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CDU sägt am VerbandsklagerechtDas Geheimnis der Christdemokraten

Die CDU will Umweltverbänden das Recht nehmen, für die Natur vor Gericht zu ziehen und so eine der größten Errungenschaften unserer Justiz abschaffen.

Demonstration verschiedener Klimagruppen und Umweltverbänden in der Lausitz im Juni 2023 Foto: Andreas Frank/imago

I m deutschen Rechtssystem gilt grundsätzlich der Individualrechtsschutz. Das heißt, dass nur die Person, die in ihren eigenen Rechten verletzt ist, klagebefugt ist. Wenn Frau Ferdinand es zum Beispiel nicht richtig findet, dass eine Autobahn gebaut wird, weil dafür jahrhundertealte Bäume gefällt werden sollen, kann sie sich dagegen nicht wehren. Wenn jedoch ein Teil ihres Grundstücks dem Bau zum Opfer fallen soll, kann sie dagegen vor Gericht ziehen, weil ihr Individualrecht auf den Schutz ihres Eigentums verletzt sein könnte.

Schon 1973 fragte in den USA der Jurist Christopher D. Stone, ob Bäume klagebefugt sein sollten („Should Trees Have Standing?“) und damit ist ein zentraler Gedanke des Verbandsklagerechts auch schon beschrieben. Es ist der Gedanke, dass die Natur, die Umwelt oder das Klima sich nicht mit Individualrechten an ein Gericht wenden können, sondern nur Menschen oder Menschengruppen für ihre Interessen eintreten können.

Das Verbandsklagerecht kam nicht mit einem Mal nach Deutschland, sondern wurde schrittweise erkämpft. Zunächst ist die Verbandsklage im Naturschutzrecht geschaffen worden. Anerkannte Vereinigungen, die sich dem Schutz der Natur verpflichtet fühlen, können seitdem Klage erheben, auch wenn sie nicht in ihren eigenen Rechten verletzt sind.

Mit der später eingeführten umweltrechtlichen Verbandsklage können Umweltverbände auch gegen Zulassungsentscheidungen von genehmigungsbedürftigen Anlagen und Infrastrukturmaßnahmen klagen. Genau dies möchte die CDU in Zukunft untersagen. In ihrem Wahlprogramm erläutert sie, dass sie sich auf europäischer Ebene für die Abschaffung des Verbandsklagerechts bei Infrastrukturmaßnahmen einsetzen möchte. Zunächst will die CDU jedoch die deutsche Regelung prüfen und an jenen Stellen kürzen, an der sie über die europäische Vorgabe hinausgeht.

Umweltverbände siegen vor Gericht

Der Europäische Gerichtshof hat hierzu aus dem Jahr 2011 eine klare Rechtsprechung, weshalb allein schon vor diesem Hintergrund der Vorstoß der CDU konsequenzenlos bleiben dürfte. Die Trianel Kohlekraftwerk GmbH und Co. KG wollte damals ein Kohlekraftwerk in Lünen errichten. In diesem Gebiet liegen mehrere Naturschutzgebiete. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sah diese Gebiete als gefährdet an und klagte beim Oberverwaltungsgericht Münster. Dieses ersuchte den Europäischen Gerichtshof zu der Frage, ob Umweltverbände gegen Projekte mit Auswirkungen auf die Umwelt klagebefugt seien.

Der Europäische Gerichtshof hielt fest, dass Umweltverbände ein Recht auf Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten. Umweltverbände müssen also die Möglichkeit haben, das Verletzen von Vorschriften vor Gericht geltend zu machen. Dabei ist entscheidend, dass diese Vorschrift aus dem Unionsrecht hervorgeht und den Umweltschutz bezweckt, und es kommt nicht darauf an, ob die Vorschrift nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechte Einzelner schützt.

