Abgeordnetenhaus diskutiert Krise: 5:1 für Zuversicht

Von der CDU bis zur Linken: Außer der AfD gehen im Parlament alle Fraktionen im Kern davon aus, dass Berlin Energieknappheit und Inflation meistert.

Das Foto zeigt das Abgeordnetenhaus von Berlin.

Das Abgeordnetenhaus beendete seine Sommerpause mit einer Debatte über Energiekrise und Inflation

BERLIN taz | „Berlin packt das“. Es ist nicht allein die mutmaßlich über ihre DNA grundoptimistische Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die in diesen Tagen Zuversicht zu verbreiten versucht. Am Donnerstagvormittag, in der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses nach der Sommerpause, teilen auch fünf der sechs Parlamentsfraktionen im Kern diese Haltung – mindestens drei Mal ist vom „packenden Berlin“ die Rede. Allein die AfD beschreibt die Lage auf eine Weise, die Giffey später als „apokalyptisch“ nennt.

Es ist das erste Mal nach der Sommerpause, dass die 147 Abgeordneten zusammen kommen, abzüglich derer, die Corona oder Anderes an diesem Tag vom Parlament weg hält. Beim vorigen Zusammentreffen Ende Juni war es draußen mittags 30 Grad warm und das Thema „Heizen“ noch sehr weit weg. Dieser regnerische Donnerstagmorgen mit seinen 13, 14 Grad hingegen erinnert weit mehr daran, worum es eigentlich beim Thema Energieknappheit und Inflation geht.

Die FDP-Fraktion hat das Thema der Aktuellen Stunde bestimmen dürfen, der längsten Debatte fast jeder Sitzung. Naheliegenderweise will sie über das jüngst vorgestellte Entlastungspaket der Ampel-Koalition auf Bundesebene sprechen – und dabei eben dieses Paket loben und zugleich vermeintliche Versäumnisse der rot-grün-roten Koalition auf Landesebene anprangern.

Das übernimmt ihr Fraktionschef Sebastian Czaja. Der erwartet, dass der von Giffey geführte Senat das Entlastungspaket, erst am Sonntag verkündet, schon längst hätte ergänzen müssen. Giffey wird ihm entgegen halten, man bereite das „seit Wochen und Monaten“ vor und werde bald Konkretes vorstellen. Czaja will dann auch noch, dass die Regierungschefin sich von ihrem Koalitionspartner Linkspartei distanziert, weil deren Bundesvorsitzender zu Sozialprotesten und einem „heißen Herbst“ aufrief. Dazu allerdings hat Giffey schon etwas gesagt – etwa tags zuvor beim Verein Berliner Wirtschaftsgespräche, wo sie solche Protestaufrufe vom linken wie rechten Rand kritisierte.

Letztlich aber geht auch Czaja davon aus, dass sich Inflation und drohende Energieknappheit beherrschen lassen. Bei CDU-Fraktionschef Kai Wegner klingt das erst anders – er stellt infrage, wie lange es beim nach zwei Pandemiejahren gerade wieder pulsierenden Leben in Berlin noch bleiben wird. Ihm reicht das Entlastungspaket nicht „für die ganz besonders Bedürftigen“. Erneut fordert er einen Energiedeckel, der die Preise dafür begrenzen würde – und kassiert prompt Gelächter von der Linksfraktion: Bei einem anderen Deckel, dem Mietendeckel, war Wegner eine treibende Kraft dagegen.

CDU beansprucht 365-Euro-Ticket

Schließlich spricht der Fraktionschef seiner CDU auch noch das Urheberrecht bei einer Bus-und-Bahn-Variante zu und redet von „unserem 365-Euro-Ticket“. Regierungschefin Giffey erinnert ihn eine halbe Stunde später daran, dass ihre SPD dieses Projekt schon länger mit sich trägt. In der vergangenen Wahlperiode hatte sich vor allem ihr Vorgänger Michael Müller dafür stark gemacht. Wie Giffey will auch Wegner verhindern, dass Menschen ihre Wohnung verlieren, wenn sie ihre Energiekosten nicht zahlen können. Bei aller Kritik kommt auch er zu dem Schluss: „Ich bin überzeugt, Berlin packt das“ – versehen mit dem Zusatz Richtung Giffey: „…wenn Sie jetzt das Richtige tun.“

Grünen-Fraktionschef Werner Graf schließlich ist der einzige, von dem konkret zu hören ist, wie denn die Gruppe der Bedürftigen zu fassen ist, die besondere Unterstützung vom Senat bekommen sollen: Jene mit dem Wohnberechtigungsschein der höchsten Kategorie „180“ sollen es sein. Der reicht bei Singles bis zu 21.600 Euro Haushaltseinkommen im Jahr, bei Zweipersonenhaushalten bis 32.400 Euro. „Damit erreichen wir über die Hälfte der Berliner Haushalte“, sagt Graf. Er hatte sich schon vor einer Woche für gezielte Hilfen und gegen „Freibier für alle“ ausgesprochen – passender Weise beim Sommerempfang seiner Fraktion, bei dem gerade viele Gäste ein solches Freibier in der Hand hielten.

Graf und auch Linksfraktionsschef Carsten Schatz erweitern die CDU-Forderung nach Mieterschutz in der Krise. Von einem einjährigen Moratorium gegen Mieterhöhungen ist die Rede. „Wer jetzt nicht hilft, spart sich in die Krise hinein“, sagt Schatz. Die FDP hat das aus seiner Sicht nicht erkannt – deren Bundesjustizminister ist für Schatz „von der Lebenwirklichkeit der Menschen „so weit weg wie ein Cappuccino von der Milchstraße.“ Glücklicherweise regiere in Berlin keine Ampel-Koalition, sondern Rot-Grün-Rot.

Allein AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker beurteilt die Lage deutlich schlechter, sieht Berlin „erst am Anfang einer Insolvenzwelle“. Vom parteilosen SPD-nahen Wirtschaftssenator Stephan Schwarz wird später am Vormittag zu erfahren sein, dass die Zahl der Insolvenzen derzeit auf niedrigem Niveau liege. „Berlin packt das“, sagt Giffey schließlich am Schluss der Rederunde. Wie das genau aussehen soll, will sie „in den nächsten Tagen“ vorstellen.

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