CO2-Werte neuer Fahrzeuge: Autobauer unter Schummel-Verdacht
Neuwagen stoßen wieder deutlich mehr Kohlendioxid aus, als die Hersteller angeben. Das zeigt eine neue Studie. Die Forscher sehen die EU in der Pflicht.
Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT), einer Forschungsorganisation, die den VW-Dieselskandal in den USA im Jahr 2015 mitaufgedeckt hatte. Laut den Autoren der Studie waren die Verbrauchswerte im Jahr 2022 ganze 14,1 Prozent höher als von den Autokonzernen angegeben. Noch 2018 habe der Unterschied bei durchschnittlich 7,7 Prozent gelegen.
Die Daten driften laut der Studie auseinander, obwohl die Europäische Union (EU) erst im Jahr 2017 ein neues Fahrzeugprüfverfahren eingeführt hat. Beim sogenannten WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) wird der offizielle CO2-Ausstoß neuer Fahrzeugmodelle in einer kontrollierten Laborumgebung ermittelt, um realistischere Werte für den Ausstoß von Schadstoffen und für den Kraftstoffverbrauch zu liefern.
Das Verfahren habe sich zunächst bewährt, schreiben die Autoren der ICCT-Studie: Die Differenz zwischen den realen Daten und denen aus dem Labor sei so von 32,7 Prozent auf eben 7,7 Prozent gesunken.
„Verbraucher müssen mehr für Kraftstoff bezahlen“
Für die aktuelle Studie haben die Forscher nun offizielle CO2-Emissionszahlen der Europäischen Umweltagentur (EEA) mit realen Kraftstoff-Verbrauchsdaten von über 160.000 Fahrzeugen verglichen. Diese realen Daten haben die Besitzer:innen auf der Website spritmonitor.de festgehalten. Weil die Lücke wieder größer geworden ist, schlagen die Wissenschaftler Alarm: „Wird hier nicht gegengesteuert, verlieren die offiziellen CO2-Emissionswerte zunehmend an Aussagekraft“, warnt Jan Dornoff, leitender Wissenschaftler am ICCT. „Das untergräbt die Bemühungen der EU zur Verringerung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen und führt dazu, dass die Verbraucher mehr für Kraftstoff bezahlen müssen.“
Jan Dornoff, ICCT-Forscher
Die Gründe für die wachsenden Unterschiede sind noch nicht ganz erforscht, erklärt der ICCT-Forscher Peter Mock. Eine Rolle könnte aber zum Beispiel die Reifenwahl spielen: Zwar seien die Laborbedingungen mit dem WLTP bei den Reifen mittlerweile recht klar geregelt. Welche Reifen die Kund:innen am Ende aber für ihr Fahrzeug wählen, werde jedoch kaum mehr überprüft, sagt Mock.
Außerdem hätten die Hersteller seit der Einführung des neuen Prüfverfahrens Zeit gehabt auszuloten, wie in legalem Rahmen mit dem WLTP besonders niedrige Verbrauchswerte herbeigeführt werden können. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) weist auf Anfrage der taz darauf hin, dass sich „die deutsche Automobilindustrie an die gesetzlich vorgeschriebenen Vorgaben hält“, das WLTP aber „freilich nicht jede real mögliche Fahrsituation“ abbilde.
Reale Emissionen müssen sinken, fordern Politiker
„Im Prinzip sind die Gründe egal“, wendet Mock ein, da es schon Möglichkeiten gebe, die Lücke wieder zu schließen. So legen die Autoren der Studie der EU etwa nahe, die Daten der in Fahrzeugen verbauten Verbrauchsmessgeräte zu nutzen.
„Am Ende müssen aber die realen Emissionen auf der Straße sinken“, mahnt Anton Hofreiter, für die Grünen im Bundestag. „Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass es für die Einhaltung der Klimaziele im Verkehrsbereich Nachholbedarf gibt“, sagt der taz auch Tiemo Wölken, sozialdemokratischer Umweltpolitiker im Europaparlament.
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