Arbeitsbedingungen an Unis: Den Protest an die Uni tragen

Ein Bündnis ruft zur Aktionswoche Wissenschaft auf. Es geht um bessere Arbeitsbedingungen für Forscher:innen – und für studentisch Beschäftigte.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im Porträt.

Gegen ihre Pläne richtet sich der Protest: Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Foto: Andreas Arnold, dpa

BERLIN taz | Ab Montag finden an über 30 Standorten bundesweit Aktionen für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft statt. Dazu aufgerufen hat ein Bündnis aus acht Organisationen und Initiativen, darunter die Gewerkschaften GEW und Verdi, das Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss) und das Bundesweite Netzwerk studentischer Tarifvertragsinitiativen (TVStud).

An den beteiligten Hochschulen sind bis Freitag Informations- und Vernetzungstreffen, Podiumsgespräche oder Demonstrationen geplant. Anlass für die Aktionswoche ist laut dem Aufruf des Bündnisses „die stockende Reform des Sonderbefristungsrechts für die Wissenschaft“.

Die Kritik zielt auf das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das seit 2007 in Kraft ist. Es erlaubt den Hochschulen, Wis­sen­schaft­le­r:in­nen für je sechs Jahre vor und nach der Promotion befristet anzustellen. Begründet wird das Sonderbefristungsrecht damit, dass sich die For­sche­r:in­nen in dieser Zeit noch qualifizieren.

Zu welch prekären Arbeitsbedingungen die Befristungspraxis aber führt, haben die Berichte von For­sche­r:in­nen unter dem Hashtag #IchBinHanna gezeigt. Eine vor gut einem Jahr veröffentlichte Evaluation des WissZeitVG legte offen, dass ein Drittel der befristeten Arbeitsverträge an Universitäten und Forschungseinrichtungen nur 12 Monate oder kürzer läuft.

Ampel uneins

Im Koalitionsvertrag hat die Ampelregierung versprochen, das WissZeitVG zu reformieren, um die Planbarkeit und Verlässlichkeit wissenschaftlicher Karrieren zu verbessern. Nach massiver Kritik an den ersten Eckpunkten aus dem Bundesbildungsministerium (BMBF) setzte sich der Parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg Ende März mit Ver­tre­te­r:in­nen aus Hochschulen, Gewerkschaften und außeruniversitären Forschungseinrichtungen an einen Tisch, um über die nötigen Schritte zu beraten.

Am Dienstag nun stellte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) einen entsprechenden Referentenentwurf vor. Erneut war die Kritik groß – dieses Mal auch von den Koalitionspartnern SPD und Grüne.

„Uns fehlen Maßnahmen, die die Hochschulen ernsthaft verpflichten, etwas am System zu ändern“, fasst Lisa Janotta vom Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft die Kritik zusammen. So führe der Stark-Watzinger-Entwurf zwar Mindestvertragslaufzeiten für Promovierende und Postdocs ein. Die aber seien nur eine Soll-, keine Mussvorgabe. Außerdem betrage die durchschnittliche Promotionszeit mit 5,7 Jahren deutlich länger als so ein Arbeitsvertrag.

Auch bei der Entfristung von Arbeitsverträgen seien die Hochschulen zu nichts verpflichtet. Der BMBF-Entwurf sieht vor, dass For­sche­r:in­nen nach der Promotion noch vier Jahre (statt bisher sechs) befristet angestellt werden dürfen – danach nur mehr mit der Aussicht auf Entfristung. Allerdings bleibt es den Hochschulen überlassen, ob sie mehr unbefristete Stellen schaffen oder nicht.

Die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen der Aktionswoche befürchten, dass sich durch die geplante Reform des WissZeitVG der Druck auf die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen weiter erhöht. Sollte der BMBF-Entwurf in der jetzigen Fassung beschlossen werden, müssten Nach­wuchs­for­sche­r:in­nen statt in zwölf Jahren bereits in zehn Jahren ihren Hut in den Ring werfen – ohne neue Dauerstellen neben der Professur dürfte das ihre Chance kaum erhöhen.

Druck auf Postdocs

Vor allem für die Postdocs würde das zum Problem, sagt Janotta. Allen voran For­sche­r:in­nen mit Care-Aufgaben, Behinderungen oder unsicherem Aufenthaltsstatus. Janotta beobachtet an ihrer Universität, wie sehr Postdocs für alle möglichen Aufgaben eingespannt wird und wie wenig sie zu ihrer eigenen Forschung kommt. „Bei uns betreuen Postdocs Masterarbeiten und Praktika, erstellen die Lehrpläne oder kümmern sich um die Studienfachberatung.“ Künftig müssten sie dann zu solchen Aufgaben nein sagen, wenn sie sich eine Chance auf eine der wenigen unbefristeten Stellen wahren wollten.

Das Aktionswoche-Bündnis fordert unter anderem längere und verbindliche Vertragslaufzeiten für Promovierende (mindestens vier Jahre) sowie eine Entfristung bei denen, die die Promotion in der Tasche haben (oder zumindest einen Vertrag mit Aussicht auf Entfristung). Um die hohe Befristungsquote im akademischen Mittelbau zu senken, mahnt das Bündnis eine höhere Grundfinanzierung der Hochschulen und mehr Dauerstellen auch im Drittmittelbereich an. Aktuell werden For­sche­r:in­nen in Drittmittelprojekten nur für die Dauer der Projektlaufzeit angestellt, oft auch kürzer.

Eine weitere Forderung des Bündnisses richtet sich an den Arbeitgeberverband Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Diese soll Tarifverträge für studentische Hilfskräfte abschließen. Eine Befragung von 11.000 studentischen Hilfskräften durch das Institut „Arbeit und Wirtschaft“ der Universität Bremen im vergangenen Jahr hat ergeben, dass Vertragslaufzeiten von einem halben Jahr die Regel seien – mit Ausnahme von Berlin, dem bisher einzigen Bundesland mit einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte.

Das Aktionswoche-Bündnis fordert bundesweite Vertragslaufzeiten von mindestens zwei Jahren. Der Referentenentwurf aus dem BMBF sieht hier eine Mindestlaufzeit von einem Jahr vor. Laut der bundesweiten TVStud-Kampagne stehen die Aussichten für studentische Hilfskräfte nicht so schlecht. Acht Landesregierungen unterstützen die Forderung nach einem Tarifabschluss, zwei weitere Länder sind bereit für Verbesserungen.

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