Chefwechsel beim Internetgiganten: Amazon-Gründer Jeff Bezos geht
Der Gründer des weltweit größten Onlinehändlers gibt den Vorstandsvorsitz ab. Sein Nachfolger Andy Jassy kommt aus dem Cloud-Geschäft.
Bezos dürfte als geschäftsführender Vorsitzender des Verwaltungsrats, der dem Vorstand übergeordnet ist, auch künftig viel Einfluss bei Amazon ausüben. In einem Memo an die Mitarbeiter erklärte der 57-Jährige, dass es bei seiner Entscheidung nicht darum gehe, sich in den Ruhestand zu verabschieden. „Ich hatte noch nie mehr Energie“, betonte Bezos. In seiner zukünftigen Rolle als Verwaltungsratschef wolle er seine Energie und Aufmerksamkeit auf neue Produkte und Initiativen ausrichten. Außerdem gewinne er so mehr Zeit für andere Projekte wie seine Stiftungen, seine Raumfahrtfirma Blue Origin oder die Zeitung „The Washington Post“, die in seinem Privatbesitz ist.
Am 5. Juli 1994 gründeten Jeff und seine damalige Ehefrau MacKenzie Bezos in Bellevue bei Seattle einen Online-Buchhandel. Das Unternehmen hieß zunächst Cadabra, wurde jedoch rasch in Amazon umbenannt. Laut der Bezos-Biographie „Der Allesverkäufer“ von 2013 klang Cadabra zu sehr nach Kadaver. Was mit Büchern begann, entwickelte sich zum größten Internetkaufhaus der Welt. Heute ist Amazon noch viel mehr als das und hält mit seinen Cloud-Services, die etwa Start-ups IT-Anwendungen und Speicherplatz im Netz bieten, unzählige Firmen am Laufen. Mit Whole Foods betreibt Amazon zudem eine eigene US-Supermarktkette.
Damit noch nicht genug: Im Streaming-Geschäft versucht Amazon mit seinem Prime-Dienst Marktführer Netflix Konkurrenz zu machen; mit dem Aufbau einer eigenen Lieferlogistik setzt der Konzern Paketzusteller wie UPS, FedEx und DHL unter Druck. Und niemand weiß so recht, welche Branchen Amazon als nächstes aufmischen wird. Bezos machte der Erfolgszug seines Unternehmens als Großaktionär steinreich. Mit einem geschätzten Vermögen von 188 Milliarden Dollar (155,4 Milliarden Euro) ist er dem „Bloomberg Billionaires Index“ zufolge derzeit der zweitwohlhabendste Mensch der Welt hinter Tesla-Chef Elon Musk.
Liebling der Wall Street
An der Börse hatte der rasant expandierende Bezos-Konzern wegen chronisch roter Zahlen indes lange Zeit einen schweren Stand. Doch seit Bezos zuverlässig Gewinne liefert, ist er zum Liebling der Wall Street geworden. Im September 2018 gelang es Amazon als zweiter Aktiengesellschaft nach dem iPhone-Riesen Apple, die magische Marke von einer Billion Dollar beim Börsenwert zu knacken. Seitdem ging es weiter kräftig bergauf – die Marktkapitalisierung von Amazon lag zuletzt bei enormen 1,7 Billionen Dollar. Auch die Nachricht von Bezos' Rücktritt konnte Anleger am Dienstagabend nicht schocken – die Aktie hielt sich im nachbörslichen Handel weiter im Plus.
Denn das Geschäft lief auch im Schlussquartal glänzend: In den drei Monaten bis Ende Dezember knackte Amazon beim Umsatz dank des Bestell-Booms in der Coronakrise und eines starken Weihnachtsgeschäfts erstmals die Marke von 100 Milliarden Dollar. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum legten die Erlöse um 44 Prozent auf 125,6 Milliarden Dollar zu. Den Nettogewinn konnte Amazon auf 7,2 Milliarden Dollar (6,0 Milliarden Euro) deutlich mehr als verdoppeln. Im Geschäftsjahr 2020 verdiente der Konzern 21,3 Milliarden Dollar, was einem Anstieg um 84 Prozent und einer neuen Bestmarke entspricht.
Kritik wegen schlechter Arbeitsbedingungen
Amazons größter Profittreiber ist derweil nicht der Onlinehandel, sondern das Cloud-Geschäft mit IT-Services und Speicherplatz im Internet. Insofern ist es auch nur logisch, dass mit Andy Jassy der Leiter dieser Sparte zum künftigen Vorstandschef befördert wurde. Amazons Cloud-Plattform AWS, die von vielen Unternehmen und Apps genutzt wird, erhöhte den Quartalsumsatz um 28 Prozent auf 12,7 Milliarden Dollar. Trotz des starken Wachstums blieb das Geschäft etwas unter den Erwartungen. Das Betriebsergebnis kletterte derweil um 37 Prozent auf 3,6 Milliarden Dollar, woran klar zu erkennen ist, was für ein attraktiver Gewinnbringer Amazons Cloud-Flaggschiff weiterhin ist.
Durch seinen Erfolg mit Amazon hat sich Bezos bei Weitem nicht nur Freunde gemacht. Dem Konzern wird vorgeworfen, mit seiner großen Marktmacht und seinen Niedrigpreisen den Einzelhandel zu zerstören. Auch wegen schlechter Arbeitsbedingungen gibt es häufig Kritik an Amazon. Der mächtigste Feind von Bezos aber saß bis vor kurzem noch im Weißen Haus: Ex-US-Präsident Donald Trump und ihn verband eine erbitterte Dauerfehde. Als Hauptgrund galt indes weniger das Geschäftliche, sondern vor allem Trumps Abneigung gegenüber der „Washington Post“, die häufig kritisch über ihn berichtet.
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