so dumm sein, wie Kohl an Nummer 5 zu scheitern.

  • Herr Laschet ist aus meiner Sicht ebenfalls zu lasch; er hat sich zu lange schon von Clemens Tönnies am Nasenring durch die Manege führen lassen.

    Wenn ich ihm einen Rat geben sollte dann den, dass er zu Hause schon mal vor dem Spiegel üben sollte, den Karneval im kommenden Jahr komplett abzusagen, damit das dann auch klappt. Weniger pastorale Büttenreden, klare, unmissverständliche Ansage mit Konsequenzen wäre hilfreicher. Kanzler kann er wohl nicht...

    • 0G
      02612 (Profil gelöscht)
      @Grenzgänger:

      Ich wäre mir da nicht so sicher, ob Laschet Tönnies überhaupt wahrgenommen hat....