CDU macht auf Mieterpartei: Ein unglaublicher Gesinnungswandel
Die Berliner CDU will auf einmal Mieter:innen schützen. Ist das eine späte Erkenntnis oder Verzweiflung, weil sonst niemand mit ihr koalieren will?
A uf eines konnte man sich immer verlassen: Die Berliner CDU bekämpft Mieterschutz, wo immer es geht. Den Mietendeckel hat sie weggeklagt und sich dafür gefeiert, das Vorkaufsrecht als ideologische Geldverschwendung verhöhnt, jede mietpreisdämpfende Idee als „Regulierungswut“ oder „Preisdiktat“ attackiert.
Auf Bundesebene hat ihr Schatzmeister und Bundestagsabgeordneter Jan-Marco Luczak in der vergangenen Legislatur ein schärferes Vorgehen gegen Mietwucher verhindert und sich – immerhin hier erfolglos – gegen die Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen engagiert. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.
Schon die lapidare Feststellung „Berlin ist eine Mieterstadt“ gehörte nicht zum Repertoire von Luczak oder Landeschef Kai Wegner – am Samstag zierte sie Luczaks Twitteraccount. Er schrieb von der Fraktionstagung in Düsseldorf und berichtete von einer Diskussion mit Mieterbund-Chef Lukas Siebenkotten über die Frage „Wie wir Menschen vor steigenden Mieten schützen“. Bitte was? Wurde sein Account gehackt?
Tatsächlich hat die CDU Berlin ein 30-seitiges Papier unter dem Titel „Faires Wohnen für alle“ beschlossen, das sich in Teilen so liest, als wäre es direkt bei den Grünen abgeschrieben. Ganz so, wie es deren Mietenexpertin Katrin Schmidberger seit Langem fordert, will die CDU nun ein öffentlich einsehbares Mietenkataster, das alle Wohnungen samt ihrer zulässigen Mieten erfasst. Neuvermietungen zu überzogenen Preisen könnten damit effektiv gestoppt werden. Die Vermieter werden not amused sein.
Die CDU will Indexmieten verbieten
Auch nicht darüber, dass die Partei die Modernisierungsumlage so umstrukturieren möchte, dass nicht mehr automatisch die Kosten der Modernisierung auf die Miete umgelegt werden können. Stattdessen schlägt sie etwas nebulös vor, dass das Ergebnis der Modernisierung ein Qualitätsmerkmal darstellen und nach einem entsprechenden Schlüssel in die Miete einfließen soll. Indexmieten, also Mieten, die an die Inflationsrate gebunden sind, sollen verboten werden.
Zunichte machen will die Partei auch ihren erfolgreichen Kampf gegen die Verschärfung des Mietwucherparagrafen. Anstatt die Praxis weiter als Lappalie zu behandeln, sollen nun die Bußgelder „spürbar erhöht werden“; von Wucher sei bereits auszugehen, wenn Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um 20 Prozent übersteigt. Beim Thema Energie setzt die CDU auf das – für sie – bisherige Teufelskonzept eines Deckels für Gas, Strom und Heizöl. Treu bleibt sich die Partei hingegen bei ihrer Neubaufixierung: 300.000 Wohnungen sollen es bis 2030 sein, sogar von einem 13. Bezirk für 100.000 Menschen wird geträumt.
Unweigerlich fragt man sich, was in die CDU gefahren ist bei all der weichgespülten Rhetorik? Eine Lesart: Der Konservatismus braucht immer ein, zwei Jahrzehnte länger, um gesellschaftliche Veränderungen – die Wandlung Berlins zur hochpreisigen Vermieterstadt – wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Nun also wäre der Punkt erreicht, an dem sie erkennt, dass das weitere Bereichern weniger Vermieter:innen auf Kosten fast aller Mieter:innen die Stadt bald zerreißen wird.
Denkbar und wahrscheinlicher ist aber, dass das Papier weniger erkenntnis- als viel mehr wahlkampfgetrieben ist: Die CDU, momentan stärkste Umfragepartei, weiß, dass sie auch bei einem Wahlsieg keine Machtperspektive ohne Grüne und/oder SPD hat. Es braucht daher zumindest auf rhetorischer Ebene eine Annäherung, die eine Koalition mit ihnen überhaupt wieder denkbar macht.
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