Beispiele für Verbandsklagen lassen sich viele finden. In Lüneburg hatte zum Beispiel der Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen einen Antrag gegen den Bau der Bauschuttdeponie Driftsethe gestellt. Die Genehmigung verstoße gegen Umweltschutzgesetze, die Klimaschutzziele und der Artenschutz seien nicht ausreichend berücksichtigt und die Auswirkungen des Vorhabens auf die CO2-Bilanz nicht umfassend geprüft worden. Das OVG Niedersachsen gab dem Antrag im Mai 2024 statt und stoppte den Bau vorerst.

Dank der Verbandsklage können sich Gerichte mit den Auswirkungen einer Bauschutt­deponie oder dem Brutschutz von Vögeln auseinandersetzen

Daraufhin ruhten die Bauarbeiten, wobei die ausführende Firma weiterhin beabsichtigte, 70.000 Kubikmeter Baumaterial für die Untergrundabdichtungen auf dem Gelände zwischenzulagern. Auch hier wehrte sich der Nabu Niedersachen vor Gericht. Eine solche Zwischenlagerung hätte zwischen 1.200 und 1.400 Lkw-Fahrten zur Konsequenz und führe zu erheblicher Umweltbelastung sowie der Zerstörung von Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Im Dezember 2024 gab das OVG Niedersachsen dem Antrag statt und untersagte die Zwischenlagerung von Baumaterial auf dem Deponiegelände.

In Mecklenburg-Vorpommern ging der NABU-Landesverband gegen Baumaßnahmen auf einer Fläche im Industriepark Schwerin, den sogenannten Göhrener Tannen, vor. Auf dieser Fläche befanden sich über 40 Brutreviere seltener Vogelarten. Es sei verboten, wilde Tiere zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen zu beschädigen oder zu zerstören. Das Gericht folgte dem Antrag und setzte einen Baustopp für die Baumaßnahmen bis zum Ende der Brutzeit fest.

Nationales Vorgehen bricht EU-Recht

Vor der Einführung des Verbandsklagerechts hätte sich ein Gericht weder mit der Umweltsituation im Zuge des Baus einer Bauschuttdeponie noch mit der Brutsituation verschiedener Vogel­arten auseinandersetzen können. Erst das Verbandsklagerecht schaffte diese Möglichkeit. Es ist nicht nur in der Durchsetzung klimaschutzrechtlicher Belange, sondern auch bei der Berücksichtigung kollektiver demokratischer Rechte eine Errungenschaft. Genau diese möchte die CDU abschaffen. Was und wer damit angegriffen wird, ist offensichtlich.

Wie die Christdemokraten auf die Idee kommen, dass die Abschaffung des Verbandsklagerechts hinsichtlich großer Infrastrukturprojekte erfolgen kann, ohne einen Verstoß gegen europäisches und internationales Recht zu begründen, bleibt ihr Geheimnis. Offensichtlich wird dadurch jedenfalls, dass sie demokratische Instrumente der Kontrolle und Teilhabe sowie effektiven Umweltschutz beschneiden wollen.

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12 Kommentare

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  • Natürlich die CDU CSU!! Da geht es einfach nur um die ganzen Wirtschaftsverbände und die Bestechlichkeit (leider alles Legal) der CDSU.



    Denen sind echte Zukunftschancen für Deutschland mit einer heilenden Natur, zukunftsfähiger Landwirtschaft, guter zukunftsgerichteter Bildung, Fortschritts - Technologien (zB 2005 Vorsätzliche Zerstörung 180.000 Arbeitsstellen d. Merkel/ Deutschland war damals Weltmarktführer Solar) für Deutschland vollkommen



    Schei...egal.

    Wir Menschen können nun einmal nicht ohne die Natur ABER die Natur könnte Super ohne die Menschheit.

    UND



    Die CDU CSU verhindern seit Adenauer jegliche echten Anti-Korruptionsgesetze. Es gibt in Deutschland kein EINZIGES effektives Anti-Korruptionsgesetz



    wegen der CDU CSU +FDP.

  • Zweischneidiges Schwert.



