piwik no script img

Café Südblock, Kotti & Co. und AquariumKeimzelle droht der Ausverkauf

Am Kottbusser Tor sollen drei Häuser mit Geschichte verkauft werden. Betroffen sind 120 Sozialwohnungen und wichtige Institutionen der Mietenbewegung.

Auf der Suche nach ihrem Vermieter: Wenn der Kotti zum Ku’damm kommt, prallen Welten aufeinander Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Die Keimzelle der Berliner Mietenbewegung soll offenbar verkauft werden: Der Südblock am Kotti, also die Admiralsstraße 1 und 2 sowie die Skalitzer Straße 6 sollen in einem Bieterverfahren veräußert werden, wie der Mieter-Zusammenschluss Kotti & Co. in einer Mitteilung vom Mittwochabend schreibt. Neben 120 Sozialwohnungen wurde dort von Bewohner:innen der Verein Kotti & Co. gegründet, der sich seit 2012 in einem selbst gezimmerten Protesthaus vor den Gebäuden trifft. Ebenso wären von einem Verkauf das Café Südblock und der oft von sozialen und linken Initiativen genutzte Veranstaltungsort Aquarium betroffen – alles direkt am Kotti und damit im Herzen von Kreuzberg.

In einem Bieterverfahren, das einer Auktion ähnelt, versuchen Eigentümer meist, einen möglichst hohen Preis für zu verkaufende Immobilien zu erzielen. Entsprechend besorgt sind Mieter:innen, dass potentielle Käufer auf eine hohe Rendite schielen wird. Durch Zufall und mit „großer Bestürzung“ habe man von dem Bieterverfahren gehört.

Protest ließ entsprechend nicht lange auf sich warten: Spontan trafen sich am Donnerstagnachmittag um die 40 Mieter:innen, um gemeinsam mit der U1 zum Kurfürstendamm 199 zu fahren, wo die Eigentümer:innen sitzen sollen.

Hausbesitzer ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung namens „Admiralstraße 1-6 Grundstücks-GmbH. & Co. Hausbau KG.“ Auf taz-Anfrage reagierte die Firma bislang weder telefonisch noch schriftlich. Eine eigene Email-Adresse hat die Firma nicht, wird aber verwaltet von der Valea Vermögensverwaltung, deren Website sich seit 2017 im Aufbau befindet und die unter der selben ­Adresse gemeldet ist.

Maserati-Harry und der korrupte CDU-Bausenator

Laut Kotti & Co. handelt es sich um einen privaten Fonds von 150 privaten Anleger:innen. Auf dem Weg dorthin wird der Eintrag aus dem Handelsregister herumgereicht. Unter den dort gelisteten Anleger:innen finden sich durchaus illustre Persönlichkeiten: Neben dem wegen Steuerhinterziehung verurteilten und geschassten Chef der Treberhilfe Berlin, Harald Ehlert – besser bekannt als Maserati-Harry –, ist wohl auch der Sohn des Ex-CDU-Bausenators Klaus Franke darunter, der wegen Korruption gehen musste.

Während der Fahrt und beim Demozug mit Trillerpfeifen, Trommeln und Sprechchören über den Ku’damm begegnet der bunt gemischten Gruppe viel Zuspruch. Eine Mutter mit Kinderwagen hat auf ihrem Plakat „Besorgte Mieter:innen“ steht und wird in der U-Bahn von einem jüngeren Mann mit Base-Cap angesprochen. Er sagt: „Na, davon kann ich ein Lied singen. Uns haben die nach 12 Jahren aus der Oranienstraße gentrifiziert.“

Mitgebracht haben die Mie­ter:innen rund 150 Briefe an alle Anleger:innen der GmbH. Darin fordern sie, dass diese die Häuser an das Land übergeben sollen – zu einem „sozialverträglichen Verkaufspreis“ und unter „Arbeitsplatzgarantie für die derzeitigen Hauswarte“. Tatsächlich soll die Degewo bereits ein Angebot für die Häuser abgegeben haben, wie ein Mieter berichtete, das habe die Gesellschaft allerdings offenbar abgelehnt. Die Degewo wollte auf taz-Anfrage keine Stellung nehmen.

