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Bundestagswahl 2025Verdrossenheit ist auch keine Lösung

Essay von Kai Arzheimer

Das Land ist in der Krise und die Politikverdrossenheit groß. Schlechte Stimmung hilft aber nicht, wenn die Demokratie verteidigt werden muss.

D eutschland hat schlechte Laune: Wetter, Zukunftssorgen und jetzt auch noch Winterwahlkampf. Zumindest letzteren hat sich das Wahlvolk in gewisser Hinsicht selbst eingebrockt. Seit dem Sommer und über Monate hinweg verlangte mehr als die Hälfte der Deutschen das, was sie nun bekommen: eine vorgezogene Neuwahl.

Aber was sollte die bringen? Zwar erreichte die Unzufriedenheit mit Noch-Kanzler Olaf Scholz und seinen Koalitionären bis dahin ungekannte Negativrekorde. Der wahrscheinliche Nachfolger und Anführer der größten Oppositionspartei – Friedrich Merz – war schon damals nicht viel beliebter als der Amtsinhaber. Bei der Frage, was man denn von ihnen halten soll, liegen SPD-Mann Scholz und CDU-Kandidat Merz nun zu Beginn des eigentlichen Wahlkampfes annähernd gleichauf, Merz (und der Grünen-Kandidat Robert Habeck) mit einem kleinen Vorsprung. Spitzenwerte konnte allerdings kein Kandidat für sich verbuchen.

Nochmal deutlich unbeliebter sind unter den bekanntesten Po­li­ti­ke­r:in­nen Sahra Wagenknecht, Christian Lindner und Alice Weidel. Doch auch für die Linke gibt es an dieser Stelle keinen Grund zur Freude: Ihr Spitzenduo (zur Erinnerung: Jan van Aken und Heidi Reichinnek) ist so unbekannt, dass überhaupt keine Messwerte vorliegen. Helfen soll hier deshalb nun das letzte Aufgebot der sogenannten Silberlocken. Die Malaise beschränkt sich aber nicht auf das Personal, sondern betrifft die Parteien insgesamt. Im letzten Politbarometer vor Weihnachten erwarteten lediglich 29 Prozent der Befragten, dass eine zukünftige unionsgeführte Bundesregierung eine bessere Politik machen würde. Das ist tatsächlich noch etwas weniger als der Anteil derjenigen, die angaben, für CDU und CSU stimmen zu wollen.

Die zweitgrößte Oppositionspartei hat in der laufenden Legislaturperiode zwar erheblich an Zuspruch gewonnen. Trotzdem ist die AfD für die große Mehrheit der Bevölkerung keine Alternative. Als die Frage zuletzt im Februar (und damit unter dem frischen Eindruck der Enthüllungen über Pläne für eine „Remigration“) gestellt wurde, zeigten sich mehr als drei Viertel der Bür­ge­r:in­nen überzeugt, dass in der AfD rechtsextremes Gedankengut weit verbreitet sei. Gering sind auch die positiven Erwartungen an eine Regierungsbeteiligung des BSW, von dem aktuell noch nicht einmal klar ist, ob es überhaupt im nächsten Bundestag vertreten sein wird. Kurzum, die Stimmung beim Wahlvolk ist denkbar trübe, dementsprechend niedrig sind auch die Erwartungen an die Wahl.

Letzteres könnte sich im Wahlkampf durchaus noch einmal ändern, was mittelfristig aber auch nichts Gutes erwarten ließe. Die Union verspricht aktuell eine Rückkehr in die Vor-Merkel-Zeit nicht nur in der Gesellschafts-, sondern auch in der Wirtschafts- und Fiskalpolitik: Niedrigere Steuersätze für Reiche und die gehobene Mitte sollen zusammen mit drastischen Kürzungen bei den Sozialausgaben die Wirtschaft so sehr beflügeln, dass dies die Lücken im Etat wie von selbst schließt und eine (modifizierte?) Schuldenbremse eingehalten werden kann. Dazu soll es möglicherweise eine etwas robustere Unterstützung für die Ukraine geben. Die SPD gönnt sich derweil eines der linkesten Programme der vergangenen Jahre. Sie will endlich investieren, Familienleistungen ausbauen, das Rentenniveau stabil halten und den Sozialstaat, wenn nicht gar ganz Deutschland, Europa und die Welt vor der „Merz-CDU“ beschützen.

