„Bragida“ am 9.November: Die Rechten waren schneller
Nazis haben Vorrang: Zum Gedenken an die Judenpogrome vom 9. November dürfen Nazigegner nicht vors Braunschweiger Rathaus.
Laut der dem Evangelischen Pressedienst vorliegenden Verfügung der Kommune vom Montag darf das Bündnis auch keine Kundgebung auf dem zentralen Platz der Deutschen Einheit abhalten. Es muss auf den Domplatz ausweichen. Sprecher des Bündnisses reagierten am Dienstag mit scharfer Kritik auf die Anordnung der Verwaltung.
Die Stadt begründet ihre Entscheidung mit dem sogenannten Erstanmelder-Privileg von „Bragida“. Diese Organisation habe am 21. Oktober eine knappe Stunde vor dem Bündnis gegen Rechts eine Kundgebung auf dem Platz der Deutschen Einheit mit 300 Teilnehmern und eine Demonstration angezeigt. Das Bündnis gegen Rechts hat 500 Teilnehmer angekündigt.
Aufgrund einer Gefahrenprognose der Polizei reiche der Versammlungsort „unter Berücksichtigung der sicherheitstechnischen Sperrmaßnahmen“ für beide Veranstaltungen nicht aus, heißt es in der Verfügung. In den vergangenen Monaten waren „Bragida“-Anhänger und Gegendemonstranten in Braunschweig mehrmals aneinandergeraten. „Bragida“ hat in der Stadt bislang rund 30 Demonstrationen und Kundgebungen abgehalten.
Nazis direkt vor dem Rathaus
„Ausgerechnet am Gedenktag an die Reichspogromnacht dürfen in Braunschweig nun also Wutbürger, Nazis und rechte Hooligans direkt vor dem Rathaus auftreten und ihre Hassreden halten und wir müssen mit unserer Kundgebung zur Mahnung an die Verbrechen des Faschismus weichen“, kritisierte Bündnis-Sprecher David Janzen.
Ver.di-Bezirksgeschäftsführer Sebastian Wertmüller kritisierte die Entscheidung der Stadt Braunschweig ebenfalls. Der 9. November sei ein Erinnerungstag an den Auftakt zur Vernichtung der deutschen und europäischen Juden vor 77 Jahren, sagte er. „Da haben Neonazis, Rechtspopulisten, Rassisten und Hooligans am zentralen Platz der Stadt nichts zu suchen – sonst übrigens auch nicht.“
Das Bündnis gegen Rechts will die Auflagen der Stadt allerdings nicht juristisch anfechten. Es gehe dem Bündnis vielmehr um eine politische Diskussion über das „fatale politische Signal“, dass von dieser Entscheidung ausgehe, sagte Janzen.
Ebenfalls am Dienstag kündigte die Stadt eine weitere Gedenkveranstaltung für den 9. November an. An der Gedenktafel für die ehemalige Braunschweiger Synagoge wollen Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD), die Fraktionen im Rat, die Jüdische Gemeinde Braunschweig, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die Deutsch-Israelische Gesellschaft sowie die Gewerkschaften Kränze niederlegen. Auch an vielen anderen Orten Niedersachsens erinnern Menschen an diesem Tag an die Judenpogrome.
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