Bürgermeister im Hamburg-Wahlkampf: Nervenflattern bei der SPD
Peter Tschentscher warnt vor Erfolg der Linken, denn die wollten gar nicht regieren. Stimmt nicht, kontert Spitzenkandidatin Heike Sudmann.
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P lötzlich zeigt SPD-Spitzenkandidat Peter Tschentscher Nerven. Lange schien klar, wie die Hamburg-Wahl am 2. März ausgeht. Die Fortsetzung des seit 2015 bestehenden rot-grünen Bündnisses schien sicher. Doch nach dem Erfolg der Linken bei der Bundestagswahl holt der SPD-Bürgermeister zum Linken-Bashing aus und legt nahe, dass jede Stimme für diese Partei verschenkt sei.
14,4 Prozent der Hamburger haben am 23. Februar das Kreuz bei der Linken gemacht, knapp 23 Prozent wählten die SPD und 19,3 Prozent die Grünen. Möglich also, dass sich auch für den Stadtstaat rein rechnerisch bald ein Rot-Rot-Grünes Bündnis anbietet, sollte die Erfolgssträhne der Linken anhalten.
Tschentscher warnte indes vor instabilen Verhältnissen. „Wir haben am Wahlsonntag gesehen, dass in diesem Land die politische Mitte zerbröselt“, sagte er am Dienstag danach. In Hamburg sei das noch nicht so, „aber das ist kein Selbstgänger“. Durch die Linken könnten die Grünen so geschwächt werden, dass es für Rot-Grün nicht mehr reicht. Eine Zusammenarbeit mit der Linken zog er aber nicht in Betracht. „Die Linke hat sich in Hamburg wie in kaum einem anderen Bundesland dafür ausgesprochen, nicht zu regieren.“
Linke regierungsbereit – wenn soziale Politik rauskommt
Nur stimmt das nicht. Die Linke-Spitzenkandidatin Heike Sudmann sprach denn auch von einer „Panikreaktion von SPD und Grünen“. Es wäre schön, wenn Tschentscher „vor lauter Angstschweiß die Fakten nicht verdrehen würde. Denn wahr ist: Die Linke verweigert sich nicht!“, teilte sie mit. Gäbe es in der neuen Bürgerschaft eine Mehrheit für „wirklich soziale Politik“, könne man „gern reden“.
In der Tat war es in Hamburg lange Zeit Linie der Linken, auf den Erfolg als Opposition zu setzen. Sie hat in dieser Position viele Anträge gestellt und Druck auf die Regierung ausgeübt. Etwa der gerade beschlossene Rückkauf der städtischen Pflegeheime geht auf so einen Antrag zurück. Doch in einem Beschluss des Parteitags vom November „Die Linke Hamburg und die Koalitionsfrage“ tauchen Begriffe wie „Regierungsbeteiligung“ und „Tolerierung“ durchaus auf. Nur falls im Parlament keine Mehrheiten für mehr soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Frieden zustande kommt, will die Linke weiter Opposition machen.
Und wenn es plötzlich doch solche Mehrheiten gibt, weil die Wähler es wollen? Vielleicht ist dann nach Bremen und Berlin auch Hamburg reif für Rot-Rot-Grün. Die SPD erklärt auf die Frage, ob Tschentscher Rot-Rot-Grün ausschließt, schon mal vorsorglich, Hamburgs Linke sei „nicht regierungsfähig“. Und Sudmann wirft Tschentscher vor, er gebe in Hamburg den „Söder“, der in Bayern beharrlich ein Bündnis mit Grünen ausschließt.
Gefangen in Scholz-Dogmen
Verschenkt sind die Stimmen für die Linke damit aber gerade nicht. Es käme nur zu einer zugespitzeren Diskussion. Denn die von Tschentscher beschworene rot-grüne Stabilität bedeutete auch Unbeweglichkeit. Ein Festhalten an Dogmen, die noch Alt-Bürgermeister Olaf Scholz stammen. Etwa, dass es keine Straßenbahn geben darf, weil das Autofahrer aufregt.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Tschentscher bei seinem denkwürdigen Auftritt auch den Grünen gedroht hat, ihnen einen Senatsposten wegzunehmen. Und auch gegen die CDU hat er ausgeteilt: Diese habe eine „hamburgfeindliche und zukunftsfeindliche Blockadehaltung“, so dass er sich nicht vorstellen könne, „mit der CDU auf einen Fortschrittskurs zu kommen“. Vergessen hat er offenbar, dass das Konzept von Hamburg als „wachsender Stadt“ entstand, als die CDU regierte. Seither prosperiert die Stadt. Und während andere Orte ihre Schulen schließen, darf Hamburg neue bauen.
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