Enttäuschung ist vorprogrammiert

Beide Botschaften sind durchaus geeignet, die jeweiligen eigenen Anhänger noch einmal zu mobilisieren. Sie wecken bei diesen aber auch Hoffnungen, die offensichtlich so nicht einzulösen sind, wenn der derzeit wahrscheinlichste Fall eintritt und beide Parteien nach der Wahl einmal mehr eine gemeinsame Regierung bilden. Mindestens ebenso groß wären auch die mentalen und emotionalen Zumutungen, die mit der – wiederum nach aktuellem Stand – einzig anderen plausiblen Konstellation verbunden wären: einer schwarz-grünen Koalition. Damit ist die Enttäuschung nach der Mobilisierung vorprogrammiert. Schlimmer noch: wer den absehbaren zukünftigen Partner im Wahlkampf dämonisiert, macht sich bei großen Teilen des Publikums schon heute unglaubwürdig.

Misstrauen, Unzufriedenheit und Desinteresse als grundlegende Probleme der deutschen Demokratie sind zum großen Teil strukturell bedingt und keineswegs neu: Bereits 1992 wählte die Gesellschaft für Deutsche Sprache „Politikverdrossenheit“ zum Wort des Jahres. Vorangegangen war dem eine lange politische und akademische Debatte, die bis heute nicht abgerissen ist. In dieser wurden einige historische Entwicklungen identifiziert, die helfen können, zu verstehen, warum „die Politik“ in Deutschland, aber auch in vielen anderen Demokratien seit Jahrzehnten so unbeliebt ist und unter erheblichem Druck steht.

Zu nennen ist hier in erster Linie die Pluralisierung und Ausdifferenzierung der Gesellschaft und der damit verbundene Niedergang von Kirchen und Gewerkschaften als Organisationen im sogenannten Vorfeld der beiden Volksparteien. In der Vergangenheit konnten diese – nicht immer, aber oft – ihre vielbeschworene Funktion als Transmissionsriemen zwischen Politik und Gesellschaft erfüllen. Noch Mitte der 1970er Jahre gehörte fast ein Drittel der (zumeist männlichen, oft manuell tätigen) Erwerbsbevölkerung einer Gewerkschaft an. Heute ist es noch ein gutes Neuntel. Mehr als 80 Prozent der Gesamtbevölkerung waren Mitglieder der katholischen oder der evangelischen Kirche. Dieser Wert ist inzwischen auf deutlich unter 50 Prozent geschrumpft und sinkt kontinuierlich weiter. Auch wenn die Zeiten politisch keineswegs ruhig waren, konnten eine große Mitte-links-Partei, eine große Mitte-rechts-Partei und eine kleine liberale Partei noch 1976 satte 99 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen – und dabei behaupten, dass sie „das Volk“ halbwegs angemessen repräsentierten.

Schon sieben Jahre später zog mit den Grünen erstmals seit den 1950er Jahren eine neugegründete Partei in den Bundestag ein, die explizit eine grundlegend andere Politik forderte und neue politische Anliegen repräsentierte. Seitdem ist durch Modernisierung und Postmodernisierung, Wiedervereinigung, Globalisierung und Zuwanderung die Zahl politisch relevanter Gruppen und Streitfragen fast kontinuierlich gestiegen und auch die Zahl der politisch relevanten Parteien bewegt sich auf (für deutsche Verhältnisse) hohem Niveau.

Unter diesen Bedingungen ist es schwer, Koalitionen zu bilden, die sich auf ein gemeinsames, kohärentes Regierungsprogramm einigen können, das idealerweise auch noch den Vorstellungen einer Bevölkerungsmehrheit entsprechen sollte. Und selbst dort, wo das gelingt, gibt es eine ganze Reihe von Vetospielern – angefangen beim ebenfalls von immer bunteren und komplizierteren Koalitionen geprägten Bundesrat – die dessen Umsetzung im Wege stehen können. Das macht es ausgesprochen schwierig, die inzwischen fast 62 Millionen Souveräne zufriedenzustellen.

