Chatkontrolle bei Whatsapp und Co.: EU-Staaten einigen sich auf Freiwilligkeit statt Pflicht
Die Chatkontrolle bei Messaging-Diensten soll kommen – vorerst freiwillig. Nach langem Streit haben sich die 27 EU-Staaten auf ein Verfahren geeinigt.
Die umstrittene Chatkontrolle soll nun doch kommen – allerdings zunächst nur freiwillig und auch nicht flächendeckend. Darauf haben sich die 27 EU-Staaten am Mittwoch in Brüssel geeinigt. Die sogenannte CSA-Verordnung (CSA steht für „Child sexual abuse“, also sexuellen Kindesmissbrauch) baut auf einer bereits bestehenden Interimsregelung auf. Messengerdienste wie Whatsapp oder Signal sollen demnach selbst entscheiden, welche Kontrollen sie einführen, um die Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten einzudämmen. Für die zunächst geplante Pflicht fand sich in der EU keine Mehrheit, auch Berlin war dagegen.
Allerdings können die Digitalkonzerne gezwungen werden, illegalen Content zu blockieren oder zu löschen beziehungsweise ihn aus den Suchergebnissen zu entfernen. Dies soll auf Anordnung der nationalen Behörden erfolgen. Die Einigung sieht zudem die Schaffung eines EU-Zentrums für den Kampf gegen Kindesmissbrauch im Netz vor. Dieses Zentrum soll die Messengerdienste unterstützen. Kritiker wittern hier allerdings eine EU-Überwachung durch die Hintertür.
„Jedes Jahr werden Millionen Dateien geteilt, die den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen zeigen“, sagte der dänische Justizminister Peter Hummelgaard, der den Kompromiss für den dänischen EU-Vorsitz erarbeitet hat. „Hinter jedem Bild oder Video steht ein Kind, das auf abscheulichste Weise missbraucht wurde. Dies ist völlig inakzeptabel.“ Er sei daher froh, daß sich die EU-Staaten auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hätten.
Eine umfassende Chatkontrolle wurde dabei nicht ausgeschlossen. Vielmehr sieht der Kompromiss vor, dass die EU-Kommisssion nach drei Jahren prüft, ob doch eine Verpflichtung der Anbieter nötig wird. Schon jetzt sind die Onlinedienste dem Vorschlag zufolge gehalten, gegen kinderpornografische Inhalte vorzugehen und Risiken für Kinder zu minimieren. Das schließt die Möglichkeit ein, dass Apps die Altersangaben ihrer Nutzerinnen und Nutzer überprüfen sowie Altersgrenzen durchsetzen müssen.
Sonneborn schlägt Chatkontrolle von Von der Leyen vor
Für solche Altersgrenzen hat sich in einem gesonderten Votum das Europaparlament ausgesprochen. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch in Straßburg für ein Mindestalter von 16 Jahren für die Nutzung der sozialen Medien. Selbst mit elterlicher Genehmigung sollen Tiktok, Instagram & Co vor einem Alter von 13 Jahren komplett tabu sein. Dies ist bisher zwar nur eine Forderung des Parlaments. Doch sie zeigt, wohin die Reise gehen könnte.
Die EU-Abgeordneten müssen der nun geplanten neuen CSA-Verordnung noch zustimmen. Dagegen formiert sich Widerstand. Schon vor der Entscheidung in Brüssel hatte der frühere Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piraten) vor „‚freiwilligen‘ Massenscans und anonymitätszerstörender Alterskontrolle“ gewarnt. Breyers Haltung wird von vielen Abgeordneten des linken Lagers geteilt.
Den Spieß umdrehen will der fraktionslose Abgeordnete Martin Sonneborn. Der Chef der Satire-Partei „Die Partei“ schlug vor, „statt der ‚freiwilligen‘ Chatkontrolle für 450 Millionen EU-Bürger eine verbindliche Chatkontrolle für Ursula von der Leyen und ihre Kommission einzuführen“. Damit spielt Sonneborn auf eine SMS-Affäre an. Von der Leyen soll 2021 per SMS milliardenschwere Impfstoffverträge abgeschlossen haben, weigert sich jedoch, ihre Chats offenzulegen. Gegen eine umfassende Chatkontrolle hat sie jedoch nichts einzuwenden – der Vorschlag stammte aus ihrer Behörde.
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