    Wie die angeführten Beispiele zeigen, gibt es durchaus sinnvolle Klagen denen dann ja auch stattgegeben wird. Bei einigen anderen insbesondere der DUH kann man sich aber nur noch mit dem berühmten Finger an den Kopf fassen.



    Irgendwie scheint das in anderen europäischen Ländern besser geregelt zu sein. Abgesehen von weniger Bürokratie scheinen dort Großprojekte in der Verkehrsinfrastruktur schneller und effizienter genehmigt und umgesetzt zu werden. Und an der deutschen Grenze ist dann Baustopp weil irgendwo eine Fledermaus nistet oder ein Querulant seine Ruhe haben möchte.



    Da kann man sich schon einmal die Frage stellen, warum die Bahn AG bei diesen Voraussetzungen überhaupt noch in Verbesserungen der Infrastruktur investieren soll.

  • "Wie die Christdemokraten auf die Idee kommen, dass die Abschaffung des Verbandsklagerechts hinsichtlich großer Infrastrukturprojekte erfolgen kann, ohne einen Verstoß gegen europäisches und internationales Recht zu begründen, bleibt ihr Geheimnis."



    Beim Primat Naturschutz u. Wahrung d. Rechte aller Geschöpfe bleibt d. CDU im Wahl-O-Mat und im Real-O-Mat auf der Strecke, ist denen aber auch egal.



    Der Kurs ist das Correctiv Marke Merz, das Imperium...



    correctiv.org/aktu...-spd-fordert-voll/



    Naturschutz u. Union, keine Partnerschaft.



    freitag.de



    "Der Backlash gegen den Naturschutz hat nicht erst mit Antritt der Ampel-Regierung begonnen. Bereits seit 15 Jahren werden Standards vor allem im Bau- und Planungsrecht sukzessive beschnitten, ebenso wie Einspruchsmöglichkeiten für Bürger und Verbände. Zwar hat Deutschland ein strenges Natur- und Artenschutzrecht, das etwa die Zerstörung von Nist- und Ruheplätzen wild lebender Tiere verbietet und bei Eingriffen in ihre Lebensräume angemessene Ausgleichsmaßnahmen vorschreibt. Doch dieses Recht ist unter Dauerbeschuss durch Naturnutzer, die für ihre Projekte immer mehr Raum und Ressourcen beanspruchen"

  • Umweltverbände ertappen untätige Politikers (nicht nur von der Union, übrigens). Die Lösung ist ... natürlich endlich handeln, nicht vertuschen.



    Rechtsstaat und Union, eine unglückliche Geschichte.

  • Die CDU begreift wohl nicht, dass wenn sie sich die Methoden und Themen der Neofaschisten wie AfD, MAGA, FPÖ usf. zu Eigen macht, sie damit am Ende doch nur die Neofaschisten stärkt. Gleiches fand schon in den anderen europäischen Ländern statt, wo die konservativen Parteien durch die rechtsextremen geschluckt wurden. Die Menschen wählen im Normalfall das Original, weil hier die Sprüche und Versprechungen markiger und enthemmter sind. Bei CDU, aber auch SPD, kommt noch hinzu, dass man diese beiden Parteien für die aktuelle Lage Deutschlands sehr klar verantwortlich machen kann, was es Rechtspopulisten noch einfacher macht unzufriedene Wähler innen abzugreifen.

  • Grundsätzlich klingt das Verbandsklagerecht nach einer guten Idee.

    In den letzten Jahren jedoch ist ziemlich inflationär verwendet worden. Das Problem sind dabei vor allem die Fälle, in denen die Verbände nicht oder überwiegend nicht Recht bekommen, bei denen die Klage jedoch unnötig Zeit verschwendet.

    Und dieses Zeitmoment und seine abschreckende Wirkung ist bei allen Akteuren, die über Klagen nachdenken, gut bekannt. Deshalb kalkulieren es auch die Verbände ein.

    Daher ist es ein sinnvoll Vorstoß zum Bürokratieabbau, überbordende Verbandsklagen in Schranken zu weisen.