Emotionalisierte Inhalte

Hinzu kommen weitere strukturelle Probleme, die sich seit den 1990er Jahren abgezeichnet, aber in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich verschärft haben. Erstens ist eigentlich fast immer irgendwo in Deutschland Wahlkampf. Zweitens stehen Po­li­ti­ke­r:in­nen wie niemals zuvor unter Dauerbeobachtung durch ein digital beschleunigtes Mediensystem, das zusehends auf kurze, negative, emotionalisierte Inhalte angewiesen ist, um mit einer immer dünneren Personaldecke hinreichend viel Aufmerksamkeit und damit Werbeeinnahmen zu generieren. Drittens sind die populistischen Feinde der liberalen Demokratie inzwischen fest im politischen System verankert und machen sich dessen Möglichkeiten zu Nutze, um die demokratischen Parteien zu diskreditieren.

Unter diesen Bedingungen handelt Politik zu häufig reaktiv und ist zu sehr auf die kurzfristigen Reaktionen in Medien und Umfragen fixiert. Langfristige Ziele und Pläne bleiben dabei ebenso auf der Strecke wie der Versuch, die Bevölkerung von deren Notwendigkeit zu überzeugen. Das hat funktionelle Konsequenzen, die man gerade jetzt wieder beobachten kann: Weil Wäh­le­r:in­nen­stim­men die harte Währung der Demokratie sind und man die ungnädigen Reaktionen der Bür­ge­r:in­nen fürchtet, wagt es in diesem Wahlkampf keine der früheren Volksparteien, offen auszusprechen, dass Deutschlands altes ökonomisches Modell nicht mehr in die veränderte Welt passt. Obwohl dies allen Verantwortlichen klar sein dürfte.

Die absehbare Folge sind weitere Jahre der Stagnation. Dabei verfügt das Land (noch) über die Ressourcen, um sich grundlegend zu modernisieren und in seine Zukunft zu investieren. Die aktuellsten Umfragen zeigen einmal mehr, dass bei der großen Mehrheit der Blick auf das Land und die Wirtschaft zwar durchaus sorgenvoll, die Wahrnehmung der individuellen Lage aber weitaus positiver und der Wunsch nach Veränderung groß ist. Dissens – siehe oben – besteht allerdings darüber, wohin die Reise denn gehen sollte, wenn man sich denn aufmachen würde.

Ganz zu Beginn ihrer Regierungszeit hatten sich die Parteien der Ampel vorgenommen, dieses Potential mit einer neuen Fortschrittserzählung zu aktivieren. Wegen der vielfältigen, sich überlagernden Krisen ist diese Erzählung niemals über ihren Anfang hinausgekommen. Ob sie unter günstigeren Voraussetzungen die erhoffte Wirkung gezeigt hätte, ist eine andere Frage: Wer darauf hinweist, dass (selbst jetzt noch) die Lage deutlich besser ist als die Stimmung, und wir uns mit unserer schlechten Laune selbst im Wege stehen, sieht sich schnell dem Vorwurf ausgesetzt, selbst Teil jener abgehobenen Elite zu sein, die für das ganze Elend verantwortlich sein soll.

Was also können wir selbst tun? Vom Rechtsphilosophen und späteren Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde stammt die berühmte Einsicht, dass die moderne Demokratie von Voraussetzungen lebt, die sie selbst nicht garantieren kann. Gemeint hat er damit das, was wir heute Zivilgesellschaft nennen, und hier liegt ein wichtiger Ansatzpunkt. Durch Engagement in Vereinen, Initiativen und Genoss:innenschaften, in Gewerkschaften und Kirchen – und ja, wenn wir uns dazu durchringen können, sogar in den demokratischen Parteien – können alle etwas für diese Voraussetzungen tun, die nötig sind, damit die Demokratie trotz ihrer inneren Widersprüche irgendwie weiter funktioniert. Und gegen die schlechte Laune hilft das dann auch.

