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Chinesischer Konzern im Hamburger HafenScheinheilige Empörung

Kommentar von Gunnar Hinck

Der umstrittene Containerterminal-Deal ist nur ein Symbol. Dahinter steckt eine viel größere Abhängigkeit von China – über die muss geredet werden.

Wie viele der Container stammen wohl aus China? Foto: Daniel Reinhardt/dpa

B ei Spaziergängen am Hamburger Elb­ufer kann man sehr schön die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China erkennen. Ungefähr jedes zweite einlaufende große Schiff kommt mittlerweile aus China. In den Containern lagern Flachbildfernseher, Fahrräder, Kleidung, Mikrochips, Solarzellen und vieles mehr. Die Volksrepublik ist das wichtigste Importland für Deutschland und das zweitwichtigste Exportland.

Die Kritik, dass sich die chinesische Staatsreederei Cosco jetzt in ein Hamburger Containerterminal einkauft, ist vor diesem Hintergrund reichlich scheinheilig. Die Abhängigkeit von China macht sich nicht an diesem Deal fest – sondern daran, dass China im Handel mit Deutschland immer wichtiger geworden ist: Wir KonsumentInnen haben die billige Energie aus Russland gern genommen und nehmen gern die günstigen Waren aus China.

Scheinheilig ist auch, dass die öffentliche Empörung erst dann an Fahrt aufnahm, als bekannt wurde, dass sich mehrere Bundesministerien gegen den Kauf aussprachen. Offensichtlich braucht es das Fahrwasser von Robert Habeck und Annalena Baerbock, um sich über längst bekannte Kaufabsichten empören zu können.

Man hätte es auch bereits nach der Zeitenwende vom 24. Februar tun können, wenn es tatsächlich um die Grundfragen geht: Wie viel Abhängigkeit zu einer autokratischen Großmacht wollen wir? Sind gute Beziehungen zu China, Arbeitsplätze, die Gewinne von Hamburger Logistikunternehmen und unser Konsum wichtiger als eine mögliche Erpressbarkeit, wenn es im Fall Taiwan hart auf hart kommt?

Das Beispiel Solarzellen zeigt, was in der Vergangenheit schiefgelaufen ist. Diverse Bundesregierungen hatten die deutsche Solarindustrie vor die Wand fahren lassen, weil das marktradikale Prinzip galt: Solartechnik aus China ist billiger, also ist die hiesige Branche raus. Das bedeutete aber gleichzeitig, dass man die Energiewende von einem Handelspartner abhängig machte, der deutliche politische Absichten hat.

Kehrseite der Globalisierung

Es braucht eine offene, ehrliche Debatte darüber, wie wir es mit China und Handelspolitik überhaupt halten. Globalisierung heißt bislang eben auch, dass die Großen immer größer und kleine Länder vernachlässigt werden – weil es bequem und profitabel ist. Angeblich feilt die Bundesregierung an einer „China-Strategie“, von der aber bislang offiziell nichts bekannt ist.

Von der Ampel sind viele Absichtsbekundungen zu hören; man wolle Abhängigkeiten reduzieren. Die Handelszahlen mit China sprechen aber eine andere Sprache – das zeigt, dass es ungleich schwieriger ist, Farbe zu bekennen, als sich öffentlichkeitswirksam über aufgeblasene Symbolthemen wie ein Containerterminal zu empören.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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18 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ob es scheinheilig ist, Bedenken über den bevorstehenden Teilverkauf zu haben, mag bei unterschiedlichen Amtsträger*innen und Bürger*innen anders aussehen - z.B. abhängig davon, ob man überhaupt bis vor wenigen Wochen davon wusste.

    Bestimmt haben die taz, bestimmt haben auch viele andere darüber berichtet, als der Handel eingefädelt wurde - doch wie viel Aufmerksamkeit hat die Sache bekommen? Ich wusste tatsächlich gar nichts davon.

    "Es braucht eine offene, ehrliche Debatte darüber, wie wir es mit China und Handelspolitik überhaupt halten."

    Richtig!



    Und die würgt man mit Vorwürfen wie dem der Scheinheiligkeit schon gleich im Vorfeld ab.

  • Lächerlciher Populismus ähnlich wie Atomverhandlungen mit IRAN. VW macht über China beste Geschäfte weiterhin in Rußland-alle anderen auch!



    Es geht um Resourcensicherung und Einflußsphären weltweit und deutsche Exportwirtschaft ist zu 100% abhängig davon ! oder wollt ihr eure Wellnesszonen schon früher verlassen???