  • Zur Wahrheit gehört aber auch, und das hätte man durchaus mal erwähnen können, dass der BUND und Nabu es in letzter Zeit wirklich auch oft übertrieben hat und Klageverfahren angestrebt haben, die keinerlei Erfolg bringen konnten und einzig und allein genutzt wurden um Verzögerungen zu verursachen. Mittlerweile kennt man ja kaum noch ein Infrastrukturprogramm gegen das nicht geklagt wird. Selbst Windräder, Solaranlagen, Bahntrassen werden durchweg beklagt.

    Dadurch kommen lange Planungsphasen zustande.

    Es ist gut das es da Verbandsklagerecht gibt, aber momentan missbrauchen Sie es doch viel zu oft.

  • Letztlich folgt die CDU damit nur der allgemeinen Stimmungslage, dass immer irgendwer aus irgendwelchen Gründen Klage gegen demokratisch entschiedene Projekte einreicht - und sie damit bremsen, oder sogar stoppen kann. Das ist in der Tat in der Praxis ein Problem , allerdings hauptsächlich, weil immer noch zu viele Projekte verwaltungsseitig nicht ordentlich rechtssicher vorbereitet werden. Das wiederum liegt zum einen an mangelnden (fachlichen) Ressourcen der Beteiligten und zum anderen auch an der oftmals sehr massiven Einflussnahme der politisch Verantwortlichen und ihrer medialen Helfershelfer. Verschärft wird das Ganze durch nicht wirklich umweltaktive Klagevereine wie die DUH, die eben nicht vor Ort an gemeinsamen Lösungen arbeiten, sondern eher auf die eigenen monetären Möglichkeiten durch erfolgreiche Klagen setzen. Von daher wäre eine konstruktive Überprüfung der Rechtslage im praktischen Einsatz sicher kein Fehler. Ob das allerdings das tatsächliche Ziel der Union im Wahlkampf ist, da habe ich so meine Zweifel.

  • Neulich saßen bei Lanz u.a. Gitta Connemann von der CDU und Franziska Brantner von den Grünen. Es wurde mal ausnahmsweise nicht über Migration gestritten, sondern darüber, wie man die Wirtschaft wieder nach vorne bringen könne. Gitta Connemann sagt, was man von einer CDU Politikerin erwarten muss (sinngemäss): Man müsse sich auch mal mit den Umweltverbänden anlegen, wenn diese die Wirtschaft und den Ausbau der Infrastruktur ausbremsten. Ich freue mich auf die Antwort der Grünen - Vertreterin Franziska Brantner - leider völlig zu Unrecht. Sie sagt (ebenfalls sinngemäß), man habe doch schon durch Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz dafür gesorgt, dass nicht mehr jede Eidechse geschützt werde. Entschuldigend fügt sie noch an, dass das auch für Autobahnen zuträfe (also nicht nur für Windenergieanlagen). Ich sehe wirklich schwarz für den Naturschutz in Deutschland, wenn nun auch die Grünen populistisch gegen Naturschutz vorgehen und ihn als Bremse gegen den Fortschritt darstellen. Das lässt Schlimmes für den unwahrscheinlichen Fall einer SchwarzGrünen Koalition befürchten.

    • @Axel Donning:

      Brantner kommt aus dem Wirtschaftsministerium, da ist sie auch die Falsche für Ihren Punkt.



      Und irgendeine Regierung nach der Wahl wäre schon nett, wenn wir nicht mal wie Italien oder Belgien enden wollen.



      Dass wir von den Grünen - aber auch von anderen Parteien - erwarten können, dass sie langfristig, also ökologisch reden und handeln, ist unbenommen.

  • Die CSDU nähert sich immer schneller dem Zustand der US-Republikaner: alles !!! zerstören, was auch nur entfernt dem Fortschritt dient, was auch nur ein wenig Umdenken erfordert. Tatsachen schaffen nach autokratischen Maßstäben, das ist deren undemokratisches Ziel....

  • Natürlich will sie das. Irgendwer überrascht?