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37 Kommentare

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  • Mein Vertrauen in die Glaubwürdigkeit er etablierten Parteien ist durch diese Ampel derart gesunken, dass ich genau so gut mit dem Dartpfeil auf den Wahlschein werfen kann. Nur die beiden Russen-Parteien schließe ich aus Prinzip völlig aus und die Ampelparteien auch.

    • @Hans Dampf:

      Ernsthaft gefragt: Warum alle Ampelparteien gleichermaßen (*), und was ist Ihnen allgemein bei Parteientscheidungen wichtig?



      Ein bestimmtes Konzept bei einem Politikfeld, das gesamte Programm, das Personal, Emotionen, ...? Soll die Partei eine Chance auf Einzug haben oder zumindest Kostenerstattung oder nicht?



      Vielleicht unterstützen solche Fragen eine Entscheidung jenseits von Luke Littler II.

      (*) Die Lindner-FDP hatte ihre Blockade in einigen Kanälen vor der Wahl bereits angedeutet. Die SPD bekam viele ihrer Punkte bei Arbeit & Soziales durch. Die Grünen entfesselten bei Energie, wie angekündigt.



      Vielleicht störte Sie da nicht "Glaubwürdigkeit", sondern Ergebnis aus Ihrer Sicht?

      • @Janix:

        Ich differenziere deshalb nicht, weil mich jede der drei Ampelparteien als einzelne schwer enttäuscht hat. Ich sehe dies wie bei einer Fußballmannschaft: Steigt sie ab, hat das Team versagt, und nicht einzelne Spieler.



        Nun steigt sie ab die Ampel und das ist gut so.

        • @Hans Dampf:

          Völlig Ihre Entscheidung, ebenso, welche Kriterien Sie anlegen.



          Ich weise nur kurz darauf hin, dass das Resultat sein kann, dass immer die Opposition gewählt wird, weil die Regierung ja "versagt" hätte. Daumen-runter-Emotionalität.

          Dann geht nämlich niemand mehr gerne in die Regierung. Siehe Lindner, der entsprechend halbherzig und oppositionell mitregierte, anders als die FDP in der Ampel in Rheinland-Pfalz.

  • Mein Vorschlag: Am 14.02.2025 ruft Fridays for Future zum Klimastreik auf. Ich möchte anregen, einen großen Aktionstag daraus zu machen, der auch Menschenrechte und Soziales zum Thema macht, zu dem auch Gewerkschaften, Sozialverbände, Wohlfahrtsverbände und viele mehr aufrufen könnten.

  • Wenn es etwas Gutes aus der konservativen Mottenkiste gibt, was Deutschland wirklich gebrauchen kann, ist das eine Volkszählung.

    Ist Merz wirklich ein Konservativer, der sich was traut? Dann sollte es unbedingt etwas sein, was Deutschland gebrauchen kann.

    Erst die vollständige Bevölkerungsstatistik liefert die Daten, ob wir uns z.B. die Schuldenbremse leisten können. Wenn keine Schnüffelfragen gestellt werden, sondern nur wenige Basisdaten ermittelt, ist auch kein Bürgerprotest zu erwarten.

  • Warum sollte man nicht massiv unzufrieden mit den Parteien sein? Praktisch alle Bundestagsparteien arbeiten eher am Zusammenkitten ihres ideologischen Scherbenhaufens, als die Realität anzugehen.

    Nicht vergessen: die letzte Wahl war 2021, also vor dem russischen Einmarsch. Seit dem konnten wir sehen, wie die Traumwelten aller politischer Lager eingestürzt sind. Die Grünen haben in der Russlandfrage (schon vorher) noch die realistischste Position vertreten. Dafür sind sie in der Migrationsfrage (einem anderen großen Thema für die Menschen) am weitesten von der Realität entfernt.

    • @Chris McZott:

      Lesetipp: Timur Vermes, Die Hungrigen und die Satten.

      Halten Sie es für "Realität", dass man Migration mal eben ausknipsen könnte? Oder auch sollte? Beginnen wir doch eher mit dem Rechtsextremismus, Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit hierzulande.

  • Der sich momentan abzeichnende Charakter des Wahlkampfes (z.B. Kiesewetter) erzeugt bei mir nur noch "Misstrauen, Unzufriedenheit und Desinteresse", wie im Artikel erwähnt. Zumal eine erneute große Koalition droht.

