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CDU im OstenEin riesiges Problem

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Ein sächsischer CDU-Landrat versendet flüchtlingsfeindliche Weihnachtsgrüße: Warum die Bundes-CDU ihr Problem im Osten endlich angehen muss.

Macht keine gute Figur bei der Verteidigung der Demokratie: Sachsens Ministerpräsident Kretschmer

I mmerhin hat die CDU dieses Mal prompt reagiert. Generalsekretär Mario Czaja hat sich, auch im Namen von CDU-Chef Friedrich Merz und des ganzen Bundesvorstands, von den Worten des Bautzener Landrats Udo Witschas distanziert. Der hatte in einer kurzen Videobotschaft versprochen, Geflüchtete, „die unsere Kultur nicht kennen“, nicht in freistehenden Wohnungen oder Turnhallen unterzubringen, weil das den sozialen Frieden gefährde. Es ist derselbe Landrat, der kurz zuvor mit anderen CDUlern dem Antrag der AfD, bestimmte Leistungen für Geflüchtete zu streichen, zum Erfolg verhalf. Was klar der Beschlusslage in der CDU widerspricht, dass es keine Kooperation mit der AfD geben darf.

In Czajas Äußerung aber stecken gleich mehrere Probleme. Zum einen distanziert sich nicht der ganze Bundesvorstand klar von Witschas. Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich auf Nachfragen von Jour­na­lis­t*in­nen vor Ort gewunden. Kretschmer ist aber auch Landeschef der sächsischen CDU und stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei. Also genau der, der hier klare Kante zeigen müsste, was er wieder einmal nicht tat. Kretschmer ist Teil des Problems.

Hinzu kommt, dass die Durchgriffsmöglichkeiten der Bundes-CDU beschränkt sind. Das hat zum einen strukturelle Gründe: zuständig ist der Landesverband, womit wir wieder bei Kretschmer sind. Doch viele CDU-Politiker im Osten scheren sich schlicht nicht mehr darum, was die Parteispitze in Berlin sagt. Ob aus Überzeugung oder Opportunismus – sie geben dem Druck der AfD nach. Dass Annegret Kramp-Karrenbauer nach dem Kemmerich-Debakel nach Erfurt fuhr, sich an der Thüringer CDU-Fraktion die Zähne ausbiss und damit ihr Ende als Parteichefin einläutete, wird jedem Nachfolger eine Warnung sein.

Doch die CDU muss sehen: Sie hat in den ostdeutschen Ländern ein Riesenproblem, das zum Schutz der Demokratie konsequent bearbeitet werden muss. Distanzierung reicht nicht. Dazu braucht es auch die Autorität des Vorsitzenden. Selbst wenn das für ihn gefährlich werden könnte.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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7 Kommentare

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  • Was bleibt der CDU auch anderes übrig? Mit sozialfreundlichen Dingen kann sie eben nicht punkten.

    Da passiert dann genau das, was auch in den Schulen passiert: Wo Schüler mit gutem Sozialverhalten nicht punkten können, da versuchen sie es eben mit Rabaukentum.

  • Geflüchtete, „die unsere Kultur nicht kennen“

    Seine, oder meine Kultur? Die scheinen nämlich schon zu differieren.

    Der rechte Rand ist mit der CDU/CSU schon lange in der Mitte angekommen. Aussagen von Merz etc. sagen alles.

  • Es bleibt leider ein Grundproblem. Was der CDU Politiker da sagt ist bei uns in der Region absolut mehrheitsfähig. Schau ich in die letzten Wahlergebnisse im dortigen Wahlkreis, der sich von unserem nur marginal unterscheidet, haben 80% der Wähler AfD, CDU oder noch rechter gewählt. Die Übergänge zwischen CDU und AfD sind hier in Ostsachsen sowieso fließend. Hier wird also eigentlich nur geliefert was gewählt wurde. Jetzt bekommt er medienwirksam aus Berlin auf den Deckel. MP Kretschmer weiß nur zu gut warum er nicht zu laut interveniert. Die CDU verliert hier sonst nur noch schneller ihre Basis und die Wähler an die AfD.



    Die CDU hat ja unter Merkel entschieden die konservativen Schmuddelkinder im Osten zu Gunsten urbaner Wählerschichten aufzugeben. Ich denke der CDU sollte jetzt die Möglichkeit eingeräumt werden ein gewisses Wählerklientel bei uns wieder ansprechen zu dürfen. Aktuell bekommen die Wähler hier vor Ort das Gegenteil der eigentlich gewünschten Politik. Seit Kohl konnte ja sowieso noch keine Bundesregierung mit einem ostdeutschen Wahlergebnis gebildet werden. Ein Grund für die aktuelle Politikverdrossenheit ist ja egal was hier in der Provinz gewählt wird, kommt immer Politik für den inneren SBahn-Ring bei rum.

    • @Šarru-kīnu:

      Wenn 80% rechts wählen und der Landrat in deren Sinne liefert. Warum bekommen die dann "das Gegenteil der eigentlich gewünschten Politik" ?



      Oder meinen Sie damit die Wünsche solcher Leute, die meinen mit einem Sitz im Gemeindrat könnte man die Bundesregierung entmachten.



      Wir sind nun mal ein föderaler Staat, wenn da etwas auf Bundesebene beschlossen wird ist dies aus auch Landesebene umzusetzen, auch wenn sich einige Querulantenländer "Freistaat" nennen, da gibt es in der Verfassung keine Ausnahme. Interessanterweise haben immer die vorgeblich Konservativen, damit ein Problem.

  • Ja, spannend. Nennen wir es ein "strategisches strukturelles Problem"?

    @BOLZKOPF: sehe ich auch so.

  • Wann tritt denn jetzt der nette Michael K. bei der AfD (Abschaum für Deutschland) ein?



    Dann bräuchte er nicht mehr so unbeholfen ´rumeiern.

  • Hier am Ort tituliert die CDU in ihren Pressemitteilungen die regierenden Parteien ohnehin konsequent als "Linkskoalition" und findet mit der AfD immer wieder mal stillschweigenden Konsenz.



    Man sieht allerorten, dass die Schwarze Farbe blättert und was darunter zum Vorschein kommt mag Rost sein - aber wie auch immer: Mich erfüllt es mir Sorge.

    Vielleicht macht sich die AfD ja auch die Positionen der C*U zu eigen um damit bei den schlichteren Zeitgenossen zu punkten. Wer weiß.

    Wie dem auch sei: Die C*U fischt ja schon lange auch am rechten Rand der Wählerschaft.

    Von daher wundert mich nichts mehr.