Cannabis-Legalisierung in Deutschland: Dealen als Nebenjob

Cannabis wird bald legal, darauf einigte sich die Ampelkoalition. Was halten die Dealer im Görlitzer Park davon?

Menschen sitzen bei Sonne im Görlitzer Park

Kaum einer glaubt, dass die Legalisierung den Görlitzer Park grundlegend verändern wird Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

BERLIN taz | Es ist ein sonniger Nachmittag im Görlitzer Park. An diesem Mittwoch picknicken Familien und Studierende auf den grünen Wiesen. Aus Boomboxen von Barfüßigen läuft Elektromusik, über die Köpfe von Spaziergängern werfen zwei Erwachsene ein Frisbee. Man hört eine Pfeife, auf dem Sportplatz spielen zwei Mannschaften Fußball.

Doch auf den Wegen spielen sich auch diskrete Szenen ab. Manche fahren mit Fahrrädern auffällig im Kreis und radeln weg, wenn wieder einmal ein Mannschaftswagen von der Polizei durch den Park fährt, andere stehen vor Bänken und suchen die Begegnung.

Der Görlitzer Park ist nicht einfach nur ein Ort, den Berliner gern mit Görli verniedlichen. Der Görli ist wohl der berühmteste Park für Drogen aller Art in Deutschland. Zuletzt machte er bundesweit Schlagzeilen, nachdem im Park eine Frau von einer Gruppe von Männern vergewaltigt worden sein soll.

An diesem Mittwoch hat sich auch hier eine Nachricht schnell verbreitet: Das Bundeskabinett hat den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Teillegalisierung von Cannabis beschlossen. Steht der Görli damit nun vor einer großen Veränderung? Was sagen Passanten? Und wie nehmen die Dealer diese Nachricht auf?

Was aus den Leuten wird

Spricht man mit Passanten im Park, begrüßen viele die anstehende Legalisierung. Dass sich für den Görlitzer Park viel verändern werde, glauben aber die wenigsten. Max, 23 Jahre alt, aufgewachsen in Deutschland und Senegal, sagt, er kenne einige, die Drogen verkauften. Er selbst nicht, er müsse ja nicht, er dürfe studieren. „Die würden gern etwas anderes machen, wenn sie könnten“, sagt er.

Eine andere Passantin, Mahena, 25, sagt: „Für viele ist es kein Vollzeitjob, die meisten arbeiteten woanders. Manche bleiben hier stecken, weil sie auch anfangen, die ganze Zeit das Gras zu rauchen.“ Es mache sie traurig zu sehen, was aus den Leuten werde.

Nahe dem Ausgang zur Wiener Straße sitzen und stehen mehrere Männer an einer Parkbank, die durch einen großen Baum genug Schatten bekommt. Mehrere tragen weiße T-Shirts, einer ein buntes Hemd, zwei weitere schwarze Arbeitskleidung für Bauarbeiter.

Während ich vorbeilaufe, fragt mich einer von ihnen auf Englisch, ob ich etwas brauche. Statt freundlich abzulehnen und weiterzulaufen, möchte ich dieses Mal wirklich etwas haben. Ein Gespräch.

„Es ist ein dummes Gesetz“

Habt ihr von der geplanten Legalisierung von Cannabis gehört? Ja, haben sie, aber sie denken nicht, dass diese wirklich umgesetzt werde. Einer erklärt, dass das Parlament noch darüber berate und Cannabis also noch nicht legal sei. Ein anderer Dealer betont, dass das geplante Gesetz zwar gut für Kiffer sei, aber für sie, die hier draußen stünden, nicht viel ändern werde.

„Es ist ein dummes Gesetz“, meint ein anderer aus der Gruppe. Sein Kritikpunkt ist die Mengenbeschränkung, die ihm zu gering zu sein scheint. „Hier im Görli sind Menschen, die 50 Gramm Cannabis die Woche kaufen“, erklärt er. Das geplante Gesetz sieht vor, Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz zu entfernen und den Privatbesitz von bis zu 25 Gramm Cannabis oder drei Cannabispflanzen zu erlauben.

In Anbauvereinen sollen sich maximal 500 Menschen zum Anbau zusammenfinden und höchstens 50 Gramm pro Mitglied im Monat ausgegeben werden. Unter 21-Jährige bekommen nicht mehr als 30 Gramm im Monat mit einem maximalen THC-Gehalt von 10 Prozent.

Während die legalen Verkaufsstellen voraussichtlich höhere Preise veranschlagen müssten, wegen der Steuern, glauben einige der Dealer, dass sich im Schwarzmarkt nicht viel ändern werde, außer beim Preis.

Gras für Junkies und Touristen

„Bei uns wird durch die größere Auswahl der Preis wahrscheinlich sinken.“ Gerade kostet ein Gramm bei ihnen zehn Euro. Sie glauben, dass sie eventuell bald nur noch sieben Euro verlangen könnten. Wie teuer legales Cannabis werden wird, ist bisher allerdings noch völlig unklar.

Zwei Hände, in denen Cannabis mit Tabak gemischt wird.

Wird das Weed im Görli teurer? Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz

Eine Frau mit Gesichtspiercings und blauen Haaren unterbricht das Gespräch. „We wanna stay high“, sagt sie hibbelig und holt sich Gras von einem ab.

„Bei uns kommen die meiste Zeit Junkies und Touristen“, erklärt einer auf der Bank. „Denn hier werden ja auch andere Sachen verkauft.“ Ob sie auch härtere Drogen verkaufen, wollen sie nicht sagen. Im Park werden unter anderem auch Ecstasy, Kokain, Crack verkauft. Die meisten Dealer haben die meiste Zeit jedoch nur Marihuana bei sich, für alles andere frage man einzelne Kollegen, ob sie sich darum kümmern wollten.

Jetzt kommen die Männer untereinander ins Gespräch: „Vielleicht werden sie ja wirklich Marihuana legalisieren“, sagt einer. Ein anderer: „Wahrscheinlich werden sie aber auch härtere Gesetze verabschieden, um uns einfacher ins Gefängnis zu stecken.“

Vom Dealer zum Elektriker

Alle erzählen, sie seien Geflüchtete, die meisten aus dem Senegal. Sie bekämen 300 bis 500 Euro im Monat vom Staat, doch damit könnten sie nicht überleben. Weil sie keine Arbeitserlaubnis hätten, müssten sie schwarzarbeiten. Sie sagen, dass sie neben dem Dealen auch immer wieder andere prekäre Jobs machen würden, etwa auf dem Bau arbeiten. Kaum einer sei Dealer in Vollzeit.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Manche werden nervös und gehen langsam. Sie haben Angst, dass ihnen doch ein Zivilpolizist und kein Journalist gegenübersteht. Am Ende bleibt nur einer auf der Bank sitzen. Er macht sich keine Sorgen, dass er nicht weiß, mit wem er gerade spricht. „Ich komme nur hierher, um meine Freunde zu besuchen“, sagt er.

Er ist 29 Jahre alt, seit mehr als zehn Jahren sei er in Deutschland, ursprünglich komme er aus dem Senegal. Das letzte Mal habe er vor sieben Jahren gedealt, machen wollte er es nie. Angefangen habe er, weil er auf dem Bau gearbeitet habe und immer wieder am Ende des Monats nicht bezahlt worden sei. Jetzt hat er einen Vollzeitjob, als Elektriker.

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