    • @Trabantus:

      "Fridolin" Kiesewetter ist da wohl nur vorgeschickt, um die SPD-Friedens-Kampagne zu attackieren, eine der möglichen Trümpfe Scholz'.



      Was die Linnemannoiden gegenüber SPD und Grünen teils grob sachfremd holzten, lässt keinen klugen Kopf erkennen - mit wem soll den eine Koalition erreicht werden?

  • Heidi Reichinnek ist zu Unrecht unbekannt.

    Kaum jemand in der deutschen Spitzenpolitik hat so viel Praxiserfahrung mit der zivilgesellschaftlichen Bekämpfung des Islamismus wie sie. Diese Frau hat weit mehr als einen jungen Deutschen davon abgebracht, sich den Fundis anzuschließen und am Ende womöglich Terrorist zu werden. Und nicht mit Gardinenpredigten, sondern mit Streetwork!

    Und was hat Merz für deses Land und die Leute darin getan in seinem Leben? Er hat uns beklaut, betrogen und abgezogen - nichts weiter! Nie mehr geleistet, als von anderen geschaffene Werte und Wohlstand abzugreifen. Er ist führwahr das hässliche Gesicht der Kapitalistenklasse durch und durch, mit jeder Faser seines nichtsnutzigen und gemeinschädlichen Lebens!

    Merz zu wählen ist so sinnvoll, wie in einem Bilharziosegebiet rohe Flussschnecken zu essen.

    • @Ajuga:

      Sie heben nachvollziehbar Reichinneks Erfahrung hervor, eine ganz andere als die des Honoratiorensöhnchens Merz, der auch noch sein Adressbuch für deutlich mehr als 30 Silberlinge an Blackrock verkaufte und für Einsätze 5000 € als Tagessatz von seinen Parteikollegen zugesteckt bekam. Er bereitet den Rechtsextremen mit Populismus das Feld.



      Gegen alle Voraussagen würde auch ich daher eine Regierung _nicht unter Merz wünschen.



      Nur für die Proportionen: es sind rechts der Mitte noch andere schlimme Parteien unterwegs, und da gibt es Unterschiede. Und auch ein Merz ist ein Mensch.



      Gleich wählen muss mensch ihn natürlich nicht.

  • Frei nach Hannah Arendt ("Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft") möchte ich zitieren:

    "Die demokratischen Parteien machten den gravierenden Fehler, die Masse als bildungsfern, Politikverdrossen und daher unbedeutend für die Demokratie abzuschreiben."

    Wir sollten die Interessen und Sorgen aller Menschen ernst nehmen. Politik und Medien brauchen offene Debatten, die ein möglichst breites Meinungsspektrum abbilden - dann wird das auch mit der Demokratie.

  • Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. Die Legitimation erfolgt durch Verfahren. Viele verwechseln das mit "Herrschaft des Richtigen". Das würde Orthokratie heißen, mit einem Zentralkomitee, das definiert, was richtig ist.

    Das Volk kann irren. Die Verfahren sollen garantieren, dass das Volk seine Entscheidungen anpassen und korrigieren kann. Daher sollten nicht Wahlergebnisse, sondern Änderungen der Verfahren Sorgen machen.

    Ein Beispiel für den Versuch, Verfahren zu sabotieren, ist Trumps Sturm aufs Kapitol 2021. Das macht ihn zum Undemokraten - nicht seine Sprüche und Ansichten. Leider sind hierzulande die Eingriffe in die Verfahren auch keine Seltenheit mehr und kommen zunehmend von links. Die Einführung der Parität z.B., um mehr Frauen ins Parlament zu bringen, oder die Änderung der Definition des Bundestags-Alterspräsidenten, damit das kein AfD-Mann wird, sind solche Manipulationen, die die Wahlen so lenken sollen, wie es den "Richtigen" gefällt.

    Wer missliebigen Parteien den Ort für den Parteitag verweigert, der begeht demokratischen Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

    Lassen wir unsere Verfahren intakt, und erkennen wir den Feind daran, dass er manipuliert!

