Buch über Arbeit in der Wissenschaft: Foltergeräte in Forschungslaboren
Anne Christine Schmidt war lange Laborbotanikerin. In „Albtraum Wissenschaft“ schreibt sie über Ausbeutung und kriminelle Institutsleiter.
In seinem Bestseller über das Ende des „Fortschritts“ im Kapitalismus, „Das Zeitalter der Resilienz“ (2022), schrieb der Ökonom Jeremy Rifkin: „Die kurzfristigen Effizienzsteigerungen, wie sie die Biotechnologiebranche anpreist, gehen unweigerlich mit gravierenden negativen externen Effekten einher. Nicht der geringste ist die eisige Atmosphäre in den Forschungslaboren der Universitäten.“ Zu dieser „Atmosphäre“ gibt es nun einen „Erfahrungsbericht“ von Anne Christine Schmidt: „Albtraum Wissenschaft“ (2023).
Die Biologin arbeitete 15 Jahre als Laborbotanikerin in sieben universitären und außeruniversitären Forschungsinstituten. Sie stand kurz vor ihrer Habilitation, hatte viele Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht und Vorlesungen gehalten: Sie ruinierte ihre Gesundheit, „um Wissenschaft zu betreiben“.
Dazu heißt es: „Unberechenbare, quälende Angstanfälle schüttelten und lähmten mich fast zwei Jahrzehnte lang, bis ich die Ursachen der panischen Angst erkannte. Kurzzeitbefristete Arbeitsverträge, Leistungsdruck, Konkurrenzkämpfe, Verleumdungen und Blockierungen kennzeichneten meine berufliche Laufbahn. Unter dem Druck äußerer Zwänge funktionierte ich als jemand, der ich niemals sein wollte. Letztendlich rettete mich meine Sehnsucht nach einem naturverbundenen Leben. Als ich begann, einen Garten zur Selbstversorgung zu bewirtschaften, erfuhr ich einen ersten tiefgreifenden Heilungsschritt.“
Fast alle ihre Professoren kamen aus der BRD, manche hatten in den USA gearbeitet und brachten jede Menge Anglizismen mit. Das Biologiestudium machte ihr anfangs Spaß. Über ein Jahrzehnt arbeitete sie dann als Naturwissenschaftlerin, „doch die fachlichen Ausrichtungen lagen in von Messtechnik dominierten Gebieten. Ich wurde zur Gerätebedienerin.“
Anne Christine Schmidt: „A – Albtraum Wissenschaft. Kleiner Stimmungs-Atlas in Einzelbänden Bd. 34“. Textem, Hamburg 2023, 154 Seiten, 16 Euro
Fantasie, Freude und Wissbegier werden erschlagen
Sie kämpfte mit einer „tosenden Datenflut, die aus unzähligen Maschinen hervorquoll“, begleitet von Summen und Brummen, heißt es in einer „Zusammenfassung“ ihres Berichts über die Arbeit an den Hightech-„Foltergeräten“ der deutschen Forschungslabore. Sie lässt den Schluss zu: „Die Technokratie und Giftlastigkeit heutiger naturwissenschaftlicher Forschung, ihre Bezugslosigkeit zur lebenden Natur sowie die Starrheit wissenschaftlicher Modelle gepaart mit einem gewaltigen, aus dem Befristungskampf resultierenden Arbeitsdruck erschlagen Phantasie, Freude und Wissbegier.“
Die Autorin ist heute Gärtnerin im Erzgebirge und es geht ihr wieder gut, soll heißen: Sie hat als Selbstständige wieder Tatendrang. Zurzeit überarbeitet sie, neben der Erdbeerernte, ihren Bericht: „Als die Angst kam – als die Angst ging“. Weil das ein wichtiges Thema sei, „nicht nur für Studenten und angehende Naturwissenschaftler“.
Schon bei ihrer Forschung zur Diplomarbeit, wo es um Analysen der Giftaufnahmen von Pflanzen auf Altlastenstandorten des Zinnbergbaus ging, „strahlte die Technomanie der Naturwissenschaftler in aseptischem Glanz“. Bei jedem neuen Institut, wenn im alten ihre Förderung auslief, musste sie in eine andere Stadt ziehen und wieder neue „Projektanträge“ stellen.
Aber noch als „Postdoc“ machte es sie stolz, in einem renommierten neuen Institut „die aufwendigen Großgerätschaften selbst betreuen zu dürfen“, zudem verdiente sie ab da „volles Gehalt“. In ihrem Labor standen „Computer über Computer. Ohne sie keine Wissenschaft!“ Sie arbeitete sich in eine neue „bioanalytische Technik in Kombination mit einer komplizierten Auswertesoftware“ ein. Dann wurde ihr Institutsleiter verhaftet, weil er nebenbei zu Hause noch ein lukratives Drogenlabor betrieben hatte. Ihre Stelle wurde daraufhin gestrichen.
Von „Monsterprofessoren“ und Drogendealern
Im nächsten Institut war der Leiter ein „Monsterprofessor“. Im übernächsten Institut machte ihr die „Professorenfreundin“, die auch dort forschte, die Arbeit quälend und „freudlos“. Schließlich kam sie in ein Institut unter der Leitung ihres „Habil-Papas“, „das mir einen glorreichen Beginn und ein schreckliches Ende bescherte“.
Zum ökologischen Sinn oder Unsinn ihrer biologischen Forschung zitiert sie Gregory Fuller. In seinem Buch „Das Ende. Von der heiteren Hoffnungslosigkeit im Angesicht der ökologischen Katastrophe“ (1996) heißt es: „Mit der Gentechnik erreichen wir den Höhepunkt unserer Verachtung gegenüber allen natürlichen Wesen.“
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