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Clubsterben im BundestagAuf einer Stufe mit Bordellen

Erstmals wurde das Clubsterben im Bundestag diskutiert. Die Oppositionsanträge werden wohl nicht angenommen, könnten aber viel bewirken.

Demonstration gegen das Clubsterben #SaveGriessmuehle vor dem Rathaus Neukölln, Berlin, 22. Januar Foto: Christian Mang

Das MMA in München, der Farbfernseher in Berlin und das White Rabbit in Freiburg. Nur ein kleiner Auszug aus der langen Liste an Clubs, die in den vergangenen Jahren hierzulande schließen mussten. Die Gründe sind immer die gleichen: befristete Mietverträge, Beschwerden wegen Lärm und Immobilieninvestoren, für die Musikspielstätten auf ihren Grundstücken ein Investitionsrisiko darstellen.

Dass mittlerweile selbst die Bundespolitik das Phänomen Clubsterben ernst nimmt, zeigt ein Hearing, das am Mittwoch „Clubkultur“ im Bundestag auf die Agenda gesetzt hat. Wohlgemerkt zum ersten Mal in der Geschichte des Landes. Initiiert haben das Fachgespräch im Bauaussschuss Anträge der Linken, Grünen und FDP.

Dort wurden Sachverständige und Clubbetreiber:innen angehört: Pamela Schobeß, Betreiberin des Berliner Clubs Gretchen und Vorsitzende des Berliner Verbandes Clubcommission, Steffen Kache von der Leipziger Distillery und Vorstand des Verbands für Livemusikspielstätten sowie Jakob Turtur, der als Mitbetreiber des ehemaligen Berliner Szeneladens Jonny Knüppel den Kampf gegen die Verdrängung bereits verloren hat.

Als Kulturorte anerkennen

Die Parteien fordern nun, Clubs und Konzerthallen rechtlich mit Theatern und Kinos gleichzusetzen, sie als Kulturorte anzuerkennen. Aktuell stehen sie als Vergnügungsstätten rechtlich auf einer Stufe mit Spielotheken und Bordellen. Das hat schwerwiegende Folgen: Eine Baugenehmigung für solche Gewerbe zu bekommen ist kaum möglich. Schutz vor Verdrängung? Fehlanzeige. Für Pamela Schobeß stehen nicht allein die baurechtlichen Konsequenzen einer Gleichstellung im Vordergrund: „Mit Bordellen verglichen zu werden“ sei für ihre Arbeit „immer ein Schlag ins Gesicht“.

Mit Bordellen verglichen zu werden, ist ein Schlag ins Gesicht

Darüber hinaus fordern alle drei Parteien, dass zukünftig nicht die Clubs selbst für Lärmschutz aufkommen, wenn in der Nähe Wohnhäuser gebaut werden, sondern die Investoren der Neubauten. Dieses „Agent of Change“-Prinzip hat sich in London bewährt. Geht es nach den Grünen und Linken, sollen Spielstätten beim Ausbau von Lärmschutzmaßnahmen zukünftig finanziell unterstützt werden.

Schalldämmung kann schnell fünf- bis sechsstellige Beträge verschlingen. Gerade für kleine Spielstätten bedeuten Lärmbeschwerden also oft das finanzielle Aus. Mit entsprechenden Schallschutzfonds habe man in Berlin und Hamburg bereits gute Erfahrungen gemacht. Die Bürokratie- und Steuererleichterungen, die die FDP fodert, würden ebenfalls besonders kleineren Betrieben zugutekommen.

Zusätzlich wollen alle Parteien den Bestandsschutz für bereits existierende Orte verbessern: Entweder durch spezielle Clubkataster (Grüne, FDP), um Konflikte zwischen bestehenden Spielstätten und neuen Bauvorhaben frühzeitig erkennen zu können, oder durch die Ausweisung spezieller Kulturgebiete, in denen anerkannte Orte besonderen Schutz erfahren sollen. Linke und Grüne fordern zusätzlich einen Kündigungsschutz und Mieterhöhungsbegrenzung für bereits bestehende Spielstätten.

AfD kann Buch- und Musikclubs nicht unterscheiden

Oppositionsanträge haben in der Regel kaum Chancen, angenommen zu werden. Trotzdem verbuchen die Parteien solche Anträge als Erfolg. Das öffentliche Interesse ist groß: Bereits eine Woche vor der Sitzung waren im Bundestag dafür keine Besucheranmeldungen mehr möglich. Am Mittwoch sind die Zuschauerränge voll besetzt. Bei einer Sitzung des Bauausschusses!