    • @Gorres:

      Ja, solange die AfD - noch - nicht verboten ist, muss sie einen Ort für den Parteitag haben dürfen. Irgendjemand muss sich da opfern. Die AfD ist übrigens unangenehm mit einem gegen die Verfahrensregeln rabulierenden Alterspräsidenten aufgefallen - etwas verstehe ich jeden, der so etwas kein zweites Mal sehen möchte.

      Einen Einwand auch: gegen Kelsen & Co. ist unsere Demokratie _keine reine Verfahrens-Legitimation. Hierzulande sind die Grundwerte des Grundgesetzes heranzuziehen und abzuwägen. Selbst wenn eine Neogoebbelspartei 100 % bekäme, dürfte sie nicht alles, selbst wenn sie alles formal durch den Bundestag brächte. Und das ist sehr gut und wichtig so.

      • @Janix:

        Um Ihren hochfliegenden Optimismus etwas zu bremsen.

        m.youtube.com/watch?v=ljjZ6AZsmGk

        • @Thomas Böttcher:

          "dann machen wir jetzt eine kleine Wahlrechtsreform, hat die Ampel ja auch gemacht".

          Ein sehr gutes Beispiel, wie die AfD die Manipulationen der sich demokratisch nennenden Parteien als Präzedenzfall nutzen kann.

          (Beim Wahlrecht frage ich mich sowieso, warum da Änderungen keine 2/3 Mehrheit brauchen, denn das Wahlrecht ist zentral für die Demokratie).

  • Danke für den Artikel!



    Ich glaube eigentlich nicht, dass Politikverdrossenheit das vorherrschende Problem darstellt.



    So kann die "afd" deutliche Zuwächse verzeichnen und für die Bundestagswahl auch erwarten. Mit dem BSW ist innerhalb kürzester Zeit eine neue Partei entstanden, die nun bereits an zwei Landesregierungen beteiligt ist.



    Enttäuschend sind diese Entwicklungen für Diejenigen, die andere politische Ansichten, oder Absichten haben, das hat allerdings nichts mit Politikverdrossenheit zu tun.



    Nach dem Ende der Ampel können diverse Parteien außerdem einen Mitgliederzuwachs verzeichnen.



    Ich glaube eher unser gesamtgesellschaftliches Problem heißt Verantwortung.



    Die will nämlich KeinEr mehr übernehmen.



    Nicht einmal für das eigene Handeln.



    "Die Politik soll gefälligst das Klimaproblem lösen, ich fliege derweil in den Urlaub ".



    Politik macht man aber nicht vom Sofa aus, sie lebt vom Mitmachen und das ist mit Arbeit verbunden.



    Die Ampel war eine Chance.



    Dass sie von Rechts kritisiert werden würde, war zu erwarten. Doch die linke Seite hat die Chance nicht erkannt und die Gelegenheit durch tägliche Dauerkritik zerstört.



    Somit leider auch die Chance auf eine progressive Entwicklung.

  • In wie fern ist unsere Demokratie in Gefahr? Unsere Demokratie ist nicht in Gefahr. Es gibt momentag keine politische Richtung die nicht demokratisch ist und aktuell fordert die Linke und die Rechte nicht die Abschaffung der Demokratie. Om Herbst hat es die Linken Aktivisten noch gefordert aber die sind Gott sei Dank ruhig geworden. Die Wahl im Februar wird spannend da die Ausgangslage offen ist. Die Politik muss drei Punkte richtig machen: Innere Sicherheit (Islamismus), Wirtschaft (Freiheit) und Soziales (Weniger Soziales ist mehr). Diese drei Punkte sind das Hauptproblem, das es in Deutschland die Stimmung so schlecht ist. Passiert das nicht wird die Unzufriedenheit immer größer. So lange das nicht behoben wird kann der Klimaschutz auf Jahre einpacken und braucht nicht wieder kommen.

    • @Cello:

      Irgendwie klingt das wie ein Märchen aus der neoliberalen Mottenkiste, das schon mehrfach an der Realität gescheitert ist.

      Aber manche Menschen wollen sich halt an der Vergangenheit klammern.

