Bremer Bürgerschaftswahl: Bremerhavens Rechtsruck
Mit AfD und „Bürgern in Wut“ haben in Bremerhaven über 16 Prozent der WählerInnen rechts gewählt. Die AfD ist in Lehe und Leherheide zweistellig.
Weil in den Landtag einzieht, wer hier die Fünf-Prozent-Hürde nimmt, war Bremerhaven für rechte Parteien immer attraktiv. Die DVU schaffte es so einst in die Bürgerschaft, die NPD versuchte es 2015 und auch die „Rechte“ hatte sich nun um Bremerhaven bemüht, kam aber nur auf 0,3 Prozent.
Dass das rechte Angebot hier auch auf Nachfrage trifft, wurde oft mit der sozialen Lage der Stadt erklärt – wegen des strukturellen Niedergangs seit der Werftenkrise. Zuletzt aber gab es Erfolgsmeldungen: etwa über die Arbeitslosenquote, die Ende 2018 mit 11,9 Prozent so niedrig war wie seit 35 Jahren nicht mehr.
Es habe sich einiges getan, sagt auch der Journalist Rainer Donsbach, der für die Nordsee-Zeitung jahrzehntelang über Bremerhaven berichtete: die „Havenwelten“ mit Klimahaus und Auswandererhaus am Wasser führt er als Beispiel an, die Hochschule, die auf Erweiterung dränge. Vor wenigen Monaten sei das Thünen-Institut mit seiner Fischerei-Forschung von Hamburg nach Bremerhaven umgezogen und auch die Lebensmittel-Industrie boome. „Die Aufbruchstimmung ist da, aber sie kommt nicht an bei den Leute, denen es nicht so gut geht“, sagt Donsbach.
Die AfD kommt in Bremerhaven (Stand bei Redaktionsschluss) auf 9,1 Prozent – rund 4 Prozentpunkte mehr als 2015.
Im Stadtteil Leherheide erhält die AfD 11,9 Prozent, in Lehe 10,2.
Auch die Bürger in Wut (BIW) haben in Bremerhaven wohl leicht dazugewonnen und kommen auf 7,4 Prozent.
"Die Rechte" erhält 0,3 Prozent.
Auf Ebene der Stadtteile holte die AfD vor allem in Leherheide und Lehe viele Stimmen. Die soziale Struktur sei hier unterschiedlich, erklärt Donsbach: In Leherheide wohnten viele Deutsch-Russen, die unter der Kohl-Regierung zugezogen waren. „Das ist ein sehr konservatives Milieu, das empfänglich ist für die Politik der AfD“, sagt der Journalist.
In Lehe wiederum herrscht seit Jahren eine hohe Arbeitslosigkeit – aktuell von rund 29 Prozent. „Hier gibt es Menschen, die teilweise in dritter Generation arbeitslos sind“, sagt Donsbach. Womöglich seien in Lehe deshalb mehr Menschen empfänglich für die einfachen Antworten der AfD.
Dass der Erfolg bei vielen nicht ankomme, sagt auch die Linkenpolitikerin Hanne Beutel. Im September 2018 hat sie das spektren-übergreifende „Aktionsbündnis gegen rechts“ mitgegründet, seitdem Mahnwachen gemacht und Flugblätter verteilt. „Der Bestand der Menschen, die rechts wählen, unabhängig davon, was passiert, ist offensichtlich größer als gedacht“, sagt sie. Der Wahlkampf der etablierten Parteien habe in Bremerhaven kaum eine Rolle gespielt. Keineswegs aber seien es nur die Armen, die rechts wählen, sagt Beutel, sondern eher diejenigen, die Angst vor dem sozialen Abstieg haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund