Caspar David Friedrich ohne Klimakrise: Natur-Romantik mit Atemnot

Bei einer Ausstellung zu Caspar David Friedrich und seinen Bildern ist an Natur und Kontemplation nicht zu denken. Doch die Bilder sind auch Mahnung.

Kreidefelsen auf Rügen.

Kreidefelsen auf Rügen, hier in einem Bild im Jetzt Foto: Philippe Ruiz/imago

Jetzt stünde ich gern mal in diesem Wald mit den knorrigen alten Eichen, die ich hier vor mir sehe. Oder am Meer wie dieser Mönch da. Oder auf den Kreideklippen von Rügen, wo der Wind bläst. Da gäbe es endlich Sauerstoff für meine Lungen. Und ich müsste mir nicht von diesem schnöseligen Sakkoträger auf die Zehen treten lassen.

Aber bei einer Ausstellung zu Caspar David Friedrich und seinen Bildern ist an Natur, Ruhe, Einsamkeit, Kontemplation natürlich nicht zu denken. Hier kommt der 250. Geburtstag von C. D. Friedrich dem Großen! Hier lassen wir uns die Romantik und das „Zurück zur Natur!“ mal so richtig um die Ohren hauen. Ehe wir wieder für den Rückweg mit Verbrennermotor, Sitzheizung und Klimaanlage gleichzeitig anstellen.

Wir waren im März in der Ausstellung in Hamburg, ich bin immer noch beeindruckt. Erst später merkte ich, warum mich die Bilder so anfassen: Sie stammen aus einer anderen Welt, aber zeigen Orte, die wir kennen: Rügen, Greifswald, den Ostseestrand, die Alpen. Und Friedrich hat sie vor 1840 gemalt. Also zu der Zeit, die heute in den Klima-Charts als „vor­industriell“ bezeichnet wird. Mit nur 280 ppm CO2 in der Luft, der Anteil des Treibhausgases aus der Verbrennung von Öl, Kohle und Gas war noch praktisch null.

Heute sind wir bei 420 ppm (in den leergeatmeten Räumen der Hamburger Kunsthalle waren es gefühlte 1.500 ppm).

Erinnerung an das Verlorene

Bei Friedrich haben die Städte keine Schornsteine und Fabriken, Landschaften sind ohne Straßen und Gewerbegebiete, es gibt weder Raffinerien noch Windparks. Hat er ein bisschen geschummelt oder waren die höchsten Gebäude wirklich die Kirchen?

Die Natur ist extrem und überwältigend, die wenigen Menschen sind Zwerge und froh, wenn sie heil am Rand des Bildes herumstehen dürfen. Oder sie blicken als Wanderer ohne Goretex-Jacke über das Nebelmeer. Allein und einsam und voller Demut vor der gewalt(tät)igen Umwelt, die noch keine Schützer braucht.

Caspar David Friedrichs später Erfolg hat sicher auch damit zu tun: Er erinnert uns an daran, was wir verloren haben und jeden Tag weiter zerstören. Je mehr wir Äcker zu Monokulturen machen, Wälder in Forstproduktionsstätten verwandeln und Meere in leergefischten Todeszonen, desto mehr brauchen wir den Trost eines romantischen Sonnenuntergangs im Urwald gleich hinter der Klosterruine.

Und wenn wir die bezaubernde Friedrich-Natur bei uns um die Ecke gefällt, entwässert, umgepflügt und asphaltiert haben, dann fliegen wir für zwei Wochen Waldbaden nach Neuseeland … Tut mir leid, wenn ich Ihnen den Kunstgenuss versaut habe.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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