Auch der breite Konsens der Parteien ist ungewöhnlich. Bis auf die AfD, die bisweilen den Unterschied zwischen Buch- und Musikclubs nicht versteht, sind sich alle Fraktionen einig: Es besteht Handlungsbedarf, das sehen selbst die Regierungsparteien. Karsten Möring von der CDU: „Die meisten, die hier sitzen, müssen nicht katholisch gemacht werden. Wir sind der Überzeugung, dass eine Clubszene für eine Stadt bereichernd ist und man Möglichkeiten schaffen soll, damit diese sich auch dort entfalten kann.“

Dass einzelne Vorschläge tatsächlich umgesetzt werden, ist also nicht ausgeschlossen. CDU und SPD haben sich eine Novelle des Baugesetzbuches in den Koalitionsvertrag geschrieben. So könnten einige der Forderungen der Opposition über die Hintertür von den Regierungsparteien angenommen werden.

In einer früheren Version wirkte es, als hätten Linke, Grüne und FDP die Anträge gemeinsam gestellt. Richtig ist: Das Fachgespräch wurde auf seperate Anträge der drei Parteien hin initiiert.

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4 Kommentare

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  • Lärmschutz ist doch wichtig, gerade in Städten.

    Ist also eher was positives, wenn besonders laute Clubs verschwinden und den Nachbarn (ob alt oder neu) nicht mehr auf die Nerven gehen.

  • Club sterben. Und? Warum muss alles erhalten werden?



    In vielen Dörfern sind die ganzen Kneipen "gestorben". Gab es da politische Initiativen zur Rettung? EU Subventionen als Weltkulturerbe?



    Warum sollten nicht Clubs, die sich ja für jung und dynamisch halten, einem Wandel unterzogen sein?

    Vielleicht korreliert es auch mit der globalen Erwärmung, aka Klimawandel und kann in den EU Rettungschirm mit einbezogen werden.

  • Die Überschrift verführt mich dazu, die Arbeitsverhältnisse in Clubs anzusprechen. Mal sehr provokativ behauptet: im Kapitalismus können Clubs und Bordelle die gleiche Rolle einnehmen, nur eben für unterschiedliche Bevölkerungsschichten.

    Wenn man die Ausbeutung sexueller Arbeit so richtig abschaffen will, muss man - das geht gar nicht anders - den Kapitalismus und das Patriarchat überwinden. Will man sie nur möglichst begrenzen, dann muss man die Sache gewerkschaftlich sehen: Zuhälter bekämpfen, Sexarbeiter:innen organisieren und für deren Rechte (mit-)kämpfen.

    Clubs hängt nicht die moralische Kritik von Rechts an, mit der Sexarbeit (nicht deren Ausbeutung) als Schmutz erklärt wird. Dennoch gibt es auch in Clubs miese Arbeitsbedingungen und jede Menge Ausbeutung.

    Ist gekaufter Sex nun schlimmer als gekauftes Gruppenerlebnis? Vielleicht, ja, letzteres lässt sich das gemeinsame Interesse besser sehen und viele Kunden von Sexarbeit finden die Ausbeutung dabei bestimmt sogar gut - bei Clubgängern würde man das so nicht unterstellen.

    Dennoch führt dieser Vergleich zu einer Idealisierung von Clubs auf Kosten von Sexarbeiter:innen. Man sollte vielmehr beides einfordern: Sexarbeit ist nämlich auch ein integraler Bestandteil der kapitalistischen Stadt. Wenn wir Clubs schützen, dann auch die Arbeitsverhältnisse in Clubs und dann bitte auch die Arbeitsverhältnisse von Sexarbeiter:innen. Alles andere spielt nur die einen gegen die anderen aus.

  • Warum genau sollen jetzt Clubs besser sein als Bordelle? Was den Lärmschutz betrifft hat, ist ein Bordell sicher ein angenehmerer Nachbar als ein Bordell. Und darum sollte es schließlich gehen, alles andere ist individuelle Geschmackssache.

    Wenn man da nämlich mit Moral kommt, was ist dann mit Gay-Clubs, Darkrooms, SM-Clubs, Swinger-Clubs? Sollen die aus Sicht der Clubbetreiber wirklich anders behandelt werden, als "normale" Clubs? Dann sollten sie das auch sagen!