Die Stimmung ist kämpferisch

Karolina Sanders, Kotti & Co

„Die Stimmung ist kämpferisch“, sagt Karolina Sanders (Name geändert) von Kotti & Co., die selbst Mieterin dort ist. „Viele sind empört und haben große Sorgen. Aber es gibt auch eine große Entschlossenheit, die Häuser zu verteidigen.“ Die Mieter:innen befürchten eine Verschlechterung des Zustands ihrer Häuser, in denen ohnehin schon zu wenig in Instandhaltung investiert worden sei.

Am Kurfürstendamm 199 deutet auf den ersten Blick nichts auf den Vermieter hin. Nur der Name der Vermögensverwaltung steht dort auf einem Schild. Vor der Tür warten allerdings schon Polizist:innen, die den Eingang bewachen. Reinlassen wollen sie erst mal keinen. Der Geschäftsführer sei nicht da und die Angestellten wollten nicht aufmachen, lässt die Polizei mitteilen.

Die Rede eines Mieters mit Megafon vor der Hausnummer 199 ist dennoch kämpferisch: „Allen möglichen profitorientierten Käufern sagen wir hiermit klar und deutlich: wir werden um unsere Häuser kämpfen – wer hier kauft, kauft Ärger!“ Die bisherigen Vermieter:innen versuchten, möglichst viel Rendite aus den mit staatlichen geförderten Wohnraum zu ziehen, sagt er.

Auf diese Weise diene Eigentum nicht der Allgemeinheit, sondern müsse enteignet werden. Beim „spekulativen Verkauf von Sozialwohnungen ist die Enteignung angemessen“, ruft er, woraufhin der Rest und sogar ein paar Passant:innen am Ku’damm jubeln. „Wir sind eine vielfältige Mieter*innenschaft, die sicherlich viele Unterschiede in Lebensweise, Glauben, Migrationsgeschichte und Lebenseinstellungen hat. Aber was uns vereint: Wir wollen hier am Kotti wohnen bleiben“, ruft er. Erneut ist Jubel die Antwort.

Der Südblock liegt in einem Milieuschutzgebiet, so dass der Bezirk kommunales Vorkaufsrecht vornehmen könnte, wenn beim Verkauf alles mit rechten Dingen zugeht. Aber ob dieses auch tatsächlich zum Einsatz kommt, hängt auch immer davon ab, wie teuer eine Übernahme ist. Auf taz-Anfrage teilt der Bezirk mit, dass ein möglicher Verkauf „an das Bezirksamt herangetragen“ worden sei – „sollte ein Verkauf stattfinden, wird das Bezirksamt prüfen, ob eine Vorkaufsrechtsprüfung möglich ist“, heißt es.

Zu ihrem Vermieter durften die Mieter:innen nicht, aber immerhin zum Briefkasten Foto: Florian Boillot

Bei einer etwaigen Übernahme durch eine landeseigenen Wohnungsgesellschaft erhofft sich der Verein auch die Unterstützung vom Senat. Berlins rot-rot-grüne Landesregierung hat 2016 versprochen, sich für die Erhaltung von sozialen Wohnraum einzusetzen.

Das direkt gegenüber vom Südblock gelegene Neue Kreuzberger Zentrum (NKZ) wurde 2017 nach viel hin und her von der Gewobag gekauft. Auch damals haben Eigentümer laut Kotti & Co. zunächst versucht, ein Bieterverfahren zu eröffnen. Wohl um den Preis in die Höhe zu treiben.

Auch wenn sie den Geschäftsführer, einen Herrn Seidel nicht sprechen dürfen, so dürfen die Mieter:innen nach einer Weile in Polizeibegleitung zumindest ihre Briefe einwerfen.

Problem nur: Der Briefkasten ist gar nicht so leicht zu finden. Auf mehreren Briefkasten in dem Haus finden sich gleich unübersichtlich eine große Menge von GmbHs. Irgendwann ist er doch gefunden. Die Admiralstraßen GmbH teilt sich den Briefkasten mit zehn anderen Firmen und zwei Rechtsanwält:innen.

Update, 17:30 Uhr: Der ursprüngliche Artikel wurde ergänzt um die Geschehnisse um die Demonstration am Nachmittag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!