  • Es ist immer wieder von 'wir' die Rede, wenn es um die Aussichten der 'deutschen' Industrie geht. Irgendwie ist der Spruch 'wir sitzen alle in einem Boot' noch viel zu sehr in unseren Köpfen. auch wenn 'wir' feststellen müssen, dass viele -von der Arbeit bereite- vor Allem in ehemaligen DDR-Gebieten, schon lange aus diesem imaginären Schiff gestossen wurden oder gar nicht erst ans Mitrudern gelassen wurden und das in Zeiten, wo die Bootsbesitzer auf dem Absprung sind, weil es hier kaum noch Profitaussichten gibt. Dann sitzen 'wir' allein auf dem Trockenen !

  • Ich bin jetzt mal populistisch. Jeden Tag 50 Tote durch Schusswaffe in den USA (2020). Kenne jetzt die Zahl der Toten am Tag durch chinesische Staatsgewalt nicht, aber es scheint mir egal ob mein Staat oder mein Nachbar (mit Unterstützung des Staates) mich umbringt...

  • Deutschland hat keine Industriepolitik, das sieht man in jedem Bereich, siehe Rohstoffe und jetzt auch Windkraft.



    Womit Deutschland in Zukunft Geld verdienen wird, interessiert nicht?

  • Nee, bei der TAZ ist jetzt der Groschen gefallen, trotz Harbeck und Bearbock:



    Der Deal in Hamburg ist genauso wichtig, als wenn in China ein Sack Reis umfällt! Nicht die Häfen, die Schiffe sind das Problem.

    Siehe meinen Kommentar zu:



    taz.de/Coscos-Eins...bb_message_4413182

  • China steckt ethnische Minderheiten in Umerziehungslager - und der Westen schaut weg, aber der Handel und die Geschäfte mit China gehen weiter. Nicht das es Europa bzw. Hamburg eines Tages so geht wie Hongkong.

    • @Daniblume:

      Stimmt - und im Gegenzug ignoriert China westliche Menschen- und Völkerrechtsverstöße. Man ist sich also einig.

  • Nur lustig, als wenn die Kritiker an dem Cosco-Deal beteiligt oder Verursacher wären...



    Klar haben es auch die Verbraucher in der Hand, was und von wem sie Konsumieren. Allerdings auch meist nur bedingt, wenn wie bei dem genannten Beispiel der Solaranlagen, unsere Regierung den deutschen Herstellern - und somit auch den deutschen Kunden - einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Was wiederum unverzeihlich ist und die Folgen durch unsere, manchmal doch recht fragwürdigen Entscheidungsträgern, noch nicht Absehbar sind.



    Wir können gespannt sein, wer wieder alles Verantwortung übernehmen will, oder ist sich nicht erinnern- gerade angesagter...

    • @Alex_der_Wunderer:

      Um Ihren Vorwurf zu konkretisieren:



      Rot Grün führte vor 20 Jahren eine Einspeisevergütung ein, die die Photovoltaik in Deutschland beflügelte.



      Schwarz Gelb stampfte das Ganze wieder ein.



      Das war der Anfang vom Ende der deutschen Solarbranche. Damals hielt sich der Eindruck, dass die Reduzierung der Vergütung im Zusammenhang mit neuen Verträgen mit China stand

      • @Philippo1000:

        👍

  • Sehr treffender Artikel zum Thema!



    Danke, so sehe ich das auch!

  • Ich meide wo immer möglich Produkte aus China (made in China wurde bewusst durch made in PRC ersetzt, also Obacht. Das kann jeder tun.



    We Made you, we brake you

  • Statt die Kritik am Cosco -Einstieg im Hamburger Containerterminal als scheinheilig abzuwerten, kann man es auch anders sehen: endlich richtet sich mehr Aufmerksamkeit auf die Abhängigkeit von China. Und es kann ein Anfang sein, diese Abhängigkeit zu reduzieren. Wobei da auch jede/r Einzelne mit dem eigenen Konsum etwas beitragen kann...

  • Keine Energie- und Mobilitätswende ohne Rohstoffe und (Vor-) Produkte aus China. Die eine Seite. Die andere können wir aber auch. So hat die EU 2014 afrikanische Länder mit Strafzöllen belegt, bis die das EPA-Abkommen unterzeichnet haben.

  • Whataboutism.

    • @nutzer:

      Und Scheinheiligkeit.