      • @gehtdichnüschtan:

        Was hat das bitte mit Vergangenheit zutun?

    • @Cello:

      Also, ich liebe ja die feine Ironie und meinte bisher, die immer gut erkennen zu können. Aber bei Ihrem Kommentar bin ich jetzt echt verunsichert - zumal es ja Zeitgenossen geben soll, die durchaus ernsthaft das vertreten, was Sie hier geschrieben haben.



      Auch einigen der folgenden Posts (@Gortes, @Dave Hawtin, @Andere Meinung) konnte ich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob sie tatsächlich ernst oder eher satirisch gemeint sind.



      Da auch die taz mittlerweile heftig vom Mainstream-Zeitgeist umweht wird, sind solche Meinungsäußerungen natürlich irritierend.

      • @Abdurchdiemitte:

        Das ist mein absoluter ernst. Über Politik kann man keine Scherze machen. Darüber hinaus muss man auch seine eigenen persönlichen Interessen mal zurückstellen um die Tatsachen ins Auge zu sehen und genau das habe ich gemacht.

    • @Cello:

      Gerade im fortgeschrittenen Alter werden wir alle mal das Argumentieren weniger und dafür die eigene Meinung höher gewichten. ;-)



      Aber vielleicht nicht gleich so.



      Die ADis haben Forderungen gegen die gleichen Menschen- und gleichen Bürgerrechte. Ähnlich wie bei PiS und Fidesz soll ein nebulöser "Wille des Volkes" Rechtsgrenzen umstoßen dürfen.



      Innere Sicherheit hat mit Christen, Atheisten, Muslimen, Spagettimonsteranhängern zu tun, aber vor allem gerade mit Neo-Nzis. Freiheit gerade im Wirtschaftlichen ist mit Hanna Arendt eine soziale Freiheit. Ohne sozialen Schutz können nur wenige das nötige Risiko eingehen. Daher auch ist mehr Soziales mehr. Damit nicht nur Söhne und Töchter etwas werden.



      Klimaschutz ist übrigens eine richtig profitable Investition, tut mir Leid, das Ihnen mitgeben zu müssen. Hitze ist mehrfach teuer für uns (für andere auch).

      • @Janix:

        Also unter innere Sicherheit und weniger soziales und frei Marktwirtschaft verstehe ich was anderes als du. Diese drei Begriffe habe ich in der Schule und beim Studium anders gelernt als du.

        Das es kein Klimaschutz geben soll habe ich nicht geschrieben sondern so lange die oben genannten Probleme nicht behoben werden, wollen die Leute Klimaschutz nicht umsetzen weil die anderen Probleme momentan mehr stören.

        Mir ging es um die Gewichtung und nicht was davon gut oder schlecht ist.

        Aber schon interessant das alle drei die meine Aussage anders sehen, kein Wort zu meiner Frage verlieren sondern nur auf die Punkte eingehen was die meisten Menschen in Deutschland mehr Angst macht als den Klimawandel

        • @Cello:

          Ich beherrsche das Sie. Sie auch, okay?

          Haben Sie ernsthaft in einem wissenschaftlichen Studium diese Ihre drei Punkte "gelernt"? Diese Uni sollten Sie Ihren Enkeln nicht unbedingt empfehlen, denn so simpel ist es ja offensichtlich falsch, empirisch wie binnenlogisch. Lesen Sie sich gerne noch mal ein.

          So deutlich will ich gerade werden, möchte aber auch danken, dass ich nun Ihren Punkt tatsächlich besser verstehe: Sie meinen, Klimaschutz sei unvermindert wichtig, aber werde erst nach jenen drei Punkten wirksam anzugehen sein. Ich hake da ein: Klimaschutz stützt die Wirtschaft, stabilisiert Länder weltweit, und angemessene Belastung von Umweltschädigung wie Energieverschwendung ist sozial wie übrigens auch selbst von den neoliberalsten Ökonomen angeraten (Pigou, Sie erinnern sich doch?)

