Chemikalienbelastung in Gewässern: Ackergift im Wasserglas

TFA steht im Verdacht, unfruchtbar zu machen. In Europa haben Umweltschützer Flüsse untersucht – und die Chemikalie fast flächendeckend gefunden.

Eine Hand hält ein Wasserglas, ein gesicht spiegelt sich darin

TFA ist mobil, beständig und Wasserwerken nicht geheuer Foto: Leisinger Photography/imago

BERLIN taz | Europas Flüsse, Seen und Grundwasserspeicher sind nahezu flächendeckend mit der Chemikalie TFA belastet, deren Wirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt noch nicht völlig geklärt sind. Das ist Ergebnis einer Untersuchung von PAN Europe und Global 2000. Die beiden Umweltorganisationen haben 23 Gewässer und 6 Grundwasservorkommen in 10 Ländern Europas getestet. Alle Proben wiesen „eine besorgniserregend hohe Belastung durch die Ewigkeitschemikalie Trifluoracetat (TFA) auf“, so die österreichische Organisation Global 2000. Die drei am stärksten betroffenen Flüsse waren dabei die Elbe in Deutschland, die französische Seine und die Mehaigne in Belgien.

TFA ist ein Abbauprodukt bestimmter PFAS; diese als Ewigkeitschemikalien bekannte Stoffgruppe umfasst etwa 10.000 Chemikalien. 2.000 davon gelten als Ausgangsstoffe für TFA. PFAS sind schon lange im Visier von Umweltschützern, die Europäische Chemikalienagentur Echa und das deutsche Umweltbundesamt (UBA) wollen ein Verbot. Dagegen formiert sich im EU-Parlament unter konservativen Abgeordneten derzeit allerdings Widerstand.

Zudem ist die Echa mit ihrer Rechtsgrundlage Reach nicht für Pestizide zuständig, die unterliegen einem anderen Gesetz. Die Pestizidrichtlinie ist so verfasst, dass Hersteller möglichst effizient und unbürokratisch Zulassungen für ihre Produkte auf dem europäischen Markt beantragen können. Dies führe dazu, dass die deutschen Behörden „an das Fachurteil des erstbewertenden Mitgliedstaates gebunden“ seien, „auch dann, wenn dieser erkennbar gegen Bewertungsleitlinien verstoßen habe oder seine Bewertung aus heutiger Sicht fehlerhaft sei“, kritisierte das UBA schon vor zwei Jahren in ungewohnter Schärfe.

Gefahrenpotential noch nicht ganz klar

Problematisch ist das vor allem, weil die hohe Belastung von Gewässern mit TFA vor allem aus der Landwirtschaft stammt. So basiert zum Beispiel das Mittel „Artist“ des Chemiekonzerns Bayer auf dem Wirkstoff Flufenacet. Landwirte spritzen „Artist“ auf ihre Spargel-, Kartoffel-, und Sojabohnenfelder, um dort bestimmte Gräser, Franzosenkraut oder schwarzen Nachtschatten abzutöten. In der Umwelt wird Flufenacet zu TFA abgebaut. Der Wirkstoff werde „in Europa seit über 25 Jahren sicher verwendet“, teilt Bayer Crop Science auf Anfrage mit. Alle von Bayer angebotenen Produkte seien „sicher für Mensch und Umwelt, wenn sie entsprechend der Anwendungshinweise verwendet werden“, so der Konzern, und weiter: Nach den Ergebnissen der jüngsten wissenschaftlichen Studien zu TFA „ist es wichtig, zu sagen, dass es keine Hinweise auf ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder für die Umwelt gibt“.

Den Behörden ist Trifluoracetat trotzdem unheimlich, weil die Säure extrem stabil und sehr mobil ist. Das heißt, sie wird nur sehr langsam abgebaut und gelangt in Böden und Pflanzen. Die kommunalen Wasserwerke können sie mit der zurzeit verfügbaren Technik nicht aus dem Trinkwasser herausfiltern. Ob TFA schädlich ist, ist dabei noch nicht ganz klar. Allerdings hält die Bundesstelle für Chemikalien die Studienlage für ausreichend, um eine Einstufung von TFA als „reproduktionstoxisch“ vorzuschlagen.

Das heißt, die Chemikalie könnte unfruchtbar machen oder den Nachwuchs von Menschen und Tieren schädigen. In den nächsten Tagen will die Bundesstelle das entsprechende Einstufungsdossier offiziell einreichen. „Wir sind uns sicher, dass die zurzeit vorliegenden Erkenntnisse eine EU-Regulierung rechtfertigen“, sagt ein Mitarbeiter der Bundesstelle.

Susanne Smolka vom Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) fordert ob der Untersuchungsergebnisse, auch Pestizidprodukte auf Basis von PFAS zügig zu verbieten. Es sei nicht zu erklären, dass gerade PFAS-Chemikalien, die direkt in die Landschaft ausgebracht würden, weniger streng reguliert werden sollten als Industrieprodukte. Außerdem müsse das Beschränkungsverfahren im Rahmen des EU-Chemikalienrechts Reach schnell zum Abschluss gebracht und TFA in der Umwelt von den Behörden strenger überwacht werden. „Wir kämpfen heute noch mit den Altlasten, etwa mit DDT“, sagt Smolka, „wir sollten einen Stoff, der überall ist und dessen Gefahrenpotenzial wir noch nicht einschätzen können, nicht einfach in die Landschaft freisetzen“.

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