          • @Janix:

            Das Sie jetzt den kern meiner Aussage verstanden haben, müssen wir uns jetzt nicht mehr um Definitionen von Begriffe diskutieren

            Ich habe aus Sicht die Bevölkerung geschrieben was die Leute bewegt. Mit Studien zitieren kommt man heute nicht mehr weit. Dank Corona und Letzte Generation will niemand mehr was von irgendwelchen Studien der Wissenschaft wissen. Das muss man berücksichtigen.

            Da bisher der Klimaschutz bei den Leuten nicht als Sozial und wirtschaftlich ankommt. Kann ich die Verärgerung nachvollziehen. Den unsere Maßnahmen sind nun mal nicht überall sozial und erst Recht nicht die Forderungen einiger Leute. Was hinzu kommt, es ist einfach zu teuer. Ob das jetzt stimmt oder nicht ist egal, den es kommt so bei den Leuten an. Da keiner aber was dagegen tut, sind die drei Punkte momentan enorm wichtig, das dies vor dem Klimaschutz behoben wird. Egal wie

    • @Cello:

      Nun, ich hoffe, dass Sie auf Ihre alten Jahre dann ohne zu mosern den Gürtel auf Null schnallen, und brav Bäumchen pflanzen, damit sich die Brandenburgische Wüstenei nicht nach Berlin hinein ausdehnt.

      • @Ajuga:

        Ich gehe nicht davon aus, das es soweit kommen wird, aber falls doch werden wir uns anpassen oder man ist schon längst unter der Erde

    • @Cello:

      Sie meinen also, die innere Sicherheit wird nur von Islamisten bedroht, die Wirtschaft braucht völlig freie Hand und "weniger Soziales ist mehr" (das kann man nun wirklich nicht mehr schöner ausdrücken)? D. h., "Kanaken raus", Kündigungsschutz, Umweltschutz und alles, was den Profit einiger weniger schmälern könnte, abschaffen sowie Bürgergeld und Sozialprojekte radikal kürzen, und die schlechte Stimmung hier hellt sich auf, und vielleicht kann man dann auch vorsichtig darüber nachdenken das Klima eventuell ein bisschen zu schützen?



      Kommt mir reichlich bizarr vor...

      • @Volker Scheunert:

        Ich habe weniger Soziales gesagt und nicht soziales ganz7 abschaffen! Alle Punkte die du unter Wirtschaft auflistest sind Sozialpunkte. Von Ausländer raus habe ich auch nicht gesprochen

    • @Cello:

      Völlig richtig. "Zukunft" ist heute kein Begriff mehr, der Hoffnung weckt, sondern Angst macht. Je nach Richtung Angst vor dem Klimawandel oder Angst vor Wohlstandsverlust. Angst vor Nazis oder Angst vor Zuwanderung. Wir brauchen endlich wieder eine Zukunft, die allen Spaß macht und nicht in böse vergangene Zeiten führt.

    • @Cello:

      100% Zustimmung. Hätte ich nicht besser schreiben können. Nur noch einen 4ten Punkt würde ich noch ergänzen. Der Wettbewerb muss wieder gefördert werden. Alle gleich machen zu wollen und die Standards kontinuierlich runterschrauben ist genau so falsch. In der Schule soll es Noten geben, im Sport/ Turnunterricht sollen Punkte gezählt werden znd der Wettkampf "besser als andere sein zu wollen" sollte was erstrebenswerte sein und nicht negativ konnottiert sein.

      • @Dave Hawtin:

        stimmt

    • @Cello:

      Sehe ich genauso

  • Wie bitte? Verdrossenheit ist natürlich keine Lösung ABER Sie ist mehr als berechtigt!! Es geht zuallerst einmal darum WARUM so extrem viele sich der Verdrossenheit ergeben haben? Denn Diese kommt erst nach dem Mensch versucht alles mögliche beizutragen und Nichts was man beiträgt, verändert irgendetwas zum Positiven!! Dann kommt Verdrossenheit und danach Verzweiflung.

  • Wir müssen kein Zwangslächeln auf den Lippen haben, das wäre Deutschen auch kaum zuzumuten, aber Realismus heißt, beides zu sehen: den Fortschritt und die möglichen Wege zu noch mehr davon, genauso wie die Hindernisse und Gegner.



    In diesem Sinne ans Werk!